Die Volksanwaltschaft macht unangekündigte Kontrollbesuche in Pflegeheimen – und hat in einem Salzburger Heim Missstände vorgefunden (Symbolbild).

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"Es waren Bewohnerinnen unterernährt, es waren Bewohnerinnen dehydriert, und die Wundversorgung war so mangelhaft, dass man es schon gerochen hat": So beschrieb Volksanwalt Bernhard Achitz im Ö1-"Morgenjournal" am Donnerstag die Zustände in einem Pflegeheim in Salzburg, wie sie sich der Volksanwaltschaft bei einem unangekündigten Kontrollbesuch darstellten.

Die Kritik des Volksanwalts umfasst aber nicht nur diese Einrichtung eines privaten Betreibers, sondern auch die Kontrollmechanismen des Landes Salzburg: Denn dieses Heim sei bereits wenige Wochen davor von der Landesaufsicht besucht worden. Diese führe aber keine Qualitätskontrolle durch, es sei lediglich überprüft worden, "dass eine Dokumentation zum Beispiel vorhanden ist und ob die notwendigen Dinge drinstehen".

Man habe aber "nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen, dass zum Beispiel keine Schmerzbehandlung bei der Wundversorgung" vermerkt gewesen sei, oder man habe zwar geprüft, ob das Bad sauber ist, "aber nicht, ob eine Wundmanagerin regelmäßig sich darum kümmert, dass die Leute ordentlich verbunden werden", schilderte Achitz.

Frau nach Kontrolle ins Spital eingeliefert

Besonders heftig war der Fall einer Frau mit Pflegestufe 5. Sie wog nur noch 42,5 Kilo und sagte der Kommission, dass sie ihren Alltag unter großen Schmerzen im Bett verbringe, heißt es in dem Bericht. Die Kommissionsmitglieder beobachteten einen Verbandswechsel durch die zuständige Diplompflegekraft, bei dem "ein massiver Dekubitus mit Beteiligung des Steißknochens und einer etwa zwei Hände großen Hauttasche freigelegt wurde". Von der Wunde ging bereits Fäulnisgeruch aus. Laut Kommission fehlte auch die professionelle Reinigung der Wundränder. Der Bewohnerin wurden weder Schmerzmittel angeboten, noch wurde sie nach Schmerzen gefragt.

Die Kommission stufte die Situation der Frau als lebensbedrohlich ein und veranlasste einen sofortigen Transfer in ein Spital. Wie die Kommission später erfuhr, verstarb die Frau kurze Zeit nach dem Kommissionsbesuch.

Burnout und Personalnot

Ein Grund für die massiven Missstände sei der Personalmangel, vor allem beim qualifizierten Personal. So sei die Wundmanagerin seit einem halben Jahr mit Burnout im Krankenstand. Den Personalmangel habe auch die Landesaufsicht festgestellt, aber die Verantwortung dafür dem Betreiber zugeschoben. Laut Achitz wurde nicht ausreichend Druck gemacht, um die Situation zu verbessern. "Das darf nicht passieren."

Am 23. Juni, zwei Monate nach der ersten Kontrolle, erreichte die Volksanwaltschaft ein anonymes Schreiben, das offensichtlich vom Personal des Pflegeheims stammte und in dem berichtet wurde, dass die personelle Situation noch prekärer geworden sei. Sowohl im Nacht- als auch im Tagdienst würden regelmäßig Pflegekräfte fehlen. Das Personal fühle sich im Stich gelassen und sehe keine Möglichkeit mehr, die Bewohnerinnen und Bewohner adäquat zu versorgen.

Soziallandesrat: "Wirklich schockierend"

Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) wurde im Ö1-Gespräch Donnerstagfrüh mit mit dem Bericht der Volksanwaltschaft konfrontiert und gefragt, ob bei den Kontrollen alles funktioniert habe. "Gleich nach dem Besuch der Volksanwaltschaft haben wir einen umfassenden Kontrollbesuch gemacht", sagte Schellhorn. Da der Zustand der wundgelegenen Stelle "wirklich schockierend" gewesen sei, habe man eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft geschickt. Diese ermittelt nun wegen des Verdachts auf "Quälen und Vernachlässigung unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen" und wegen schwerer Körperverletzung.

Aufnahmestopp verhängt

Schellhorn bestätigte, dass die Fachaufsicht des Landes zwei Wochen vor den Kontrollen der Volksanwaltschaft schon einen Besuch gemacht habe, "weil es in diesem Heim Beschwerden gegeben hat, und sie war öfter auch dort", sagte der Landesrat. Es sei ein Aufnahmestopp mit dem Heim vereinbart worden und eine Reduktion der Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner von 90 auf 60. Es bestehe die Bereitschaft, Bewohnerinnern und Bewohner in städtische Häuser zu übernehmen.

Für das Wundmanagement sei der Heimbetreiber zuständig. Schon im Jahr davor sei die Empfehlung geäußert worden, das Wundmanagement zu optimieren, und das habe man auch kontrolliert. Die Geschäftsführung habe zugesichert, dass während des Krankenstands der hausinternen Wundmanagerin externe Wundmanager anderer Heime desselben Betreibers im Haus gewesen seien. "Es hat natürlich einen Personalmangel gegeben, der zu Qualitätsproblemen in der Pflege geführt hat, das ist ganz eindeutig", sagte Schellhorn. Es sei auch eine neue Heimleitung installiert worden, und bei einem Kontrollbesuch vergangene Woche hätten Bewohnerinnen und Bewohner die neue Leitung gelobt.

Einheitliche Standards gefordert

Die Volksanwaltschaft fordert bundesweit einheitliche Pflegestandards, deren Kontrolle und bei Unterschreiten der Standards ein sofortiges Einschreiten. "Denn die Menschenrechte und die Menschenwürde der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner müssen auf jeden Fall erhalten bleiben", sagte Achitz.

Um auf die Kritik der Volksanwaltschaft zu reagieren, haben Bund und Land Salzburg nun acht Wochen Zeit. Zum Stichwort "bundesweite Standards" befragt, verwies das Sozialministerium auf die Pflegereform. "Das Sozialministerium hat eine Studie zur Bedarfsbemessung beim Pflegepersonal beauftragt und ein Projekt zum Pflegereporting gestartet. Beide Instrumente werden wichtige Grundlagen für die Steuerung der pflegerischen Versorgung in Österreich liefern und uns helfen, eine hohe Qualität sicherzustellen", heißt es in einer Stellungsnahme aus dem Ministerium.

FPÖ fordert Schellhorns Rücktritt

In Salzburg fordert die FPÖ den Sozialreferenten zum Rücktritt auf: "Heinrich Schellhorn wird sich eingestehen müssen, in seiner Aufsichtsrolle als Pflege- und Soziallandesrat vollkommen versagt zu haben. Es ist angebracht, von einem katastrophalen Management zu sprechen", sagte das FPÖ-Landeschefin Marlene Svazek. Schellhorn habe von der Situation gewusst, tatenlos zugesehen und die Verantwortung ständig an die Betreiber abgeschoben.

Die SPÖ will, dass sofort alle Protokolle der Landespflegeaufsicht offengelegt werden und kündigt eine Flut an Anträgen und Anfragen für die nächste Landtagssitzung an. Landesparteichef David Egger spricht von einem "Kontrollversagens der schwarz-grün-pinken Landesregierung". Er fordert volle Aufklärung und eine Abkehr von der privaten Auslagerung des Pflegewesens.

Auch SPÖ-Sozialstadträtin Anja Hagenauer kritisiert, dass die Stadt trotz mehrmaliger Urgenz keinen Einblick in die Protokolle der Heimaufsicht zur betroffenen Einrichtung erhalten habe und fordert erneut einen Mindestpersonalschlüssel. Seit Juli wurden wegen der anhaltenden Personalprobleme bei Sencura neun Bewohner in städtische Seniorenwohnhäuser übernommen, um den privaten Betreiber zu entlasten. Erst am 23. August sei die Stadt offiziell vom Land über den Personalmangel in Lehen in Kenntnis gesetzt worden, "jedoch sah das Land keine Notwendigkeit das Heim des privaten Betreibers auf Anordnung zu schließen und alle Bewohnerinnen in anderen Einrichtungen unterzubringen", heißt es in der Aussendung der Stadt. (Gudrun Springer, Stefanie Ruep, 8.9.2022)