Der vergangene April war bereits der zweite in Folge, in dem Frühjahrsfrost die Reben in den Weinbergen des Burgund bedrohte. "Wir verbrachten wieder einmal ein paar schlaflose Nächte, um mit Holzfeuern den Frost zu bekämpfen", erzählt Pierre Vincent. Ganz so schlimm wie 2021 sei es allerdings nicht gekommen, betont der Direktor des Domaine Leflaive in der für Weinkenner geradezu mythischen Ortschaft Puligny-Montrachet.

Im Vorjahr büßten die Winzer in der Region bis zu 80 Prozent ihrer Ernte ein. Dass der Schaden heuer geringer ausfiel, liegt allein daran, dass zu dem Zeitpunkt nur der Weißwein ausgetrieben hatte. Um ihn zu schützen, brannten in der kältesten Aprilnacht, die in Frankreich seit 1947 gemessen wurde, etliche Feuer in prestigereichen Weinbergen mit klingenden Namen wie Montrachet, Meursault und Chablis. Der Pinot Noir indessen, rotes Aushängeschild der Region, hatte noch nicht ausgetrieben und blieb verschont.

Werden Frostschutzmittel eingesetzt, kostet das Winzer im Durchschnitt 5000 Euro pro Hektar. Dennoch werden die Maßnahmen immer mehr zur Routine in dieser Region, die zu den nördlicheren Weinbaugebieten Frankreichs zählt; und die ungefähr zwischen denselben Breitengraden liegt wie einige österreichische Weinbauregionen. Lösungen erhofft man sich vom Anbau alternativer Rebsorten. Eine Idee, die in der wohl konservativsten aller Weinbauregionen einem kleinen Erdbeben gleichkommt – und dennoch kein Tabu mehr ist.

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Dürre, Starkregen, aber auch späte Fröste gefährden die Weinreben in Frankreich und Österreich.
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So werden bereits seit einigen Jahren zu Versuchszwecken neue Rebsorten angepflanzt. Solche, die sich durch spätere Reifung, mehr Säure und weniger Zucker auszeichnen. Darunter etwa die Xinomavro, eine für ihren hohen Säuregehalt bekannte Traube aus Griechenland. Vertrauter ist da schon die piemontesische Nebbiolo, die bereits bisher als eine Art südländische Version der Pinot Noir galt. Auch bei den Weißen testet man mit Exotischem wie der Assyrtiko von der Ägäis-Insel Santorin. Oder greift auf Naheliegenderes zurück, wie auf die Savagnin aus der gebirgigen Region Jura. Wird man also auch in Österreich umdenken müssen und erleben, dass aus alteingesessenen Weinbauregionen nicht mehr dieselben Traubensorten und Weine wie bisher kommen?

Höherer Alkoholgehalt

Hans Reiner Schultz sieht diese Entwicklung nicht. Zumindest noch nicht. "Eher kann man sagen, dass die österreichischen Weinregionen von der Klimaerwärmung profitieren", findet der Professor für Pflanzenbau und Präsident der Hochschule Geisenheim im hessischen Rheingau. Ein wärmeres Klima bedeute in Wahrheit vielmehr, dass man nun auch Sorten anbauen könne – nicht aber müsse – , die hier zuvor nicht heimisch waren. "Und da stellt sich die Frage, ob das überhaupt Sinn hat, da die meisten Regionen sich ja ihren Ruf in Verbindung mit bestimmten Sorten aufgebaut haben", so Schultz.

In diesem Bereich hätten es die Franzosen, wo traditionellerweise mehr auf Gebietsschutz gesetzt wird als auf Sortenreinheit, doch leichter. "Im Bordeaux etwa fällt es vergleichsweise nur sehr geringfügig auf, wenn sie ungewohntere Sorten in ihre Cuvées mischen", so der Professor. Und selbst im Burgund, wo man bei Rotwein zwar davon ausgeht, dass es sich um Pinot handelt, und bei Weißwein um Chardonnay, greift man eher zu einer Gebietsbezeichnung wie einem Gevrey-Chambertin oder einem Meursault.

Im Bordeaux, das bekannt ist für sein feuchtes Klima und damit einhergehende Probleme durch Pilzbefall, wurden im Vorjahr gleich sechs neue Sorten zugelassen. Nämlich Arinarnoa, Castets, Marselan und Touriga Nacional bei den Roten und Alvarinho und Liliorila bei den Weißen. "Eine Anpassung der Anbaumethoden verschafft uns lediglich etwas Zeit gegenüber dem Klimawandel", sagt Bernard Farges, Präsident der Bordeaux-Winzer, dem Fachmagazin Vins de France, "aber das reicht nicht. Wenn wir nicht reagieren, verlieren unsere Weine bald die Typizität, für die sie bekannt sind." Was zum Teil am wachsenden Alkoholgehalt etwa des Merlot liege. Denn durch steigende Temperaturen und mehr Sonnenstunden enthalten die Trauben mehr Zucker, und bei der Vergärung entsteht mehr Alkohol.

Diese Gefahr bestehe auch in Österreich, bestätigt Schultz. "Es ist weniger die fehlende Säure, die Probleme bereitet, sondern eher die Art der Reifung, die sich bei manchen Sorten vielleicht in eine andere Richtung entwickelt", sagt der Forscher. Dadurch – beispielsweise durch die frühere Reifung der Trauben – könnten sie ein anderes Geschmackspro fil entwickeln. Welches das sein wird, könne man zum jetzigen Zeitpunkt kaum bestimmen. Denn wie sich die Pflanzen an die neuen Bedingungen anpassen würden, ob dann etwa ein Riesling noch wie gewohnt schmecken werde, zeige erst die Zukunft. "Zurzeit wissen wir nur, was nicht möglich ist. Nicht aber, was in den nächsten Jahren weiterhin möglich bleibt beziehungsweise möglich wird", so Schultz.

So sehen das auch einige heimische Winzer. "Bisher haben unsere Sorten wenige Probleme mit dem wärmeren Wetter", sagt etwa der Südsteirer Hannes Sabathi, "vor allem der Welschriesling profitiert mehr, als dass er leidet. Natürlich kann es auch bei uns zu Problemen mit dem Frost kommen. Allerdings blüht es hier doch um einiges später als in Frankreich, weswegen die für uns kritische Phase nicht Anfang April, sondern erst Anfang Mai eintritt."

Klimagewinner

Auch Willi Bründlmayer aus dem Kamptal setzt bislang noch wenig auf neue Sorten. "Sowohl der Riesling als auch der Grüne Veltliner sind Sorten, die für wärmeres Klima extrem anfällig sind", sagt Bründlmayer, "aber es sind auch jene, mit denen unsere Region am meisten verknüpft ist, weswegen es sich auszahlt, alles zu tun, um ihre bekannten Charakteristiken wie Frische und Säurespiel zu bewahren."

Experimentiert wird aber auch bei Bründlmayer. "Der Cabernet Franc zum Beispiel gedeiht bei uns inzwischen ganz wunderbar", sagt der Winzer, "genau wie der Chardonnay, bei dem der Konsument bereit ist, mehr Alkohol und Üppigkeit in Kauf zu nehmen." Ein wahrer Klimagewinner indessen sei der Pinot Noir, den Bründlmayer bereits seit den 1980er-Jahren anbaut. Und der sich hier inzwischen prächtig entwickle.

Gleichfalls eine Art "Klimagewinner", betont Roland Velich aus dem für seine Rotweine bekannten Burgenland, sei der Blaufränkische. "Die Sorte kommt ziemlich gut mit alledem zurecht und ist sogar ein Nutznießer der Situation", so der Winzer. "Im Laufe dieses März hatten wir zwar einige sehr warme Tage, doch die ziemlich kalten Nächte sorgten dafür, dass die Reben im Winterschlaf blieben."

Mehr als die Erwärmung seien es überhaupt Extremwetterlagen, wie etwa die lange Trockenheit, gefolgt von Intensivregen, den zu trockene Pflanzen und ein zu trockener Boden nicht mehr aufnehmen könnten. Eine Gefahr, die auch der Wissenschafter Schultz als die größte für die Weingebiete in Deutschland und Österreich bezeichnet. Nicht zuletzt wegen der wachsenden Bedrohung durch Pilzbefall aufgrund der Feuchtigkeit.

Piwi: ja oder nein?

"Darum könnte man vielleicht gleich auf Piwis setzen", meint Schultz. Dabei handelt es sich um pilzwiderstandsfähige Sorten, die dank konventioneller Züchtung (also ohne Einsatz von Genmanipulation) weit weniger anfällig sind für Pilzkrankheiten wie beispielsweise den gefürchteten Mehltau. Dadurch kann die Häufigkeit der Spritzungen mit Fungiziden reduziert und der Umwelt eine große Menge an Chemie erspart werden. Obendrein kann man so auch den Einsatz von Kupferpräparaten verringern, um den auch biologische, biodynamische und sogenannte "Naturwein-" Winzer nicht umherkommen – ungeachtet dessen, dass es sich bei Kupfer um ein Schwermetall handelt. All das werde in naher Zukunft noch relevanter, betont Schultz – nämlich angesichts des Green Deal, den sich die EU im Vorjahr auferlegt hat. Und der die Landwirtschaft ab 2030 dazu verpflichtet, die Anwendung von Pflanzenschutz- um die Hälfte und von Düngemitteln um 20 Prozent zu reduzieren.

Doch von Piwis halten weder Sabathi noch Velich sehr viel. "Aus ihnen kann man zwar anständigen, aber keinesfalls große Weine machen", sagt der Steirer. Während der Burgenländer überhaupt der Ansicht ist, dass sie keiner brauche, wie er sagt. Bründlmayer ist da schon aufgeschlossener. "Auf dem Gebiet wurden große Fortschritte gemacht", sagt der Kamptaler, "es fehlt nicht mehr viel, und man kann ihren Einsatz durchaus in Erwägung ziehen, wenn das der Umwelt hilft."

Bis ins Jahr 2030 und zur geplanten Umsetzung der EU-Richtlinien ist es jedenfalls nicht mehr weit hin. Ob bis dahin ein Umdenken stattfinden wird, bleibt mehr als fraglich. Aber vielleicht geht doch alles viel schneller. Dann nämlich, wenn auch der Markt nach mehr Umweltverträglichkeit beim Wein verlangt. Und diese Forderung nicht dem Gesetzgeber allein überlässt. Zumal sich der, angesichts des Krieges in der Ukraine, mit der Verordnung sowieso wieder mehr Zeit lassen will. (Georges Desrues, 11.9.2022)