1977 ein Skandal: das Cover der Sex-Pistols-Single "God Save the Queen". 40 Jahre später war das Cover Teil einer höfischen Ausstellung.

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Als Elizabeth II Königin wurde, zeigte das Kalenderblatt das Jahr 1953. Die Washington Post berichtete am Freitag auf ihrem Instagram-Kanal, dass neun von zehn Menschen, die jetzt auf der Erde leben, sie als Königin von England erlebt haben. Das muss man sich einmal vorstellen.

1953 – das bedeutete nicht nur für die junge Königin eine Veränderung, in der Nachkriegswelt formierte sich gerade die Jugend- und Popkultur, die Mitte der 1950er mit dem Siegeszug von Rock 'n' Roll zum weltweiten Phänomen wurde.

Zwar gilt bis heute, Popkultur und das britische Königshaus "do not match". Das mag in der höfischen Etikette noch so festgeschrieben sein, vom Leben wurde diese Regel aber längst überholt, die Queen war, positiv wie negativ, Bestandteil des popkulturellen Kanons, vornehmlich in England.

Früh erkannte der Hof, dass seltsame junge Menschen wie die Beatles dem Ruhm des Empires doch eher zuarbeiten als schaden. Schon 1963 trafen die Beatles erstmals die Königin, 1965 schlug sie die vier zu Rittern.

Nur Männer werden Ritter

Ihnen folgten im Laufe der Zeit eine Reihe von Stars wie Elton John, Mick Jagger, Bono, Bob Geldof, Ravi Shankar, Roger Daltrey, Cliff Richard, Robert Plant, Brian May, Sting oder Tom Jones. David Bowie lehnte dankbar ab, Keith Richards lästerte darüber, dass der Schwerenöter Jagger plötzlich ein Sir sein sollte. Frauen waren von derlei Weihen offenbar ausgeschlossen.

Jagger schrieb am Donnerstag: "Mein ganzes Leben lang war Ihre Majestät, Königin Elizabeth II, immer da. Ich kann mich erinnern, dass ich in meiner Kindheit ihre Hochzeitshighlights im Fernsehen gesehen habe. Ich erinnere mich an sie als eine wunderschöne junge Dame, an die vielgeliebte Großmutter der Nation. Mein tiefstes Mitgefühl gilt der königlichen Familie."

Auch Elton John twitterte seine Trauer: "Queen Elizabeth begleitete mich einen großen Teil meines Lebens von der Kindheit bis heute, ich werde sie sehr vermissen."

Berührungspunkte mit der Populärkultur gab es immer wieder. So hatte Elizabeth jeden einzelnen James-Bond-Darsteller persönlich kennengelernt – kein Wunder, standen doch alle im Dienste ihrer Majestät.

Dem Zeitgeist und der jeweiligen Stimmung des Empires entsprechend war die Queen Zielscheibe von Anfeindungen und Spott. 1977 mietete die Punk-Band The Sex Pistols ein Schiff, mit dem sie die Themse in Richtung der damaligen Thronjubiläumsfeierlichkeiten schipperte, um ihre neue Single zu spielen: God Save the Queen, das eher keine Eloge auf die Dame war. Der Zwischenfall wurde ein handfester Skandal. Im Umgang mit derlei Frechheiten nicht geübt, wurden elf Teilnehmer festgenommen. Das hat sich geändert.

Sicherheit und Stabilität

Ein paar Dekaden später war das Plattencover von God Save the Queen Teil einer Ausstellung im Rahmen des diamantenen Thronjubiläums.

Im Jahr 1986 veröffentlichte die britische Band The Smiths ihr Album The Queen Is Dead – eine Wunschvorstellung ihres Sängers Morrissey, der den britischen Thron und die Politik der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher stets heftig kritisierte – und den hündischen Umgang mancher Medien mit dem Königshaus. Anders als beim Ableben Thatchers hat Morrissey sich bisher nicht zu Wort gemeldet.

Abseits realpolitischer Motive wurde die Queen in der Popkultur mit zunehmendem Alter aber immer positiver wahrgenommen. Ihre schlichte Präsenz verströmte eine Form von Sicherheit und Stabilität, sie galt als moralische Instanz.

Andy Warhol hat sie bereits 1985 porträtiert, später erfuhr sie Würdigungen in Filmen und Serien. Sogar der Obrigkeiten stets kritisch gegenüberstehende Street-Artist Banksy hat sie als Ikone mit einem ästhetischen Verweis auf David Bowie an eine Hauswand gepinselt.

Dass sie trotz all dieser Vereinnahmungen eine gewisse Distanz zur Popkultur hielt, zeigte sich bei einem Treffen mit Madonna, von dem diese berichtete, die Queen habe keine Ahnung gehabt, wer sie gewesen sei. (Karl Fluch, 9.9.2022)