Barocker Rahmen für eine Pressekonferenz zur Zukunft der ÖAW: Präsident Heinz Faßmann und Klassenpräsidentin Christiane Wendehorst stellen ihr Arbeitsprogramm vor.
APA / Tobias Steinmaurer

Der Rahmen war neu und altehrwürdig zugleich: Im frisch renovierten Bibliothekssaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, einem wahren Barockjuwel mit reicher Geschichte, stellten der neue ÖAW-Präsident Heinz Faßmann und Christiane Wendehorst, die Präsidentin der philosophisch-historischen Klasse, am Montag ihre wichtigsten Pläne für die nächsten Monate und Jahre vor.

Ein besonderes Augenmerk galt dabei einem Bereich, der von der ÖAW in den letzten Jahre und Jahrzehnten im Vergleich zu anderen Akademien im Ausland etwas vernachlässigt wurde: nämlich dem Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Zudem sind neue Institute geplant. Und das neue Präsidium will die ÖAW "jünger, diverser und weiblicher" machen.

Heimische Wissenschaftsskepsis ...

Die letzte Eurobarometer-Umfrage hat – so wie schon jene zehn Jahre zuvor – für Österreich keine guten Ergebnisse gebracht. In vielen Bereichen, etwa der Gentechnikskepsis, ist Österreich negativer Europameister. DER STANDARD hat darüber ausführlich berichtet und damit auch dazu beigetragen, dass nun an verschiedenen Stellen etwas gegen die relativ stark ausgeprägte heimische Wissenschaftsskepsis unternommen werden soll. Die ÖAW unter ihrem neuen Präsidenten Heinz Faßmann will hier an vorderster Front mit dabei sein.

Die ÖAW unter ihrem neuen Präsidenten Heinz Faßmann will evidenzbasiert gegen Wissenschaftsfeindlichkeit vorgehen, die in Österreich vergleichsweise stark ausgeprägt ist.
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Die Akademie könne diesen Befund der Wissenschaftsskepsis "nicht links liegen lassen", betonte Faßmann, der mit Anfang Juli die Nachfolge des Quantenphysikers Anton Zeilinger als ÖAW-Präsident antrat.

... und Gegenmaßnahmen der ÖAW

Vor vorschnellen Therapievorschlägen gegen diese Skepsis brauche es allerdings solide empirische Evidenz. Aus diesem Grund will die ÖAW künftig jährlich die Wissenschaftsskepsis in Österreich erheben. Ziel sei es, herauszufinden, wie sich die Wissenschaftsskepsis strukturell in der Bevölkerung verteile und wie sie sich zeitlich entwickle. Erste Ergebnisse sollen bis Anfang kommenden Jahres vorliegen. Faßmann erklärt den Barometer gar zur Chefsache: "Das interessiert mich sehr, und ich habe einige Erfahrung in der empirischen Sozialforschung."

Zudem richtet die Akademie für Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die aufgrund ihrer Arbeit Anfeindungen ausgesetzt sind, eine Anlaufstelle ein. Die Forscher seien etwa in der Pandemie mit negativen Resonanzen in den sozialen Medien "alleingelassen" worden. Angehörige der ÖAW, die Zielscheibe von Angriffen sind, sollen deshalb dort psychologische und rechtliche Unterstützung sowie Hilfestellung beim Umgang mit Medien erhalten. Wenn das funktioniere, kann sich Faßmann vorstellen, etwa mit der Universitätenkonferenz das Angebot auch auszuweiten.

Um den Austausch zwischen Forschenden und Journalisten zu relevanten Themen zu fördern, startet die Akademie das neue Format "Science Update". Erste Themen sind unter anderem die Corona-Pandemie, Energie und Gentherapie.

Neue Einrichtungen der Akademie

Die Realisierung der Leistungsvereinbarung der ÖAW mit dem Bund mit über 90 Maßnahmen sei ein weiterer Schwerpunkt des neuen Präsidiums, sagte Faßmann. Als Beispiel nannte er die Errichtung des neuen Cori-Instituts in Graz, das sich mit Stoffwechselkrankheiten befasst. Kooperiert wird dabei mit Grazer Universitäten, der Gründungsvertrag soll noch im Herbst unterzeichnet werden. Weiters in der ÖAW-Pipeline befinden sich ein Zentrum für Antisemitismusforschung "mit Fokus auf den Antisemitismus in der Gegenwartsgesellschaft" und ein Schwerpunkt auf der Erforschung der Konfliktregion Kaukasus.

Vom Fonds Zukunft Österreich bekommt die Akademie neun Mio. Euro für ein Programm zur Registerforschung, das bei einer Roadshow den Unis und Forschungseinrichtungen vorgestellt werden soll. Faßmann geht davon aus, dass damit rund 40 Projekte gefördert werden können.

"In Richtung Arbeitsakademie", geschlechtergerecht

Wendehorst betonte, dass man das Potenzial der 762 ÖAW-Mitglieder im In- und Ausland besser nutzen wolle, um die Gelehrtengesellschaft "in Richtung einer Arbeitsakademie weiterzuentwickeln". Dazu laufe eine Umfrage unter den Mitgliedern, wie diese noch besser in die Arbeit eingebunden und für die Menschen besser nutzbar gemacht werden könne. Das thematische Portfolio der ÖAW-Kommissionen soll erweitert werden, etwa um Themen wie die Energiefrage oder die neue politische Weltordnung.

"Die Akademie muss auch jünger, diverser und weiblicher werden", sagte Wendehorst. "Wichtiges Signal" sei etwa das erstmals geschlechterparitätisch zusammengesetzte ÖAW-Präsidium, beim Frauenanteil sei die Akademie "auf gutem Weg". Zwar liege der Frauenanteil der 762 ÖAW-Mitglieder nur bei 21 Prozent, das habe aber viel mit dem Alter zu tun. So seien von den Mitgliedern unter 70 Jahren bereits 35 Prozent Frauen, bei der Jungen Akademie sind es 62 Prozent. In den vergangenen Jahren seien immer rund 50 Prozent Frauen neu in die Akademie gewählt worden.

ÖAW-Mitglieder und -Mitarbeiter werden zudem befragt, wo sie in Bezug auf Gleichstellungsfragen noch Probleme sehen. (APA, red, 12.9.2022)