Prominent in der Nähe des Eingangs platziert: Die Mystery-Boxen spielen mit der Neugier von Kundinnen und Kunden.

Die Handelskette Media Markt scheint den Begriff des Mystery-Shoppings offenbar neu definieren zu wollen: In einer Wiener Filiale stand letzte Woche ein Stapel prominent am Eingang platzierter "Mystery-Boxen" zum Verkauf. Konkret handelte es sich um "vergünstigte" Kisten, die zwischen 388 und 1.155 Euro kosten und deren Inhalt – Überraschung – bis zum Kauf komplett unbekannt bleiben soll. Die auf den ersten Blick neutral gestalteten Kartons waren zudem extra mit einem Hinweis versehen, dass eine Rückgabe ausgeschlossen sei.

Auf die Frage, ob sich der Inhalt ungefähr eingrenzen ließe, meinte ein Mitarbeiter im Vorbeigehen: "Nein, deswegen ist es ja Mystery" – und entschwand sogleich auf die nahe gelegene Rolltreppe, um buchstäblich über der Beantwortung etwaiger Folgefragen stehen zu können. Bei näherer Inspektion der Kartons fiel auf, dass auch zwei Handels(um)kartons für das Verpacken von Playstation-5-Konsolen für die geheimnisvollen Boxen verwendet wurden. Subtiler Kaufanreiz für Leute auf der Suche nach rarem Gut? Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

"CFI-1116A": Zwei der Mystery-Boxen sind offensichtlich in Handels(um)kartons für Playstation-5-Konsolen verpackt.

Die Praktiken rund um Mystery-Boxen sind prinzipiell nicht neu und mit thematischer Eingrenzung der Inhalte schon seit Jahren im Onlinehandel verbreitet. Was im konkreten Fall aber sehr wohl überrascht, ist nicht nur der Transfer dieser Produktkategorie in den stationären Handel und die Preisgestaltung der Boxen. Auch die Tatsache, dass man keinerlei Angaben zum Inhalt bekommt und das Rückgaberecht im Vorhinein ausgeschlossen wird, wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich.

Unboxing-Berichte tendenziell ernüchternd

Die Frage nach dem Inhalt lässt sich in einem ersten Schritt mithilfe einer simplen Internetsuche schnell skizzieren. Neben etlichen Youtube-Unboxings in den unterschiedlichsten Preiskategorien fällt dabei ein Reddit-Thread auf, der schon zu Jahresbeginn erstellt worden ist.

Im Internet gibt es zahlreiche Unboxings, die einen Eindruck ermöglichen, was in den Mystery-Boxen steckt.
NerdsHeaven.de

Die Essenz aus einer Handvoll Videos und mehr als 30-Reddit-Kommentaren: Grundsätzlich dürfte man den Gegenwert der investierten Summe zurückbekommen, der individuelle Gewinn variiere allerdings sehr stark, wenn man nicht von Beginn an darauf abzielt, Inhalte der Box auch weiterverkaufen zu wollen. Vom Autoradio über die Smartwatch bis hin zum DVD-Player und der elektrischen Zahnbürste sollte man mit nahezu allem rechnen, was es bei der Handelskette zu kaufen gibt.

Verkauf rechtlich "nicht ganz banal"

Auf Nachfrage des STANDARD beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) heißt es, dass der Verkauf solcher Boxen rechtlich "nicht ganz banal" sei, weil sich diese Produktkategorie doch recht weit vom klassischen Fall eines Kaufs entferne. Sehr wohl sei der Verkauf aber zulässig, weil der Warenwert grundsätzlich angegeben ist.

Aber: "Negativ an den Boxen fällt auf, dass nicht angegeben ist, worauf sich der 'Stattpreis' bezieht", sagt Barbara Bauer vom VKI. Ist damit der UVP gemeint, also die unverbindliche Preisempfehlung durch den Hersteller, wären Käuferinnen und Käufer tendenziell im Nachteil. Dieser Preis ist meistens weniger aussagekräftig und liegt oft über dem marktüblichen Preis des Produkts, womit die Ersparnis beim Kauf einer Mystery-Box geringer ausfallen würde als beworben.

Das bloße Nichtgefallen beim Kauf im Geschäft begründet – das gilt für andere Waren prinzipiell auch – tatsächlich noch kein Rücktrittsrecht. Unklar bleibt hingegen die Frage nach der Gewährleistung. Der VKI geht davon aus, dass dem Verbraucher im Falle eines beschädigten oder defekten Artikels in einer Mystery-Box weder Reparatur noch Austausch zustehen, sondern lediglich (irgend)ein Artikel aus dem Sortiment der Handelskette, der dem Warenwert eines intakten Ersatzartikels entsprechen würde.

Dass zwei der Mystery-Boxen in Handelskartons von Playstation-5-Konsolen angeboten wurden, wollte man beim VKI anhand der Bilder so nicht erkennen, fügt aber hinzu: "Wäre das so und wäre es auch nicht gänzlich abwegig, dass die Mystery-Box eine Playstation 5 enthält, könnte man das möglicherweise als irreführend bewerten und den Kauf wegen Irrtums anfechten."

Was Media Markt dazu sagt

Die besagten Angebote dürften wohl auch eine Überraschung für das Unternehmen selbst gewesen sein. Zum Foto des Handelskartons teilt man dem STANDARD schriftlich mit: "Die von Ihnen abgebildete Verpackung entspricht nicht unseren Standards. Bitte lassen Sie uns wissen, in welchem Markt Sie das Angebot in Anspruch genommen haben, damit wir dem Fall im Detail nachgehen können."

"Viele bunt durchgewürfelte Artikel in einer Box!": Weder die Anzahl der in der Box enthaltenen Artikel noch die Art der Artikel lässt sich thematisch eingrenzen.

Zum Inhalt der Kartons generell bleibt Media Markt dem Motto derselben treu und hält nur fest, dass die Produkte der Mystery-Boxen "von Top-Sellern bis hin zu Aktionsware" aus allen Sortimentsbereichen kommen. Nicht nachvollzogen werden kann im konkreten Fall das Statement der Handelskette, wonach die Boxen häufig unter einem angeführten Thema stünden. Die Beschreibung "viele bunt durchgewürfelte Artikel" laut Hinweistafel vor Ort lässt nämlich auch mit viel Fantasie keine schlüssige Eingrenzung zu.

Was den Warenwert anbelangt, bestätigt das Unternehmen indirekt die Einschätzung des VKI, wonach es sich bei den Stattpreisen um "die von den Herstellern unverbindlich empfohlenen Preise" handelt. Der Warenwert übersteige dabei in jedem Fall den Kaufpreis, heißt es von Media Markt.

Empfehlung, wenig überraschend

Ob man sich nun auf so eine Überraschung einlassen möchte oder nicht, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Noch hat der VKI keine Beschwerden zu Mystery-Boxen registriert, und Media Markt selbst betont wenig überraschend, dass das Feedback zu diesen Angeboten durchwegs positiv sei.

Gerade in Anbetracht der hohen Preise sollte man die Sinnhaftigkeit dieses Produktroulettes für Kundinnen und Kunden jedoch stark hinterfragen. Zumal die Ersparnis bei Produkten, die man möglicherweise gar nicht braucht, nicht nur niedriger scheint, als vom Stattpreis suggeriert wird, sondern so schon ein Widerspruch in sich selbst ist. Der VKI merkt letztlich an, dass es alleine aus Nachhaltigkeitsgründen mehr Sinn mache, nur das zu kaufen, was man wirklich braucht. (Benjamin Brandtner, 13.9.2022)