Die Tiroler Freiheitlichen feierten in Innsbruck ihren offiziellen Wahlkampfauftakt.

Foto: APA/EXPA/Johann Groder

Bundesparteiobmann Herbert Kickl nutzte den Tirol-Auftritt ebenfalls, um seine Ambitionen auf das Bundeskanzleramt zu erklären.

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Für die letzten Wochen des Tirol-Wahlkampfes schenkte Kickl Abwerzger neue Schuhe: zum Laufen, Laufen, Laufen.

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Der blaue Bundespräsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz war auch mit dabei, bleib aber vergleichsweise farblos.

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Innsbruck – Zu den Klängen von "The Final Countdown" marschierte die versammelte blaue Parteiprominenz am Samstagabend fahnenschwingend im Innsbrucker Congress auf. Beklatscht und bejubelt von knapp 400 Sympathisantinnen und Sympathisanten. Der Tiroler FPÖ-Spitzenkandidaten Markus Abwerzger hieß hohen Besuch aus Wien willkommen, um "die intensive Phase des Tiroler Landtagswahlkampfes" einzuläuten. Etwa den freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz, der die Bühne gleich für seinen eigenen Wahlkampf nützte. Und Bundesparteiobmann Herbert Kickl, der offenbar ebenfalls seinen ganz persönlichen Wahlkampf um das Amt des Bundeskanzlers führt.

Rosenkranz durfte als erster Redner antreten. Inhaltlich setzte er auf klassisch blaue Themen, wie den Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen. Auch auf Aktuelles ging er ein und thematisierte den Rücktritt der ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. Sein Versuch, die interne Krise der ÖVP zu erklären, blieb aber etwas holprig. Rosenkranz vermochte anfangs den Saal kaum mitzureißen, abgesehen von Szenenapplaus blieb die Stimmung für eine FPÖ-Veranstaltung vorerst ungewöhnlich mau.

Rosenkranz will nach Orban-Vorbild regieren

Das änderte sich, als Rosenkranz auf seinen direkten Kontrahenten, den amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zu sprechen kam. "Der ist ja gar kein Tiroler", war einer der Zwischenrufe, als Rosenkranz ihn als "Kaunertaler" bezeichnete. Überhaupt sei der Präsident "kein österreichischer Patriot", attestierte der blaue Herausforderer. Er verwies auf "ein Land östlich von uns", offensichtlich Ungarn, wo ein solcher an der Macht sei. Dort werde vorgezeigt, wie man sich selbstbewusst als Nation gegenüber der EU behaupte. Das werde er als Präsident auch tun. Langsam kam Stimmung im Saal auf.

Dann ging Rosenkranz auf die Kompetenzen des Bundespräsidenten laut Verfassung ein. Die einzig dort festgeschriebene sei, den Bundeskanzler und die Bundesregierung zu entlassen. Sollte er, Rosenkranz, zum Präsidenten gewählt werden, werde er Minister zu sich zitieren, mit denen er unzufrieden ist. Allen voran Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). Dann trat Rosenkranz, begleitet von kurzem Applaus, auch schon wieder ab.

Kickl als Star des Abends ebenfalls im Wahlkampf

Nun folgte jener Auftritt, auf den wohl die Mehrheit im Saal gewartet hatte: FPÖ-Chefeinpeitscher und Bundesparteiobmann Kickl wurde mit Standing Ovations empfangen und lieferte gleich eine Breitseite gegen "die Medien", die nicht kapieren würden, wie beliebt er in Wahrheit sei. Kickl erinnerte an den "historischen Boden" auf dem man sich im Innsbrucker Congress befinde. Denn 1986 hatte Jörg Haider ebenda und fast am selben Tag seine Karriere als FPÖ-Chef gestartet. Kickl selbst schien von der Wahlkampfstimmung seiner Parteikollegen Abwerzger und Rosenkranz förmlich angesteckt. Mehrmals machte er in seiner Rede klar, dass er selbst Bundeskanzler werden wolle.

Zum Auftakt ging er ebenfalls auf die aktuelle ÖVP-Krise im Bund ein und attestierte der Partei Spaltungstendenzen nach Knittelfelder FPÖ-Vorbild. Kickl kommentierte dies in gewohnt deftiger Manier: ÖVP-Klubobmann August Wöginger sei in der Zuneigung zu seinem grünen Pendant Sigi Maurer so blind geworden, dass er den Keil in die falsche Partei getrieben habe. Er erntete erwartungsgemäß Beifall.

Rosen für Abwerzger, Häme für Mattle

Dann streute Kickl seinem Tiroler Landeschef Abwerzger Rosen. Die FPÖ Tirol sei auf der Überholspur und stehe vor einem historisch erfolgreichen Wahlergebnis. Und immer wenn die Freiheitlichen erfolgreich sind, komme der Gegenwind des Systems.

Kickl richtete Grüße an die Tiroler ÖVP-Spitze aus, die er am Livestream als Zuseher vermutete. Kickl grüßte unter Gelächter des Publikums ÖVP-Landeshauptmannkandidat Anton Mattle und ließ ihn wissen, dass er sich im Gegensatz zu ihm nicht für den eigenen Parteinamen schäme. Nun johlte der Saal.

FPÖ will nach Tirol und der Hofburg ins Bundeskanzleramt

Es ging in gewohnter Kickl-Manier weiter. Er wetterte gegen das Gendern, denn der FPÖ genügen "Manderl und Weiberl", mehr Geschlechter brauche man nicht. Die EU, die immer mehr zur Nato werde, bekam auch ihr Fett ab. Kickl unterstellte ihr "Öko-Kommunismus", die Abschaffung des Nationalstaates und überhaupt drohe der "Great Reset". Der ehemalige Innenminister spielte seine Populismus-Klaviatur unter tosendem Applaus durch.

Sogar ein G'stanzl trug er vor, das er eigens für diesen Abend gereimt habe: "Den Walter zieht's zum Volk hinaus, der andere liest Mickey Maus." Dann geriet er ins Träumen und schwärmte davon, dass in ein paar Monaten ein blauer Tiroler Landeshauptmann zu einem blauen Bundespräsidenten in die Wiener Hofburg komme. Diese Kicklsche Vision gipfelte darin, auch noch einen blauen Bundeskanzler vorherzusagen. Tosender Applaus im Saal.

Kickl will Regierung "rausschmeißen" und andere Ukraine-Politik

Nun kehrte Kickl den Kabarettisten heraus und nahm sich von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) abwärts fast die gesamte Regierungsriege vor. Die Ministerinnen und Minister wurden mit abwertenden Beinamen bedacht und ins Lächerliche gezogen. Sehr zum Gaudium des blauen Publikums. Kickl riet seinem Präsidentschaftskandidaten Rosenkranz, nicht zu lange und zu viel mit der Regierung zu sprechen Denn er würde sie allesamt lieber heute als morgen "rausschmeißen". Applaus und Jubel.

Dann wechselte der blaue Bundesparteiobmann wieder in den eigenen Wahlkampf und machte den Ukrainekrieg zum Thema. Die USA wolle dort mit Hilfe der Nato ihre eigenen Machtinteressen möglichst nahe vor die russische Haustür bringen, glaubt Kickl. Die Ukraine sei Opfer der Amerikaner, ebenso wie sie Opfer Russlands sei. Und genau das zu benennen, erwarte er sich von einem neutralen Land wie Österreich. Stattdessen erlaube die Regierung täglich Waffentransporte und Überflüge, die im Widerspruch zur Neutralität stehen würden.

Kickl: "Gehe voran bis ins Bundeskanzleramt"

Die Teuerungen seien die Folge der Sanktionen, erklärte Kickl weiter. Dies werde in der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg enden, malte er ein düsteres Zukunftsbild. Er sei nicht bereit, den Wohlstand der Menschen im Land aufs Spiel zu setzen. Als freiheitlicher Bundeskanzler würde er das verhindern. Gemeinsam mit Viktor Orbán wären es dann schon zwei EU-Staaten, die eine andere Linie gegenüber Russland fahren.

Wie schon bei der Corona-Pandemie habe sich die Regierung bei den Sanktionen in die falsche Richtung verrannt, sagte Kickl. Mit der FPÖ an der Spitze werde sich das ändern. "Ich gehe gerne voran, wenn ihr wollt, bis hinein ins Bundeskanzleramt", rief Kickl seinen Fans zu. Die nahmen die Ansage begeistert auf und brüllten ihm ihren Willen zu Gefolgschaft förmlich zurück.

Wer FPÖ ausgrenzt, ist "erbärmlicher Schwächling"

Die anstehenden Wahlen in Tirol wie auch um die Bundespräsidentschaft sieht Kickl als Chance, den Regierenden und dem System einen Denkzettel zu verpassen. Doch wer dies ausspreche, werde ausgegrenzt, so wie Abwerzger in Tirol von sämtlichen politischen Mitbewerbern, die bereits klar bekannten, nicht mit der FPÖ koalieren zu wollen. "Wer ausgrenzt, ist nicht nur undemokratisch, sondern ein erbärmlicher Schwächling", erklärte Kickl in Richtung dieser Parteien.

Zum Abschluss schaffte er so wieder den Schwenk zu Jörg Haider, der in Kärnten seinerzeit ebenfalls von allen ausgegrenzt worden sei. Und wie Haider, so werde es auch auch Abwerzger an die Spitze schaffen, ist Kickl überzeugt. Nach Tirol und dem Rennen um die Hofburg folgen die Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg, zählte der FPÖ-Chef die anstehenden Wahltermine auf: "Am Ende stehen wir dann vorm Bundeskanzleramt."

Abwerzger bekräftigt Duell-Ansage gegen Mattle

Die finale, aber deutlich kürzere Rede als Kickl hielt der Tiroler FPÖ-Spitzenkandidat Abwerzger. Er erklärte einmal mehr, seine Ambitionen, Landeshauptmann werden zu wollen und erneuerte seine Duell-Ansage gegen ÖVP-Spitzenkandidat Mattle. Er sei ein Garant für Freiheit, der "nie wieder einen Lockdown" und "nie wieder eine Maskenpflicht in Schulen" zulassen werde. Hinsichtlich der Pandemie-Maßnahmen, konkret dem Lockdown für Ungeimpfte sowie der Impfpflicht, kreidete er dem scheidenden Tiroler Landeshauptmann Günther Platter an, damit "eines der größten Verbrechen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verkündet" zu haben. So etwas dürfe sich nicht wiederholen.

Dann ging er auf die Debatte um den Klimabonus ein. Dazu musste ein Vergleich zwischen einem einheimischen Lehrling und einem Asylwerber herhalten, der nun ebenfalls abkassiere. Sofort kamen empörte Buhrufe aus dem Saal. "Hut ab vor der ehemaligen Generalsekretärin der ÖVP", bekundete Abwerzger sogleich und bot an: "Wenn sie sich in der ÖVP nicht mehr wohlfühlt, kriegt sie politisches Asyl bei der Tiroler FPÖ." Auch er sei überzeugt davon, dass ÖVP auf ihr eigenes Knittelfeld zusteuere.

Das Asylthema bemühte Abwerzger sehr ausführlich, während das Thema Teuerungen nur kurz gestreift wurde. Die Reaktionen des Publikums gaben ihm bei der Gewichtung recht, er erntete deutlich mehr Applaus für die Tiraden gegen potenzielle Vergewaltiger und Verbrecher, als für seinen Vorschlag, die Gewinne des Landesenergieerzeuger Tiwag an die Bevölkerung auszuzahlen.

Bei aller Siegessicherheit, die die Freiheitlichen in Innsbruck an den Tag legten, versuchte Abwerzger, seine Fans zum Abschluss noch zu mobilisieren. Denn die Landtagswahl sei längst "keine g'mahte Wiesen", daher gelte es zu kämpfen. Es gebe nun eine "Jahrhundertchance", die man nutzen müsse. "Zwei Wochen, 350 Stunden für Tirol", versuchte er seine Anhängerinnen und Anhänger für die letzte Phase des Wahlkampfes einzuschwören. Die Botschaft schien anzukommen. Stehende Ovationen, langer Applaus und erneut "The Final Countdown" mitsamt Fahnenschwingen bildeten den Abschluss. (Steffen Arora, 10.9.2022)