Die Grün-Politikerin Barbara Gasner will mit einer Bürgerinitiative ein Jungbunzlauer-Werk an der Donau verhindern.

Foto: Jörg Bauer

"Eigentlich mag ich keine Konflikte", seufzt Barbara Gasner. "Aber das hier ist kein Konflikt für mich, das ist eine Berufung." Die Grün-Politikerin schiebt ihr Fahrrad auf einen Hang am Donauufer bei Melk. Das Wasser glitzert in der Sonne, im Hintergrund thront das Stift Melk über dem Fluss. Gasner zeigt auf einen weitläufigen Acker. "Dort soll das 32 Hektar große Chemiewerk entstehen. Es sei denn, wir können es noch verhindern."

Rund vier Jahre ist es her, dass Gasner gemeinsam mit den "Rittern der Au" gegen die geplante Fabrik des Konzerns Jungbunzlauer ins Feld zog. Knapp 4000 Mitstreiterinnen und Mitstreiter hat die Initiative gewonnen, auch die Stadt Melk schloss sich dem Widerstand an. Bisher mussten die Ritter allerdings mehrere Niederlagen einstecken: 2020 bewilligte das Land Niederösterreich den Bau, ein Jahr später blieb eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht erfolglos. Jetzt liegt die Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof.

Unterstützung vom Land

Jungbunzlauer hatte 2018 mit der Planung des Werks begonnen. Der Konzern mit Hauptsitz in der Schweiz zählt zu den Marktführern für künstliche Zitronensäure. Europa verbraucht rund 600.000 Tonnen im Jahr – vor allem für Lebensmittel. Ungefähr ein Drittel davon wird im Weinviertler Pernhofen erzeugt. Die Kapazitäten reichen aber nicht mehr aus, der Markt wächst. Um die Anteile nicht an chinesische Importeure zu verlieren, braucht Jungbunzulauer ein neues Werk, das künftig 50.000 Tonnen Säure pro Jahr erzeugen soll.

Ein Standort dafür war – mit Unterstützung des Landes Niederösterreich – rasch gefunden. Die landeseigene Wirtschaftsagentur Ecoplus schlug ein Aufeld bei Melk vor. Aus Sicht des Unternehmens der ideale Standort: Die Fläche war zu einem großen Teil bereits als Industriegebiet gewidmet. Ein nahegelegenes Umspannwerk sichert die Stromversorgung, das überregionale Gasnetz ist nur drei Kilometer entfernt. Der größte Vorteil ist aber die Donau, die direkt am Werk vorbeifließt.

Das Chemiewerk soll direkt an der Donau gebaut werden. Für Jungbunzlauer hat das zahlreiche Vorteile.
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Wasser aus Donau

Jungbunzlauer darf das Wasser zur Produktion und zur Kühlung aus dem Fluss entnehmen – rund 1,77 Kubikmeter pro Sekunde. Ein Großteil des Kühlwassers fließt wieder zurück und wird die Donau um durchschnittlich 0,1 Grad erwärmen. Der Rest strömt als gereinigtes, salzhaltiges Abwasser Richtung Wachau. Für die Ritter der Au ist das nur einer von vielen Gründen, die gegen das Projekt sprechen: Licht-, Lärm- und Geruchsemissionen werden laut Gasner die Lebensqualität beeinträchtigen und den Tourismus gefährden. Der Wert der Immobilien in der angrenzenden Siedlung sei schon jetzt um bis zu 40 Prozent gesunken.

Den Vorwurf, dass die Ritter der Au nur deshalb gegen das Werk kämpfen, weil sie in der Nachbarschaft wohnen, lässt die Grüne nicht gelten. "Ich kann aus Unternehmenssicht ja verstehen, dass das der perfekte Standort ist, aber wir haben in Österreich einen enormen Industrie-Leerstand", sagt Gasner. "Ich denke, man hätte einen Standort finden können, an dem Menschen und Natur nicht so viel Schaden nehmen. Das hier ist das Tor ins Welterbe Wachau, mit einem direkt angrenzenden Naturschutzgebiet."

Kritik an Transparenz

Gasner stört sich an auch mangelnder Transparenz. "Wir wurden nicht eingebunden, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt." Bei der Verhandlung für die Bewilligung beim Land sei die Bürgerinitiative kaum zu Wort gekommen. Vor dem Verwaltungsgericht habe es gar keine mündliche Verhandlung gegeben. Gutachten seien als "nicht auf derselben fachlichen Ebene" beurteilt worden und damit nicht in die Entscheidung eingeflossen.

Die Grüne befürchtet zudem, dass Jungbunzlauer eine "Salami-Taktik" fährt und das Werk nach der Genehmigung ausbaut – was der Konzern nicht ausschließt. Weitere Ausbaustufen müssten zwar genehmigt werden, seien aber wahrscheinlich nicht umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig, sagt Fiona List, Rechtsanwältin der Bürgerinitiative. Damit wäre die Bewilligung einfacher.

Mangelnde Transparenz wird Jungbunzlauer nicht zum ersten Mal vorgeworfen. Ein Weinviertler Biobauer hatte vor Jahren Informationen darüber gefordert, welche Abwässer der Chemiekonzern bei Pernhofen in die Thaya leitet. Jungbunzlauer übermittelte die Daten an die Behörde, wollte die Zusammensetzung des Abwassers aber wegen Betriebsgeheimnissen nicht offenlegen. Vergangenes Jahr verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof das Unternehmen dann zu Transparenz.

Der Bau soll im Herbst beginnen.
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"Alle Vorgaben eingehalten"

Dass sich der Konzern nun abermals vor dem Höchstgericht verteidigen muss, sieht Produktionsleiter Josef Gaß gelassen. "Wir haben zwei Instanzen durchlaufen, und ich rechne damit, dass wir in der dritten ebenfalls gewinnen." Die Sorge vor Umweltschäden teilt Gaß nicht. "Wir haben Gutachten, die ausschließen, dass es zu Geruchsbelästigungen kommt." Auch die Emissionen in die Donau entsprächen den Vorgaben. "Nach der Reinigung bleibt abgesehen von Salzen kaum etwas im Wasser", sagt Gaß.

Hier produzierte Zitronensäure sei im Vergleich zu jener aus China umweltschonend. "Der CO2-Fußabdruck ist dort dreimal so groß, weil für die Stromerzeugung Kohle eingesetzt wird. Die Vorgaben beim Abwasser sind weniger streng", sagt Gaß. Wer in Österreich produzieren wolle, brauche einen langen Atem.

Am Aufeld in Bergern ist es derzeit noch ruhig. Im Herbst könnte sich das ändern, dann will Jungbunzlauer mit dem Bau des Kraftwerks beginnen. Die Hoffnung der Ritter liegt nun beim Verwaltungsgerichtshof. Sollte das Höchstgericht Bedenken haben, müsste neu verhandelt werden. Selbst bei einer Niederlage sei die Sache nicht erledigt, sagt Gasner. "Dann ziehen wir vor den Europäischen Gerichtshof." (Jakob Pflügl, 13.9.2022)