Er blickt auf 50 Jahre österreichische Modegeschichte mit allen Höhen und Tiefen zurück. Jones-Eigentümer Gabor Rose erzählt über Schürzen aus Nylon, unliebsame Arbeitszeiten im Handel und die schwersten Tage seines Lebens.

Gabor Rose: "Ich bin kein Jogginghosentyp. Mode ist eine Lebenseinstellung."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Der Schlabberlook wurde während der Pandemie salonfähig. War er auch Ihr Lockdown-Outfit?

Rose: Ich bin kein Jogginghosentyp, trage meist Hemd und Sakko. Die Mode hat in dieser Zeit, was das gepflegte Äußere betrifft, doch sehr verloren. In Videokonferenzen trug man zuerst noch eine Bluse oder ein gebügeltes Hemd. Im dritten Lockdown war auch das weg. Da wir im Monatsrhythmus kollektionieren, konnten wir im zweiten Lockdown auf casual umstellen. Saloppe, lässige Mode war unsere Chance. Jetzt spüren wir, es geht back to business.

STANDARD: Stilikonen preisen Jogginghosen als Symbol für einen Wertewandel in einer Gesellschaft, in der Grenzen zwischen privat, öffentlich, Freizeit und Arbeit verschwimmen ...

Rose: Wir haben in dieser Zeit eine Wunderhose kreiert, die sich im Beruf als auch zum Radeln tragen lässt.

STANDARD: Gebügelte Blusen, steife Hemden – haben sie ausgedient?

Rose: Wir verwenden nur noch elastische Stoffe – alles andere wäre unmöglich. Das Modediktat und die Leidensbereitschaft – High Heels, genagelte Schuhe, in die man sich quetscht – haben nachgelassen. Es führt kaum ein Weg dorthin zurück.

STANDARD: Ist Mode eigentlich noch ein Statussymbol?

Rose: Sie ist eine Lebenseinstellung. Dieses Diktat gibt es nicht mehr. Es braucht kein Prada oder Gucci-Etikett am Kragen, um aufzufallen.

STANDARD: Ihr Vater hat sich einst mit Schürzen und Hauskleidern selbstständig gemacht. Könnten Sie damit bei der Generation Homeoffice mittlerweile wieder reüssieren?

Rose: In den 60er-Jahren gab es keine Jogger, keine Freizeitmode. Man hatte zu Hause das schöne Gewand an. Drüber trug man Schürzen aus Nylon, Perlon in furchtbarer Qualität, um die Kleidung nicht schmutzig zu machen. Das war ein großes Geschäft. Als ich mit Blusen begann, hat mein Vater einige Jahre noch sein Geschäft gemacht. Später half er mir als mein Finanzminister. Er stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite.

STANDARD: Wie erlebten Sie die goldenen Zeiten des Modehandels?

Rose: (lacht) Darüber rede ich nicht gern. Sie waren so golden! Der größte Unterschied zu heute war, dass es echte Nachfrage gab. Konsumenten suchten die Mode. War eine Farbe aktuell, saß man im Café Gerstner, schaute auf die Kärntner Straße hinunter und sah: Da geht Rot. Als der Minirock kam, war die ganze Welt verrückt danach. Wir hatten nie genug Ware, um die Nachfrage zu bedienen. Heute müssen wir Nachfrage kreieren, Mehrwert bieten. Bis zum EU-Beitritt war Österreich eine Insel der Seligen. Danach kamen die internationalen Multilabels über die Grenze. Ende der 90er-Jahre hatte dann jede Kundin fast alles.

Gabor Rose: "Die Insolvenz war der einzige Moment, wo ich nur an mich und die Firma denken konnte."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Ihr Modelabel Jones hat seither etliche Krisen durchlebt bis hin zur Insolvenz vor drei Jahren. Warum haben Sie nie den Hut draufgeworfen?

Rose: Meine Frau, die seit 35 Jahren im Unternehmen ist, und ich gehen jeden Tag mit Freude in den Beruf. Es ist nicht nur Arbeit, es ist Hobby – abgesehen von den Troubles rund um die Lehmann Brothers, Corona oder den Verfall des Rubels. Wir haben in der Insolvenz sehr gekämpft, es war nicht klar, ob wir es schaffen.

STANDARD: Was lernt man aus einer Pleite?

Rose: Dass es mit weniger auch geht. Dass man alle aufgebauten Prozesse permanent hinterfragen muss. Dass man die Mitarbeiterstruktur immer wieder durchleuchten muss. Die Insolvenz war der einzige Moment, wo ich nur an mich und die Firma denken konnte. Es waren die schwersten Tage meines Lebens, als wir 30 Prozent der Mitarbeiter der Zentrale kündigten – ein Horror. Manche arbeiteten 20, 30 Jahre für uns. Aber nur durch Verschlankung des Apparats, schnellere Entscheidungen, klar vorgegebene Prozesse gelang es uns, zu überleben.

STANDARD: Wie gewannen Sie das Vertrauen Ihrer Gläubiger zurück?

Rose: Wir hatten immer eine gute Bonität, waren bei fast allen Lieferanten versichert. Wir haben allen persönlich die Situation erklärt. Je stärker einer betroffen war, desto mehr Aufträge bekam er von uns. Nach zwei Jahren haben wir den Schaden mehr als wettgemacht.

STANDARD: Wann rechnen Sie mit der Rückkehr in die Gewinnzone?

Rose: Teures Gas beeinflusst unser gesamtes Umfeld. Wir stehen erst am Anfang einer Kettenreaktion. Ich hoffe auf gewisse Normalität im Frühjahr, dass wir unter jenen sind, die gut über die Runden kommen.

STANDARD: Nach der Insolvenz kam Corona. Nun kämpft der Handel mit Teuerung und schwachem Konsum.

Rose: Wir haben in 50 Jahren viele Probleme durchlebt, doch jede Krise geht vorbei. Vielleicht bereinigt sich der Markt. Wir haben durch unsere familiäre Struktur eine enge Beziehung zu unseren Kundinnen. Das macht in diesen Zeiten viel aus.

STANDARD: Hätte Jones Corona ohne staatliche Förderungen überlebt?

Rose: Unmöglich. Der Handel war geschlossen. Kurzarbeit, Fixkostenzuschüsse, Überbrückungsfinanzierungen waren extrem wichtig. Und unser Onlinehandel. All das zusammen hat unser Überleben gesichert.

STANDARD: Ökonomen kritisieren eine starke Überförderung, sprechen von verschleppten Insolvenzen.

Rose: Ich kann nicht hinter die Kulissen blicken. Doch ohne die Cofag wäre alles zusammengebrochen. Es brauchte diese Hilfen. Hören sie auf, trennt sich die Spreu vom Weizen.

Sonntagsöffnung lehnt Gabor Rose ab. "Das rechnet sich nicht. Ich wollte es nie, und in der jetzigen Personalsituation schon gar nicht."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Der Handel fordert auch staatlich subventionierte Energiepreise. Wer wird das alles bezahlen?

Rose: Energie kostet unser Unternehmen nächstes Jahr 350.000 Euro mehr. Entweder wir legen es auf die Preise um, dann steigt volkswirtschaftlich gesehen die Inflation, oder der Staat deckelt Preise, und es gibt mehr Konsum. Alle Deckelungen fließen im Grunde über Mehrwertsteuern zurück an den Staat.

STANDARD: Die Modeindustrie leidet unter starkem Überangebot. Führt an Marktbereinigung kein Weg vorbei?

Rose: Es gibt eine Überproduktion von rund 50 Prozent, die nur über Rabatte verkauft werden kann, die nach Afrika gespendet wird, die von manchen Luxusmarken verbrannt wird. Es geht um Verdrängung. Dass sich das aufhört, dass Menschen die Fast Fashion aus dem Kopf bekommen, ist schwer. Wir mussten nie etwas vernichten, wir verkaufen nicht zu minus 70 oder 80 Prozent. Haben wir zu viel, dient es karitativen Zwecken.

STANDARD: Wäre angesichts dieses Trends zur Wegwerfmode nicht gerade jetzt Zeit für eine Zäsur?

Rose: Hoffentlich. Wobei im ersten Lockdown war die Welt euphorisch: Alles wird sich ändern. Wir werden bewusster leben, mehr Natur, Familie, Freunde. Im dritten war von den Vorsätzen nicht mehr viel zu sehen. Ich bin froh, dass wir unsere Nische gefunden haben, weit über der Fast Fashion. Und dass wir Produkte haben, die lange halten, die sich reinigen lassen, die man immer wieder tragen kann.

STANDARD: Sie kaufen 80 Prozent Ihrer Textilien in Europa. Wie zerbrechlich sind die Lieferketten?

ROSE: Wir haben 95 Prozent unserer bestellten Ware bekommen. Andere erhielten aus Fernost oft nur 30 oder 40 Prozent.

STANDARD: Wie gehen Sie im Onlinegeschäft mit der Flut an Retouren um, die Ihre Branche heimsucht?

ROSE: Bei uns liegt der Anteil der Ware, die unbrauchbar zurückkommt und nachgearbeitet werden muss, bei nicht einmal ein Prozent. Wir sind der Luxus der Mitte und in einem Segment, in dem man sorgsam mit Textilien umgeht.

STANDARD: Dem Einzelhandel gehen die Mitarbeiter aus. Sind die Jobs zu schlecht bezahlt oder die Österreicher zu bequem, um zu arbeiten?

Rose: Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage. Es liegt an den Arbeitszeiten. Wir finden genug Leute, die von Montag bis Donnerstag vormittags während der Schulzeit arbeiten wollen. Es gibt aber auch Samstagsdienste, Shoppingcenter, die bis 21 Uhr offen halten. In der Pandemie wurde vielen bewusst, wie wichtig Freizeit ist. Man wird dieses Problem so schnell nicht lösen können – außer Einkaufscenter sperren um 19 Uhr zu.

Gabor Rose sucht strategische Investoren, die die Marke groß machen. "Nur Geld einzusammeln macht mir keinen Spaß."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Würden Sie sonntags gern offen halten?

Rose: Niemals. Es würde nur für die Touristen Sinn machen, am Graben, Kohlmarkt, in der Kärntner Straße. Aber es würde sich verteilen. Sonntagsarbeit heißt außerdem doppelter Zuschlag. Das rechnet sich nicht. Ich wollte es nie, und in der jetzigen Personalsituation schon gar nicht.

STANDARD: Ihre Kinder arbeiten in anderen Branchen. Warum schaffen es wenige Betriebe über die dritte Generation hinaus in Familienhand zu bleiben?

ROSE: Es ist Veranlagungssache, Handel muss Freude bereiten. Meine ältere Tochter war sieben Jahre bei uns, dann wollte sie etwas mit den Händen machen und wurde Köchin. Sie investierte in ein Start-up rund um Rezepte. Mein Sohn ging nach London und bekam dort ein tolles Angebot rund um Krypto-Währungen. Eine andere Welt, mit Mode kann ich da nicht mithalten. Meine jüngste Tochter hat Psychologie und Psychotherapie studiert.

STANDARD: Sie suchen seit Jahren Investoren. Woran spießt es sich?

Rose: Wir suchten intensiv in einer Zeit, in der wir nicht gut dastanden. Damals war ich nicht bereit, an der Struktur was zu ändern. Dann kam die Pandemie, in der wir es aus eigener Kraft schafften. Aber irgendwann stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Wir wollen strategische Investoren, die die Marke groß machen. Nur Geld einzusammeln macht mir keinen Spaß. Mein Vater hat gearbeitet, bis er 90 Jahre alt war. Ich habe also noch ein bisserl Zeit. (Verena Kainrath, 11.9.2022)