2.500 rein vegane Produkte gibt es in der neuen Pflanzilla-Filiale.
Foto: Christian Fischer

Im hintersten Eck des Einkaufsbereichs der U-Bahn-Station Neubaugasse in Wien tummeln sich Neugierige, Kinder, ein Moderator mit Mikrofon und Fotografen. In einem grell erleuchteten Laden in der Größe eines Snackshops stehen fein säuberlich die Regale voll. Es herrscht reges Kommen und Gehen, als gäbe es einen Abverkauf. Am Eingang verrät eine Kakaotorte in Form eines sitzenden Gorillas, der ein Schild hält, was einen hier erwartet: "Billa Pflanzilla". Natürlich in Grün.

Etwas Außergewöhnlicheres als ein U-Bahn-Shop eröffnet hier also. Der erste Tag für Pflanzilla, und drin füllen Kunden ihre Einkaufskörbe mit Steaks aus Erbsenprotein, Milch aus Marillenkernen und veganen Tunfischsalatdosen. Die Worte "No animals were harmed in the making of this store" über der Salatbar, hier kann man Couscous-Salat und Gurken-Kimchi in seine Schüssel löffeln. Auf den ersten Blick wirkt alles wie in einem regulären Supermarkt: ein Kühlregal mit Käse, Wurst, Aufstrichen, ein Brotregal, Müslisorten, Schokolade.

In Wien hat am Donnerstag der erste rein vegane Supermarkt Österreichs eröffnet. Auf mehr als 200 Quadratmetern werden rein pflanzliche Produkte angeboten, darunter auch frisch gezapftes veganes Bier.
DER STANDARD

Aber die mehr als 2.500 Produkte, die es hier zu finden gibt, haben alle etwas gemeinsam – sie alle enthalten keine tierischen Zutaten. Laut dem 29-jährigen Projektleiter des Geschäfts, Roland Tomaschitz, sind es 600 Produkte, die es exklusiv bei Pflanzilla zu kaufen gibt – das soll auch jene anziehen, die "Vegan für sich probieren wollen", sagt der junge Mann im hellblauen Anzug.

Im kleinen Geschäft brauchen viele eine große Börse

Alle Kundinnen und Kunden sollen hier ihren gesamten Einkauf erledigen können, es soll an nichts fehlen, wenn sie wieder rausgehen. Günstig wird es dann aber an der Kassa nicht. Beim Stöbern zeigt sich das klischeehafte Bild: Vegan ist nicht gerade billig. Fermentierter Cashewkäse um zehn Euro, ein Weckerl für vier Euro, 500 Gramm Schokomandeln für 20 Euro und Burgerpatties für vier Euro.

Im Gemüseregal glänzen viele regionale, biologische Produkte. Was die vegane Ernährung generell angeht, trügt hier jedoch der Schein, sagt der Vorstand der Veganen Gesellschaft Österreich, Felix Hnat. "Viele Ersatzprodukte sind handgemacht und mit biologischen Zutaten versehen, das hat seinen Preis", sagt Hnat. "Ursprünglich ist die vegane Ernährung aber deutlich günstiger." Häufig seien Veganerinnen und Veganer aber auch die Zielgruppe, die man mit innovativen und biologischen Lebensmitteln begeistern könne.

Die 30-jährige Margot schlendert an diesem Tag jedenfalls vollgepackt durch den Pflanzilla, sie nimmt ein veganes Kochbuch mit, hält auch den pflanzlichen Tunfischsalat dosenweise in den Händen. Sie ist aus Oberösterreich angereist. "Ich bin Teilzeitveganerin, will aber einfach nachhaltiger leben", sagt die Kundin. "Dafür suche ich immer wieder nach neuen Produkten." Einen höheren Preis nehme sie in Kauf, wenn die Qualität stimme und das Produkt biologisch sei.

Viele Unternehmen probieren sich an veganem Angebot

Umfrageergebnisse des Marktforschungsinstituts Marketagent mit 500 Befragten zwischen 19 und 75 Jahren von Anfang 2021 zeigen, dass sich bereits elf Prozent der Österreicher fleischfrei, also vegan oder vegetarisch, ernähren. In einer Befragung vom Handelsverband Österreich gaben außerdem 30 Prozent von 500 Befragten an, sich flexitarisch zu ernähren, also hauptsächlich fleischlos zu essen.

Pflanzilla ist aber kein Einzelphänomen in Wien. Vor kurzem eröffnete eine rein pflanzliche Filiale eines Burger-King-Fastfood-Restaurants am Westbahnhof. Das traditionelle österreichische Restaurant Figlmüller bietet seit kurzem auch veganes Schnitzel auf seiner Karte an. Außerdem gibt es bereits einen rein veganen Supermarkt in Wien: Maran Vegan im sechsten Bezirk eröffnete 2013 mit rund 4.000 Produkten.

Viele, die sich nur zeitweise vegan ernähren, gehören zur Zielgruppe.
Foto: Christian Fischer

Die Nachhaltigkeit ist mittlerweile also ein gutes Geschäft. Laut Marktforschungsunternehmen Nielsen macht der Markt für pflanzenbasierte Fleischalternativen in Österreich fast zehn Millionen Euro aus. 2018 lag dieser Wert noch bei 5,5 Millionen Euro. Jeder dritte österreichische Haushalt kauft laut einer Studie pflanzliche Milch.

In Deutschland hat Unternehmer und Gründer Jan Bredack mit der Veganz GmbH bereits 2011 den Trend zu veganer Ernährung erkannt. Er eröffnete acht vegane Supermarktfilialen im ganzen Land, einige in Berlin und München. 2017 kam für ihn aber der Umschwung, der Umsatz ging zurück, er musste Insolvenz anmelden. Die meisten Filialen musste Veganz in der Folge schließen. Damals erzählte Bredack der "Lebensmittelzeitung", zu viele reguläre Supermärkte hätten bereits ein breites Angebot an pflanzlichen Lebensmitteln.

Bei Pflanzilla ist der Erfinder Tomaschitz bisher noch optimistisch. Erst will er sich ansehen, wie der neue vegane Laden von den Menschen angenommen wird. Läuft es so wie gedacht, sagt er, könnte er sich auch vorstellen, weitere Filialen zu eröffnen. (Melanie Raidl, 8.9.2022)