Je nach Konstitution fröstelt man rascher oder hält kühle Temperaturen besser aus. Doch von dauerhaft weniger als 18 Grad in Innenräumen ist abzuraten.

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In Deutschland hat die Bundesregierung die Temperatur für den kommenden Winter bereits heruntergedreht: Seit 1. September bis 28. Februar gelten im Nachbarland zahlreiche Vorschriften zum Energiesparen, in öffentlichen Gebäuden etwa dürfen Arbeitsräume nur noch bis zur einer Raumtemperatur von höchstens 19 Grad geheizt werden. In Österreich sind die Vorgaben zwar nicht so drastisch, aber auch hierzulande machen sich viele Sorgen im Hinblick auf die Raumtemperatur diesen Winter.

Doch neben den wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten des Energiesparens gilt es auch, die Auswirkungen auf die Gesundheit zu bedenken. Was ist eine gute Temperatur für Innenräume, damit die Gesundheit nicht leidet? "Je nachdem, wie der Raum genutzt wird, liegen die optimalen Temperaturen in Innenräumen zwischen 17 und 22 Grad", sagt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien. "In Wohnräumen zwischen 20 und 22 Grad, in Küche und Schlafzimmer darf es ein wenig kühler sein, 17 bis 19 Grad." Wird es im Schlafzimmer aber zu kalt, kann das bei manchen zu Durchschlafstörungen führen. Und es gibt noch einen Aspekt: In Innenräumen kommt es nicht nur auf die Temperatur an, sondern auch auf das Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie etwa der Luftfeuchtigkeit. Bei 20 Grad etwa sollte die Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 Prozent liegen.

Trend zum Überheizen

Zuletzt hat es, sagt Hutter, den Trend gegeben, im Winter ordentlich zu überheizen. "Bei 26 Grad und darüber, also quasi Karibik-Flair, reicht halt ein Trägerleiberl, Heizkosten egal", sagt der Umweltmediziner. "Wir sind eine Gesellschaft, in der der Großteil der Menschen wie in Zuckerwatte gepackt aufgewachsen ist." Man sei es nicht gewohnt, Abstriche zu machen und beispielsweise ein Sweatshirt anzuziehen. Dabei seien 18 oder 19 Grad in Wohnungen medizinisch gesehen überhaupt kein Problem. Man müsse sich dann halt etwas wärmer anziehen und zwischendurch etwas bewegen.

Eine Grenze ist aber bei 15 Grad erreicht, diese sollte nicht unterschritten werden. "Denn sonst ist das Risiko für Schimmelbildung erhöht", sagt Hutter. Menschen geben nämlich in Räumen Feuchtigkeit ab, durch Ausatmen und Schwitzen, aber auch wenn sie kochen, sich waschen oder duschen. Studien zeigen: Über den Tag verteilt ergibt das fast einen Eimer Wasser, der als Dampf in der Wohnung verteilt ist. Wenn man nicht ausreichend lüftet, lagert er sich in der Wohnung ab.

Dabei macht die Temperatur den großen Unterschied. Wenn die Luft im Innenraum kalt ist, steigt die relative Luftfeuchtigkeit stärker an als bei warmer Luft, bei gleicher absoluter Wassermenge in der Raumluft. Die Feuchtigkeit setzt sich als Wasserdampf an kalten Stellen in der Wohnung ab, das sind bei Altbauten meist die Außenwände, und es bildet sich ein Wasserfilm. In der Folge kommt es zu Schimmel, wenn man nicht lüftet und nicht heizt.

Gefahr durch Schimmelbildung

Ist man aber längere Zeit Schimmel in der Wohnung ausgesetzt, kann sich eine Schimmelpilzallergie entwickeln, und das Risiko für Atemwegsinfekte steigt. Zusätzlich können unspezifische Befindlichkeitsstörungen, wie etwa Kopfschmerzen, auftreten. Bei Personen, die ein geschwächtes Immunsystem haben, etwa während einer Tumortherapie, können durch den Schimmelpilz Infektionen in der Lunge und den Nasennebenhöhlen auftreten.

"Diese Infektionen sind zwar sehr selten, sagt Hutter, "aber leider auch schwer zu therapieren." Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hingegen ist nicht erst bei 15 Grad, sondern schon bei 18 Grad eine Grenze erreicht, die man nicht unterschreiten sollte. Laut der WHO gehen niedrige Innentemperaturen mit höherer Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen wie Asthma einher. Außerdem sei die Anzahl der Todesfälle durch Schlaganfälle und Herzinfarkte im Winter deutlich erhöht, weil Kälte durch die Verengung der Blutgefäße den Blutdruck erhöht. Kalte Wohnungen leisten dazu einen unrühmlichen Beitrag und tragen der WHO zufolge zu erhöhten Erkrankungs- und Sterberaten im Winter bei.

Umweltmediziner Hutter relativiert diese Aussagen aber. "Bei Kälte ziehen sich die Blutgefäße in der Haut zusammen und damit erhöht sich auch der Blutdruck." Das stimme, sei aber eine normale Reaktion, um die Funktion der inneren Organe aufrechtzuerhalten. "Außerdem bedeutet diese Steigerung des Blutdrucks keine Bedrohung für Erkrankungen." Die Aussagen der WHO würden sich letztlich auf Wohnungen in sehr ärmlichen Verhältnissen und eher auf Temperaturen im einstelligen Bereich beziehen. "Man kann in Österreich aber schon davon ausgehen, dass eine dauerhafte Temperatur von deutlich unter 19 Grad in Innenräumen eine Ausnahme ist."

Allerdings zeigte 2021 eine Übersichtsarbeit von Forschern um Peder Wolkoff vom dänischen National Research Centre for the Working Environment, dass sich in Regionen mit gemäßigtem oder kaltem Klima bereits bei Innentemperaturen unter 18 Grad im Winter das Risiko, an Herz-Kreislauf-Problemen und Atemwegserkrankungen zu erkranken bzw. zu sterben, erhöht.

Was bedeutet das nun für die diesjährige Heizperiode? Energiesparen durch weniger Heizen ist wirtschaftlich und auch ökologisch angesichts der Klimakrise prinzipiell eine sehr gute Idee. Zu sehr übertreiben mit dem Herunterdrehen der Heizung sollte man es aber nicht – geschweige denn gar nicht heizen. (Christian Wolf, 5.11.2022)