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Das iPhone 14 startet den Abgang von der klassischen SIM-Karte.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/JUSTIN SULL

Bei Apple ist es wieder einmal an der Zeit, "Courage" zu zeigen. Mit dem iPhone 14 schickt sich das Unternehmen an, die nächste lange gewohnte Komponente aus dem Smartphone zu verbannen: den SIM-Karten-Slot. Eine Änderung, die zwar vorerst nur für die US-Varianten der neuen Apple-Hardware gilt, die aber das Zeug hat, sogar für mehr Probleme zu sorgen, als es einst bei der Streichung der Kopfhörerbuchse der Fall war. Denn wo sich die Nutzer einst über Adapter aushelfen konnten, sind hier Probleme geradezu vorprogrammiert – und unausweichlich.

Vorgeschichte

Der Grundstein für diese Entwicklung wurde bereits vor einigen Jahren gelegt, und zwar mit der Einführung der E-SIM selbst. Dabei handelt es sich um einen kleinen Chip, der nicht nur in aktuellen iPhones, sondern auch vielen anderen aktuellen Smartphones zu finden ist. Dessen Aufgabe ist im Grunde dieselbe wie bei der klassischen SIM-Karte: das Bindeglied zum Mobilfunkbetreiber der eigenen Wahl darzustellen, also dafür zu sorgen, dass man dessen Daten- und Telefonnetz nutzen kann.

Die Proponenten der E-SIM führen dabei allerlei Vorteile ins Feld. Eine E-SIM könne theoretisch auch online erworben werden, womit der Gang zum Mobilfunkanbieter entfällt. Zudem ließe sich eine E-SIM nicht so einfach stehlen, wo eine SIM-Karte leicht entwendet und in ein anderes Gerät eingesetzt werden kann. Gerade wenn man auf Reisen ist, sei das wichtig. Immerhin könne man so schnell auf ein Ersatzgerät wechseln, während man beim Verlust der SIM-Karte sonst schnell aufgeschmissen ist, da in diesem Szenario typischerweise kein passender Shop in der Nähe ist, um eine neue zu besorgen.

Die Realität ist anders

Das klingt alles gut, wer schon einmal E-SIMs genutzt hat, weiß aber, dass das weit von der Realität entfernt ist. So variiert die Qualität des Supports bei den Herstellern massiv. Bei vielen Providern muss man etwa für praktisch jede Änderung direkt mit dem Support Kontakt aufnehmen. Von der öffentlich gerne verkauften Idee, dass man einfach nur einen QR-Code auf der Webseite des Anbieters scannen muss, um den Transfer auf ein neues Gerät zu vollziehen, ist die Praxis meist weit entfernt.

So war es übrigens auch in Österreich bei einigen Anbietern lange so, dass der Wechsel von einem Smartphone zum nächsten nur über einen Besuch im Handyshop möglich war. Mittlerweile wurden diese Hürden größtenteils beseitigt, so einfach, wie die SIM-Karte aus dem Slot zu nehmen und in ein neues Smartphone zu schieben, ist es aber noch immer nicht. Ganz abgesehen davon, dass es eben international noch viele Provider gibt, bei denen dieser Prozess deutlich komplexer ist.

Unerfreuliche Überraschung

Generell ist die globale Unterstützung für die E-SIM eher mittelmäßig. Auch Jahre nach der Einführung von E-SIMs in Geräten von Apple, Samsung, Google und Co bieten viele Provider diese Option überhaupt nicht an. Das werden auch bald die US-Käufer des iPhone 14 feststellen, wenn sie auf Reisen einen lokalen Datentarif nutzen wollen. Die Zeiten, in denen man in London Heathrow – wie auf vielen anderen Flughäfen der Welt – landet und einfach so eine SIM-Karte aus dem Automaten zieht, sind damit vorbei.

Nun sei fairerweise angemerkt, dass es auch die umgekehrte Perspektive gibt. Gerade für Reisen kann die E-SIM nämlich sehr nützlich sein. Ermöglicht diese doch, online einen temporären Datenzugang für das Reiseziel zu kaufen und zu aktivieren und sie so umgehend nach Ankunft nutzen zu können. Das ist toll – aber halt nur, wenn das im Zielland überhaupt möglich ist.

Eingeschränkte Wahl

Vor allem wird damit die Wahl deutlich ausgedünnt, da eben längst nicht alle Provider E-SIM unterstützen. Was natürlich auch heißt, dass oftmals höhere Preise zu bezahlen sind. Apple selbst bietet übrigens eine reichlich unvollständige Liste mit E-SIM-fähigen Providern an, besser ist es, sich da bei spezialisierten Diensten wie Esimdb umzusehen – aber das nur am Rande.

Was Apples Schritt so überraschend macht, ist, dass die Situation in den USA zwar besser ist als in vielen anderen Ländern, aber längst nicht perfekt. Zwar unterstützen die großen Mobilfunkanbieter allesamt E-SIM, bei den kleineren MVNOs, die die Infrastruktur der Großen nutzen, sieht es aber in dieser Hinsicht erheblich schlechter aus.

Lücken in den USA selbst

Das heißt etwa, dass die Nutzer von Republic Wireless bis Walmart Mobile derzeit keine Möglichkeit haben, das iPhone 14 zu nutzen – oder auf einen anderen Anbieter wechseln müssen. Doch selbst bei den "Großen" ist der Status quo alles andere als perfekt. So listet etwa T-Mobile USA stolze 25 Schritte auf, um eine E-SIM von einem Gerät zum anderen zu transferieren.

Wenn man von iPhone zu iPhone wechselt, geht das zwar einfacher – da Apple hier einen lokalen Transfer ermöglicht – einen Standard für so etwas gibt es aber nicht. Hat man gerade kein Netz und will die E-SIM in ein Android-Gerät transferieren, ist man hingegen zunächst mal aufgeschmissen.

Aufpassen beim Import

Nicht ganz unwichtig ist der Wechsel auf "E-SIM only" übrigens auch für jene iPhone-Interessenten, die angesichts der in Europa derzeit deutlich höheren Preise auf die Idee gekommen sind, sich ein Gerät in den USA zu besorgen. Immerhin heißt dies, dass man dabei ein Smartphone ohne SIM-Karten-Slot bekommt, was für einige ein Ausschlussgrund sein könnte.

Wozu das alles?

Eine ziemlich verworrene Situation, bei der sich schnell die Frage stellt: Wozu dann der gesamte Aufwand? Nun einfach, weil es sehr wohl jemanden gibt, für den der Wechsel große Vorteile bietet: den Gerätehersteller. Eine E-SIM verbraucht nicht nur weniger Platz im Gehäuse, sie erlaubt auch mehr Freiheit bei der internen Organisation der Komponenten. Und natürlich entfällt damit eine weitere physische Komponente, die beschädigt werden kann und die Abdichtung gegen Wasser erschwert.

Ein Trend

Klar ist aber natürlich auch: Wenn Apple einmal die klassische SIM-Karte streicht, dann wird das die Entwicklung in Richtung E-SIM beschleunigen. Immerhin ist das iPhone weiterhin das erfolgreichste Smartphone der Welt. Also werden die Netzanbieter wohl eher früher als später nachbessern bei ihrem E-SIM-Support, und zwar international. Immerhin dürfte allen klar sein, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Apple den SIM-Slot auch in anderen Ländern streicht. Und natürlich werden auch Android-Hersteller bald nachziehen – natürlich nicht, ohne vorher öffentlich über Apples Entscheidung zu ätzen. Das wird den Trend weiter beschleunigen.

Damit werden nach und nach auch einige der erwähnten Nachteile der E-SIM verschwinden. An dem Umstand, dass der Wechsel für die Nutzer auch dann noch immer kaum relevante Vorteile, aber einige Nachteile hat, ändert das aber wenig. Das scheint in den Überlegungen der Branche aber nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. (Andreas Proschofsky, 9.9.2022)