Im Gastblog zeigt Rechtsanwältin Julia Andras, welche Rahmenbedingungen der Oberste Gerichtshof bei der Berechnung des Unterhalts in Bezug auf Einkommen und Vermögen setzt.

Unterhaltsbemessungsverfahren können oftmals viele Fragen aufwerfen. Die mit einer modernen Arbeitswelt einhergehenden, teilweise unkonventionellen, manchmal auch komplexen Einkunftsquellen führen häufig zu Unklarheiten und bemühen im weiteren Verlauf die österreichische Jurisprudenz. So müssen sich die Gerichte unseres Landes immer öfter mit der Frage auseinandersetzen, welche dem Unterhaltsschuldner oder der Unterhaltsschuldnerin zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel tatsächlich für die Bemessung eines Unterhalts herangezogen werden können und müssen.

Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich mit der Frage, ob bei der Unterhaltsbemessung der Verkauf eines Vermögensobjekts inkludiert ist und somit der Veräußerungserlös offengelegt werden muss.
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In einem kürzlich vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fall (OGH 20.07.2022, 3 Ob 121/22y) führt die Unterhaltsberechtigte gegen ihren mittlerweile Exmann seit mehr als zehn Jahren Exekution. Der äußerst wohlhabende Mann wurde vom Erstgericht für schuldig erkannt, seiner Ex-Frau über seine monatlichen Einkünfte Rechnung zu legen. In weiterer Folge wurde die Exekution zugunsten der Frau bewilligt. Gegen diese richtet sich die vom unterhaltspflichtigen Mann erhobene Klage mit dem Hinweis darauf, dass er zu den von ihm kürzlich veräußerten Gesellschaftsanteilen an einer Unternehmensgruppe aufgrund einer mit seinem dortigen Vertragspartner geschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung keine Auskunft erteilen könne und das Rechnungslegungsbegehren seiner Ex-Frau damit ins Leere gehe.

Schutz von Geheimhaltungsinteressen

Die Frau vertrat die Ansicht, dass die Rechnungslegung des Mannes unvollständig sei, und begehrte Auskunft über seine Einkünfte aus dem Verkauf der Unternehmensgruppe. Das Erstgericht gab der Klage des Mannes statt und hielt fest, dass die Offenlegung des Abtretungspreises aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile aufgrund der mit der Käuferin abgeschlossenen Geheimhaltungsvereinbarung und dem sich daraus ergebenden schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresse nicht notwendig sei.

Die dagegen von der Frau erhobene Berufung war erfolgreich. Das Berufungsgericht vertrat die Meinung, dass der Mann eine formell vollständige und detaillierte Rechnungslegung schulde, diese betreffe auch den Erlös aus der Veräußerung seiner Beteiligung an Kapitalgesellschaften, da es sich dabei im Normalfall um Einkommen handeln würde. Der Mann erhob die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof, um die Frage zu klären, ob bei der Rechnungslegung durch den unterhaltspflichtigen Ehegatten zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter zu berücksichtigen seien.

Oberster Gerichtshof: Kein Einkommen

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner nun vorliegenden Entscheidung aber nicht mit der Frage der allenfalls berechtigten Geheimhaltungsinteressen Dritter beschäftigt, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass er bereits in jahrelanger Rechtsprechung ausgeführt habe, dass Erlöse aus dem Verkauf eines Vermögensobjekts nicht als Einkommen zu behandeln sind, sondern vielmehr einen Vermögensbestandteil darstellen.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erneut ausgesprochen, dass man unter Einkommen die Summe aller dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden Mittel unter Berücksichtigung unterhaltsrechtlich beachtlicher Abzüge und Aufwendungen versteht. Die Vermögenssubstanz ist aber auch bei der Bemessung des Unterhalts grundsätzlich nicht heranzuziehen. Dies betrifft insbesondere auch Erlöse aus dem Verkauf von Liegenschaftsvermögen, welches als Vermögenssubstanz anzusehen ist. So ist regelmäßig der Erlös aus dem Verkauf eines Vermögensobjekts nicht als Einkommen zu behandeln, und zwar auch dann nicht, wenn durch den Verkauf ein Wertzuwachs realisiert wurde.

Dasselbe gelte für den Geschäftsanteil, auch dieser stelle einen Bestandteil des Vermögens dar und würde daher nicht zum Einkommen zählen. Im Ergebnis ist der Erlös aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile des Mannes als Gegenwert für die Vermögenssubstanz und nicht als Erträgnis des Vermögens zu qualifizieren. Der im Verfahren in Rede stehende Veräußerungserlös zähle daher nicht zum Einkommen des unterhaltspflichtigen Mannes und sei er daher nicht verpflichtet diesen offenzulegen, da er nicht für die Bemessung des Unterhalts an seine geschiedene Exfrau heranzuziehen sein wird.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass eine umfassende Beratung durch einen rechtskundigen Experten oder Expertin sowohl für die unterhaltsberechtigte als auch für die unterhaltspflichtige Seite sehr wichtig ist und diese daher nach Möglichkeit in Anspruch genommen werden sollte. (Julia Andras, 9.9.2022)