Immer wieder gerät Go Student in die Kritik, streitet die Vorwürfe aber größtenteils ab. Nun muss das Unternehmen erstmals vom massiven Wachstumskurs abweichen.

Foto: Felix Hohagen

Wien – Die negativen Schlagzeilen rund um die Wiener Nachhilfeplattform Go Student reißen nicht ab. Erst kürzlich wurden Missbrauchsvorwürfe gegen einen Nachhilfelehrer bekannt, davor stand das Unternehmen wegen der Arbeitsbedingungen mehrmals schwer in der Kritik, der STANDARD hat berichtet. Nun kommt der nächste Dämpfer für das zuletzt mit drei Milliarden Euro bewertete Edu-Tech: Go Student stellt das erst heuer gestartete Geschäft in den USA ein und baut 200 Stellen ab, wie das Onlinemedium "Trending Topics" berichtet. Die Zahl der Mitarbeiterinnen soll demnach von 1.800 auf 1.600 schrumpfen.

Noch im Jänner stellte Go Student mit eingesammelten 300 Millionen Euro einen neuen Investmentrekord in Österreich auf, doch die Zeiten haben sich geändert. Den Stellenabbau begründet Firmengründer Felix Ohswald mit der "schlagartig geänderten Marktsituation". "Die Aktienmärkte sind gefallen, die Inflation steigt, und der Zugang zu Kapital ist ist in dieser Situation einfach schwieriger geworden", meint der 27-Jährige.

Deswegen müsse man auch beim Personal Abstriche machen und die Pläne zurückschrauben. "Ruhigeres und gesünderes" Wachstum laute nun die Devise. Statt 250 Prozent Wachstum sollen es nur noch 80 Prozent sein. Das Geschäft in den USA werde von Kanada aus weiterbetreut, und der Fokus solle noch stärker auf Europa liegen – der DACH-Region sowie Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien.

Missbrauchsvorwurf

Die Familie eines damals 15-Jährigen soll mehrere Sexualdelikte zur Anzeige gebracht haben, hieß es vor rund zwei Wochen in mehreren Medienberichten, der Tatzeitraum soll zwischen Anfang November und Jahresende 2021 liegen. Für Ohswald sei "der Vorfall extrem schockierend". Laut Go Student hat sich der Vorfall auf einem externen Messengerdienst und nicht auf der Plattform selbst abgespielt, der Tutor sei nach Bekanntwerden der Vorwürfe sofort von der Plattform entfernt worden.

Deswegen wurde im Juni ein Digital Safety Center eingerichtet, das dafür zuständige Team kooperiere mit einer Kinderhilfsorganisation. Dazu soll es ein Meldetool geben, mit dem Lernende etwaige Probleme melden können. Im Oktober soll beides weltweit ausgerollt werden.

Neue Technologie

Die von Go Student zur Verfügung gestellte technische Infrastruktur findet sowohl auf Tutoren- als auch auf Schülerseite wenig Anklang. Von vielen Ausfällen und mangelnder Erreichbarkeit ist die Rede. Mittelfristig wolle man sich von Zoom und Whatsapp verabschieden und ein eigene Technologie zur Verfügung stellen, sagt Ohswald zu "Trending Topics". Genauer Zeitplan wird keiner genannt.

Vorwürfen, extremen Druck auf Tutorinnen und Tutoren sowie das Sales-Team auszuüben, begegnet Ohswald mit den üblichen Antworten. Man nehme die Vorwürfe sehr ernst und prüfe die Fälle. (and, 8.9.2022)