Der Weg zum Supermarkt ist in Österreich in der Regel ein kurzer. Nirgendwo in Europa ist die Dichte an Lebensmittelgeschäften so hoch wie hierzulande, allerdings: Die meisten davon sind in der Hand einiger weniger Marktteilnehmer. Allmählich aber kommt Vielfalt ins Angebot, vor allem in Wien. Das liegt neben der steigenden Beliebtheit von Bioläden und Ab-Hof-Verkauf auch an der ebenfalls wachsenden Zahl internationaler Supermärkte. Das Prosi, direkt am Gürtel auf Höhe Burggasse, ist bereits eine Institution in der Welt der sogenannten exotischen Shops. Es ist das älteste und auch größte internationale Lebensmittelgeschäft in Österreich.

Sijimon Pallikunnel, Co-Geschäftsführer im Prosi, dem ersten internationalen Supermarkt des Landes.
Foto: Christian Fischer

1999 begann der aus Südindien stammenden Prince Pallikunnel damit, Ware aus Indien einzufliegen. Die Nachfragen nach Lebensmitteln aus anderen Weltgegenden wuchs, Pallikunnels Brüder stiegen ins Geschäft ein. Heute liegen rund 10.000 Produkte aus allen Kontinenten in den Regalen auf: von der frisch importierten Cherimoya-Frucht aus Südamerika über reihenweise eingelegtes Gemüse bis hin zu in 1,5-Liter-Flaschen abgefüllten Fischsaucen. Vis-à-vis haben die drei Geschwister ein Geschäft für Kosmetik eröffnet, eine Ecke weiter ein indisches Restaurant. Eine weitere Prosi-Filiale jenseits der Donau ist in Planung. Auch Kochkurse und Straßenfeste stellen die Pallikunnels auf die Beine.

Diversität wird größer

Ihre Kundschaft beschränke sich schon lange nicht mehr auf die speziell indische oder allgemein eine migrantische Bevölkerungsgruppe in Österreich. Die Zielgruppe sei "bunt gemischt", sagt Co-Geschäftsführer Sijimon Pallikunnel. Die Ecuadorianerin Andrea Flores beispielsweise, die an einem heißen Sommertag in einem der heruntergekühlten Gänge des Supermarkts zwischen Ingwerzuckerln und Bananenchips steht, erklärt: Sie komme immer dann hierher, "wenn ich ein Stück Heimat haben möchte." Umgekehrt kommen Österreicherinnen und Österreicher hierher, um sich ein Stück Ausland in die Heimat zu holen. In den mehr als 20 Jahren, die das Prosi schon besteht, sind in Wien eine Reihe weiterer Ethnoshops entstanden. Zwar wird auch in der Hauptstadt laut Wiener Wirtschaftskammer der überwiegende Teil der mehr als 830 Supermarktfilialen von Rewe, Spar, Hofer und Lidl betrieben. Die sogenannten exotischen Supermärkte holen allerdings auf.

Kunde Nikolaus kam auf der Suche nach ecuadorianischem Bier ins Casa Mexico, wo es vorwiegend, aber nicht nur mexikanische Produkte gibt.
Foto: Christian Fischer

Um gut 20 Prozent sei ihr Anteil in den vergangenen Jahren gestiegen, schätzt Ali Celik, Gremienobmann des Lebensmittelhandels der Wirtschaftskammer Wien. Die meisten internationalen Läden, rund 50, handeln mit türkischen Produkten. Die 1986 von einem türkischen Einwanderer ursprünglich als kleine Greißlerei in Favoriten gegründete Etsan-Kette etwa zählt alleine in Wien 27 Standorte.

Hinzu kommen rund 20 asiatische, eine Handvoll afrikanische sowie ein paar verstreute Geschäfte aus anderen Weltregionen.

In Larisas "kleinem Eckladen" (russisch: "Ugolok") gibt es Fisch, Teigtaschen, Süßes und Alkohol aus Russland, aber auch aus Armenien, Georgien, Litauen und der Ukraine.
Foto: Christian Fischer

Zumeist ist ihr Angebot auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zugeschnitten, wobei sich viele in ihrem Sortiment gleichzeitig breiter aufstellen. Im Lords Exotic Supermarket in der Burggasse liegt der Fokus auf Produkten aus Afrika, etwa Malzgetränken, Haarprodukten und getrocknetem Fisch. In Bobby’s Foodstore im vierten Bezirk wiederum gibt es alles, was das Herz der britischen, amerikanischen, irischen oder australischen Expats begehrt: Baked Beans gehören dazu, Essigchips, alle möglichen Tee-, Whiskey- und Ale-Sorten, außerdem die Macaroni-&-Cheese-Fertigmischung der Marke Kraft.

Baked Beans für ein britisches Frühstück in Bobby’s Foodstore.
Foto: Christian Fischer

Die drei Rana-Filialen in Wien wiederum sind Anlaufstelle für Menschen aus Indien und Pakistan, aber auch generell für Muslime, da sie fast ausschließlich alkoholfreie Waren führen. Casa Mexico in Neubau trägt den Fokus schon im Namen, Ugolok im zweiten Bezirk führt Waren aus Russland und der Ukraine. Die Mischung spiegelt die Zusammensetzung der migrantischen Bevölkerung wider. So existieren in Wien neben mehreren tschetschenischen Geschäften eine Reihe solcher, die Handelsgut vom Balkan beziehen.

Produkte der syrischen Kette Durra im 15. Bezirk.
Foto: Christian Fischer

Auch die Fluchtbewegung aus Syrien und Afghanistan 2015 brachte einen Neuzugang: 2017 eröffnete am Neubaugürtel im 15. Bezirk die erste Filiale der weltweit tätigen syrischen Supermarktkette Durra. Die Diversität, fasst es Celik zusammen, "wird auf jeden Fall größer". (Anna Giulia Fink, 13.9.2022)