Bernhard Raimann schreibt Geschichte.

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Bernhard Raimann stürzt Österreichs Sportjournalismus in ein semantisches Dilemma. In der Nacht auf Montag debütierte der Footballer für die Indianapolis Colts in der National Football League und wuchtete seinen Namen damit in die Geschichtsbücher. Vom "ersten Österreicher in der NFL" darf man aber nicht schreiben, da drei Landsleute in den 1970er- und 1980er-Jahren erfolgreich in der besten Football-Liga der Welt unterwegs waren.

Toni Linhart, Toni Fritsch und Ray Wersching bekleideten aber alle die Sonderposition des Kickers, der im physisch grausamen Football-Sport aus der Reihe tanzt. Also wird Raimann nun als "erster Nichtkicker" oder als "erster Feldspieler" bezeichnet. Gemeint ist: der erste "echte" Footballer.

Straight outta Steinbrunn

Dass dieser 24-Jährige aus Steinbrunn nun beim 20:20 seiner Colts gegen die Houston Texans auf dem Feld stand, ist einigermaßen sensationell. "Ich glaube es selber noch gar nicht. Manchmal muss ich mich zwicken", sagte Raimann nach dem Match. Mit erst 13 Jahren hatte er andere Jugendliche das Eierlaberl herumwerfen sehen und einen Narren an dem Sport gefressen. Der Bursche schrieb sich bei den Vienna Vikings ein, besuchte das Ballsportgymnasium Wien und machte ein Austauschjahr auf einer Highschool in Michigan.

Raimann erspielte sich ein College-Stipendium an der Central Michigan University; nach vier Jahren und Abschlüssen in Versicherungswissenschaften und Statistik samt Spitzennotenschnitt folgte der Schritt zu den Colts, die dem Zwei-Meter-Lackel einen Vierjahresvertrag über 5,5 Millionen Dollar gaben. Da ging sich gewiss auch ein anständiger Verlobungsring aus, den Raimann seiner Langzeitfreundin Calli Stemple im Juli an den Finger steckte. Zum Umzug nach Indianapolis gab es Verstärkung in Form des Golden Retriever Dax.

Hartes Brot

Raimanns täglich Brot ist weniger putzig. Der 2,01-Meter-Hüne spielt "offensive tackle" und hat zwei Aufgaben: Je nach Spielzug hält er dem Quarterback den Rücken frei, bewacht also die Kronjuwelen der Mannschaft, oder aber er spielt Bulldozer und räumt mit seinen 137 Kilo einem Ballträger den Weg frei.

Seine Football-Karriere hatte Raimann als flinker Ballempfänger begonnen, Coaches sahen sein Potenzial aber eher auf den massigeren Positionen. Für seine letzte Umstellung hat Raimann im ersten Lockdown in Eigenregie zwanzig Kilogramm zugelegt. "Manchmal übergibt man sich, manchmal nicht", sagt er über die Futterpflichten dieser Zeit. Das ist Hingabe. (Martin Schauhuber, 12.9.2022)