Bis Gras über die Termingeschäfte wächst, wird es noch dauern. Es beginnen gerade erst die Grabungsarbeiten.

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Wien – Mit der Botschaft über die Reinwaschung hielt die Stadt Wien erwartungsgemäß nicht hinterm Berg. Nach wenigen Tagen der Prüfung kamen drei von der Stadt engagierte Institute zur vorläufigen Einschätzung, dass es bei Wien Energie keine Spekulation mit Strom gegeben habe. Die endgültigen Berichte von PwC, Ithuba und Freshfields sollen in einer Woche vorliegen.

Bis Donnerstag läuft die im Darlehensvertrag zwischen dem Bund und dem Land Wien gesetzte Frist zur Vorlage eines ersten Berichts zur Aufklärung. Bis zum Monatsletzten sind dann "die denkmöglichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Energieversorgung durch die Gesellschaft und zur Minimierung der Risiken des Landes" zu dokumentieren und nach sachlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Kriterien zu bewerten.

"Keine Anzeichen für Spekulationsgeschäfte"

Die bisherige Prüfung habe "keine Anzeichen für mögliche Spekulationsgeschäfte" ergeben, sagte der Energieexperte der Wirtschaftsprüfungskanzlei PwC, Michael Sponring in einem Pressegespräch – flankiert von dem für Finanzen zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Wiener-Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Weinelt (der zugleich dem Aufsichtsrat von Wien Energie vorsitzt).

Der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) wird nicht müde, zu betonen, dass Wien Energie nicht spekuliert hat.
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Das Handelsmodell des städtischen Versorgers sei branchenüblich, und es ließen sich keine Anzeichen für Spekulationen finden. Bereits die Zwischenergebnisse würden zeigen, dass die von Wien Energie gehandelten Volumina "adäquat" seien und die "Geschäftsstrategie risikoarm". "Wir können damit den Vorwurf der Spekulation zurückweisen", betonte Hanke via Aussendung. Die vorige Woche sei "eine gute" gewesen, die "hinterlegten 1,7 Milliarden wieder zurückgekommen".

Spekulationsgeschäfte?

Über den Begriff Spekulation lässt sich trefflich streiten. Denn Hedging von Stromzukäufen ist tatsächlich unverzichtbar, um Endkundenpreise stabil zu halten Bei Termingeschäften im Stromgroßhandelsverkauf in großem Stil, wie das Wien Energie bis Ende August gemacht hat – ist das nicht so klar – vor allem wenn dem Unternehmen dabei die Liquidität ausgeht und es Staatshilfe braucht.

Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Börsenexperten bietet die Stadt Wien auf, um Wien-Energie-Chef Michael Strebl vom Vorwurf der Spekulation reinzuwaschen.
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Alle Börsengeschäfte der Wien Energie hätten nur dazu gedient, Mengen und Preisrisiken abzudecken, "es wurden nachweislich keine spekulativen Handelsbücher geführt", führte Sponring aus. Auch seien alle gehandelten Produkte "großhandelsüblich" gewesen. Das Risikomanagement sei "branchenüblich" gewesen, es habe bisher keine Anzeichen für wesentliche Schwächen gegeben.

Großes Rad

Offen bleiben dennoch viele Fragen, etwa warum Wien Energie und deren Mutter Wiener Stadtwerke am großen Rad weiterdrehten, anstatt die Bremse zu ziehen. Erst Ende August, als die zusätzlichen Sicherheiten aus dem Cashpooling des Stadtwerke-Konzerns nicht mehr reichten und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) mit den inzwischen berühmten zweimal 700 Millionen Euro aus der Notkompetenz einspringen musste, hat Wien Energie die Termingeschäfte sistiert. "Nach den Extremvorfällen am Black Friday", wie Ende August beteuert wurde.

Am 26. August war Strom massiv teurer geworden, während sich der Gaspreis kaum bewegte. Der daraus entstandene Preisabstand zwischen den beiden Energieträgern sei mit Standardmodellen noch eine Woche davor zu 99,99 Prozent ausgeschlossen worden, sagte PwC-Mann Sponring unter Berufung auf Berechnungen der Vermögensverwaltungs- und Beratungsgesellschaft Ithuba. Die Situation sei daher weder erwartbar noch mit Standardmodellen abzuschätzen gewesen.

"Best Friends"

Dass Ithuba zu den von der Stadt Wien engagierten Beratern gehört, die Licht ins Dunkel der Termingeschäfte an den Energiebörsen bringen sollen, überrascht weder politische Gegner noch in der roten Reichshälfte. Ithuba Capital gehört zu den Fixstartern, wenn es um die Abwicklung von Bank- oder Spekulationsgeschäften geht. Im Salzburger Spekulationsskandal war das Investmentunternehmen von Wilhelm Hemetsberger ebenso engagiert wie bei der Verwertung und Abwicklung von Immigon, den Leasing-Gesellschaften des Volksbankensektors. Auch bei der Restrukturierung der ÖBB-Spekulationsgeschäfte mit der Deutschen Bank war Ithuba-Chef Hemetsberger seinerzeit behilflich. Zuletzt war Ithuba als Unterstützerin des von Christoph Chorherr ins Leben gerufenen Vereins aufgefallen, der Schulen in Südafrika unterstützt. Hemetsberger gilt als "best friend" von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ).

Für vorteilhaft halten die groß zelebrierte Reinwaschung im Schnellgang die wenigsten Beobachter. Ob Risiken, wie sie eine sorgfältige Geschäftsführung zu vermeiden und zu minimieren sucht, eingegangen wurden, sei noch längst nicht geklärt, heißt es in Regierungskreisen. (Luise Ungerboeck, 10.9.2022)