Russlands Präsident Wladimir Putin.

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Moskau – Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine neue außenpolitische Doktrin gebilligt, die auf dem Konzept der "russischen Welt" basiert. Russland solle "die Traditionen und Ideale der russischen Welt schützen, bewahren und fördern", heißt es in dem am Montag veröffentlichten, 31 Seiten langen Dokument.

"Die Russische Föderation unterstützt ihre im Ausland lebenden Landsleute bei der Durchsetzung ihrer Rechte, um den Schutz ihrer Interessen und der Bewahrung ihrer russischen kulturellen Identität sicherzustellen."

Bei dem Begriff der "russischen Welt" handelt es sich um eine Kategorie, die geopolitische Ansprüche mit einem erzkonservativen kulturellen und orthodox-religiösen Selbstverständnis mischt. Tatsächlich stammt die erste Nennung des Begriffs noch aus dem 11. Jahrhundert und bezieht sich auf das damalige Reich der Kiewer Rus. Nach deren Ablösung als wichtigstes vornehmlich slawisches Großreich durch das Moskauer Großfürstentum meinte die "Russische Welt" zunehmend eine von Moskau dominierten Einflussbereich, der durch immer weitere Kolonialisierung umliegender Gebiete stetig ausgeweitet wurde. Radikale Vertreter forderten gar die Eroberung Konstantinopels.

Im späten Zarenreich wurde das kulturelle Verständnis einer "Russischen Welt" in die Dreifach-Losung "Autokratie, Orthodoxie, Nationalität" übersetzt. In dieser Form, mit einer starken Betonung auf den Faktoren Orthodoxie und russischer Sprache, gewann die recht lose Doktrin in den 1990er-Jahren unter anderem durch Ideologen wie Alexander Dugin wieder an Bedeutung. Innenpolitisch sehen Fachleute außerdem den faktischen Schulterschluss zwischen Wladimir Putin und dem russischen Patriarchen Kirill, der den Krieg gegen die Ukraine offiziell unterstützt, als Anknüpfen an die alte zaristische Doktrin.

Das Konzept der "russischen Welt" wird heute von Konservativen als Rechtfertigung für ein Vorgehen im Ausland zur Unterstützung russischsprachiger Gruppen herangezogen. Putin hat wiederholt auf die etwa 25 Millionen Russen hingewiesen, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 in den daraus hervorgegangen, unabhängigen Staaten wiederfanden. Die Regierung in Moskau betrachtet die ehemaligen Sowjet-Staaten vom Baltikum bis nach Zentralasien als Teil einer Einflusssphäre. Viele dieser Länder und auch der Westen weisen dies zurück. (APA, Reuters, red, 6.9.2022)