Seit beinahe 1.200 Jahren wurden auf ihm zunächst schottische, später englische Könige gekrönt, und auch bei der Thronbesteigung von König Charles III. soll der sagenumwobene Stone of Scone wieder eine Rolle spielen. Im Irischen heißt der Brocken Lia Fáil, in der schottisch-gälischen Sprache wird er clach-na-cinneamhain genannt, im Englischen kennt man ihn auch als Stone of Destiny (Schicksalsstein) oder schlicht als Coronation Stone, also Krönungsstein. Letztlich war der 152 Kilogramm schwere Quader seit seinem Raub durch den englischen König Eduard I. im Jahr 1296 vor allem ein Stein des Anstoßes zwischen Schottland und England.

Magischer Schicksalsstein

Der rötliche Sandsteinblock wirkt auf den ersten Blick vergleichsweise unspektakulär. Er misst 66 Zentimeter mal 42 Zentimeter mal 26,7 Zentimeter und trägt an der Oberseite ein eingraviertes grobes Kreuz sowie nahe den Schmalseiten eiserne Ringe, die den Transport erleichtern sollten. Über das uralte Relikt wird sich viel erzählt, als einigermaßen belegt gilt, dass ein als magisch geltender "Schicksalsstein" 841 von Kenneth MacAlpin vom einem der ältesten christlichen Klöster Westeuropas auf der Hebrideninsel Iona nach Scone auf dem Moot Hill nahe Perth gebracht wurde. Zwei Jahre später ließ sich MacAlpin mithilfe dieses Steins zum gemeinsamen König der Pikten und Skoten krönen; damit war er als Kenneth I. auch der erste schottische König.

Die englische Krone, hier vertreten durch Prinz Andrew, gab 1996 den Stone of Scone offiziell an Schottland zurück.
Foto: AP/Chris Bacon

Woher der Stein ursprünglich stammte, ist Gegenstand zahlreicher Mythen. In einer der bekanntesten Geschichten war es Fergus Mór mac Eirc, Sohn des ersten Scoten-Königs Eirc, der den Stein aus dem irischen Tara herbeischaffen ließ. Diese Legenden identifizieren den Stein als Lia Fáil, also jenen "Stein des Schicksals", der auf dem Hügel Tara bei der Weihe der Hochkönige von Irland eine Rolle spielte.

Jakobskissen

Das im Frühmittelalter erstarkende Christentum versuchte die älteren lokalen Erzählungen mit biblischen Bezügen zu überdecken. So heißt es dann auch, dass der Stone of Scone eigentlich jener Stein sei, auf dem Stammvater Jakob nach seiner Flucht nach Harran sein müdes Haupt gebettet hatte. Der Prophet Jeremia soll dieses steinerne "Jakobskissen" später ins alte Irland gebracht haben.

Ob der ursprüngliche Stone of Scone tatsächlich einst aus Irland kam, wird sich heute nicht mehr feststellen lassen. Ja selbst, ob der heute im Schloss von Edinburgh neben den Schottischen Kronjuwelen ausgestellte Stein derselbe ist, der einst von Kenneth MacAlpin aus Iona geholt worden war, darf angezweifelt werden. Geologische Untersuchungen, denen zufolge der aktuelle Stone of Scone aus Old-Red-Sandstein besteht, der in der Nähe von Scone abgebaut wurde, widersprechen jedenfalls den Sagen und Legenden.

Eine Fälschung

Dem entsprechend kursiert auch nach vor die Vermutung, dass König Eduard I. nach seinem Sieg im Englisch-Schottischen Krieg im Frühsommer 1296 eine Fälschung nach Westminster hatte schaffen lassen und der echte Stone of Scone noch immer irgendwo verborgen liegt. In der Westminster Abbey wurde der geraubte Stein jedenfalls unter dem Krönungsthron eingebaut, sodass die englischen Königinnen und Könige fortan bei ihrer Krönung auf diesem Stein saßen – zuletzt 1953 bei der Krönung von Elisabeth II.

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Eduard I. ließ sich 1308 einen neuen Thron bauen. In dem Hohlraum darunter lag bis 1996 der Schicksalsstein.
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Damit war der Stone of Scone – mit einer kurzen Unterbrechung, als Studenten ihn 1950 vorübergehend nach Schottland "entführten" – zum Ärgernis der Schotten 725 Jahre lang gleichsam eine Geisel der Engländer. Erst 1996 entschied sich London, den Schicksalsstein in einer feierlichen Zeremonie an Schottland zurückgaben.

Nun wird der legendenumrankte Stein Schottland erneut zumindest kurzzeitig verlassen: Zur Krönung von König Charles III. soll der Stone of Scone in London erneut zum Einsatz kommen. Später wird das Relikt seinen bisher angestammten Platz bei den schottischen Kronjuwelen auf Schloss Edinburgh verlassen und in Zukunft in Perth nahe Scone ausgestellt werden – ganz in der Nähe jenes Ortes, wo er vor 1.181 Jahren erstmals historisch verbürgt in Erscheinung getreten war (tberg, 12.9.2022)