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Viele fragen sich, wie man die Flut an schlechten Nachrichten erträgt, ohne depressiv oder zynisch zu werden.

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Gründe für Verzweiflung gibt es derzeit viele. Krieg in Europa, absurd hohe Inflation, die Gefahr kalter Wohnungen im Winter sind nur einige davon, die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. So manche fragen sich, wie man diese Flut an schlechten Nachrichten erträgt, ohne depressiv oder zynisch zu werden. Tatsächlich hilft dabei kein rosaroter Optimismus. Es braucht vielmehr einen illusionslosen, realistischen Blick auf die Welt, damit man sich trotz aller Probleme nicht entmutigen lässt.

In etwa so kann man Zuversicht definieren. Christa Bleyer lebt es vor. Die Wienerin hat Krebs, seit 26 Jahren. Immer wieder entstehen neue Herde, im ganzen Körper. Als wäre die Krankheit nicht schlimm genug, ist im Frühling ihr Mann im 45. Ehejahr unerwartet verstorben. Trotzdem ist Bleyer ein zutiefst fröhlicher Mensch geblieben. Wie gelingt ihr das?

Christa Bleyer bewahrt die Zuversicht.
Foto: Ines Thomsen

"Mein Glas ist immer halbvoll. Und es war noch nie leer", sagt die 66-Jährige, die sich in der Krebshilfe engagiert. "Ich schaue prinzipiell nicht zurück oder denke, früher war alles viel besser. Warum auch? Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Lieber hole ich jeden Tag das Beste aus meinem Leben raus." Das heißt natürlich nicht, dass Bleyer jeden Tag gut drauf ist. "Ich lasse auch den negativen Gefühlen ihren Raum. Weil wenn ich das nicht mache, werden sie irgendwann zu viel und verdrängen das Gute in meinem Leben." Lieben Menschen ihre Gefühle anzuvertrauen hilft ihr dabei sehr – "einfach den ganzen Mist rausreden."

Positive Grundhaltung

Diesen Zugang kann Kerstin Schuller, klinische Psychologin bei Instahelp, einer Onlineplattform für psychologische Beratung, nur befürworten: "Man braucht sich nichts im Leben schönreden. Aber es bringt genauso wenig, nur noch zu grübeln, das ändert die Gesamtsituation auch nicht." Viel besser ist, "eine positive Grundhaltung mit der Einstellung, dass das Leben, trotz aller Schwierigkeiten, auch Schönes für mich bereithält."

Diese Haltung fällt einem nicht zwingend in den Schoß, immerhin ist es eine neurobiologische Tatsache, dass unser Gehirn immer die Kontrolle haben will und mit Unsicherheit sehr schlecht umgehen kann. Angst, Verzweiflung oder Frust sind als Reaktion darauf ganz normal, weiß Schuller. Trotzdem kann man seine Zuversicht stärken.

Bewusst Highlights setzen

Wichtig dafür ist das eigene Mindset: Vertrauen in sich selbst aufbauen, dass man sich an Situationen anpassen kann und Ressourcen findet, um mit potenziellen Problemen umzugehen. Dazu sollte man mehr von den Dingen tun, die einem guttun und weniger von denen, die belasten. Es hilft zum Beispiel, sich bewusst kleine Highlights, die einem ein schönes Gefühl bescheren, in die Woche einzuplanen, sei es Yoga, ein gutes Essen oder auch Morgensport.

"Ebenso wichtig ist, die negativen Gefühle zuzulassen und auszudrücken, in einer Form die mir guttut", sagt Schuller. Manche kanalisieren das mit Musik, beim Malen. Für andere ist das Gespräch wichtig. Das kann im Freundeskreis sein, aber auch eine psychologische Beratung ist legitim.

Und es geht auch darum, Selbstwirksamkeit zurückzubekommen: durch das eigene Verhalten etwas zum Positiven verändern. Das können kleine Dinge sein, etwa eine Geldspende für die Flüchtlinge aus der Ukraine. Oder auch große, wie das aktive Engagement für ein gemeinsames Ziel.

Engagement bei Fridays for Future

Paula Dorten gibt vor allem ihre Arbeit bei Fridays for Future Hoffnung.
Foto: Privat

Dafür hat sich Paula Dorten entschieden. Sie engagiert sich in der Fridays-for-Future-Bewegung. Die 17-Jährige sieht ihre Zukunftsaussichten nicht sehr rosig: "Meine Eltern wussten immer, dass es ihnen einmal besser gehen wird als ihren Eltern. Ich weiß das nicht. Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich nicht mit der Angst vor der Klimakrise lebe."

Das Gefühl, dass alles möglich sei, hat sie nicht, wie so viele ihrer Generation. Gegen diese Ohnmacht hilft ihr die Arbeit bei Fridays for Future. Dort hat sie Menschen gefunden, mit denen sie für eine gemeinsame Sache kämpfen kann. "Es ist wie ein Katapult, wo man sich gegenseitig wieder in die Höhe schleudert. Wir werden solange Forderungen stellen, bis endlich etwas passiert. Und wir werden mehr." Das gibt Paula Kraft und die Hoffnung, dass nicht alles verloren ist. (Pia Kruckenhauser, Anna Wielander, 19.9.2022)

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