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Die von der Stadt geschickten Berater stellten der Wien Energie einen Persilschein aus, der Bund noch nicht.

Foto: Picturedesk/Georges Schneider

Spät, aber doch fanden die vielkritisierten Hilfen der Stadt Wien für die Wien Energie den Weg in den Gemeinderat. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte im Juli und August in Notkompetenz, also freihändig, zweimal 700 Millionen Euro für den städtischen Versorger freigegeben. Die Gremien im Rathaus und die Öffentlichkeit erfuhren, wie berichtet, erst Ende August davon. Am Montag wurde der zuständige Finanzausschuss mit der Causa befasst, und die Anträge hatten politische Sprengkraft.

Der kleine Koalitionspartner Neos machte es spannend. Zunächst war nicht klar, ob er zustimmen würde. Denn der pinke Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr hatte in der "Presse" angekündigt, die Zustimmung an Bedingungen zu knüpfen.

Gespräche über Reform der Notkompetenz

Eilig vereinbarten SPÖ und Neos ein Transparenzpaket, das in den nächsten Wochen beschlossen werden soll. Die wohl wichtigste Neuerung: Das Fragerecht im Stadtparlament wird auf ausgegliederte Einheiten wie Wien Energie erweitert. Ja, man stimme mit der SPÖ, sagte Neos-Wirtschaftssprecher Markus Ornig vor der Sitzung am Nachmittag zum STANDARD. Das Transparenzpaket sei ein wichtiger erster Schritt, um "bestmögliche Kontrolle" zu gewährleisten.

Aber: "Es ist nicht aller Tage Abend." Darüber hinaus seien mit der SPÖ, sagt Ornig, auch Gespräche über eine Reform der Notkompetenz geplant, dazu wolle man sich noch heuer "zusammensetzen".

Grüne und ÖVP verlangten mehr Information

Rückgängig gemacht hätte eine Ablehnung im Ausschuss Ludwigs Kreditvergabe übrigens nicht. Die nachträgliche Abstimmung ist in derartigen Fällen lediglich ein formaler Akt. Die Oppositionsparteien Grüne, ÖVP und FPÖ verweigerten die Freigabe im Ausschuss – wobei sich zwei ÖVP-Mandatare enthielten, wie Sitzungsteilnehmer unabhängig voneinander erzählten. Grüne und ÖVP stimmten vor allem deshalb nicht zu, weil die SPÖ aus ihrer Sicht "relevante Unterlagen" zur Causa zurückhalte.

Gemeint sind jene detaillierten Informationen, die die Stadt am Donnerstag an den Bund liefern muss. Denn sie sind die Bedingung dafür, dass die Bundesfinanzierungsagentur Öbfa dem Land Wien ein Zwei-Milliarden-Euro-Darlehen für Wien Energie bereitstellt.

Die Wiener ÖVP und die Grünen erachten es unverändert als intransparent, dass die detaillierten Unterlagen nicht auch der Ausschuss bekommt. Im Büro von Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) verweist man darauf, dass man ohnehin an den Bund liefere.

FPÖ gegen Darlehensvertrag

Der Darlehensvertrag zwischen Öbfa und Land Wien stand auch auf der Tagesordnung des Ausschusses. Nur die FPÖ stimmte dagegen.

Der Gemeinderats-Ausschuss war nur die erste Station in einem Abstimmungs-Parkour: In weiterer Folge wird sich auch der Wiener Stadtsenat am morgigen Dienstag und der Wiener Gemeinderat am 21. September mit der Milliarden-Unterstützung für den Energieversorger beschäftigen.

Bund fordert Aufklärung

Ob der Persilschein, den Wien Energie für ihre Termingeschäfte von den drei von der Stadt beauftragten Wirtschafts- und Rechtsberatern PwC, Freshfields und Ithuba bekommen hat, dem Bund reicht, bleibt abzuwarten. Denn es ist eine Fülle von Fragen und Problemstellungen, für die der Bund Aufklärung fordert. Schließlich geht es um eine Liquiditätshilfe von bis zu zwei Milliarden Euro, die der Bund Ende August quasi über Nacht bereitstellen musste, weil der zusätzliche Finanzbedarf des Versorgers für Sicherheiten (Margins) für Termingeschäfte die Finanzkraft der ihrerseits bereits in die Bresche gesprungenen Stadt überstieg.

Wiewohl Wien Energie die Hilfen des Bundes dann doch nicht akut brauchte, weil sich Strom- und Gaspreise stabilisierten, wenngleich auf hohem Niveau: Die vom Bund geforderte Aufklärung umfasst dem Vernehmen nach mehr Details.

Vorzeichen für Debakel

Denn das Debakel kam keineswegs so überraschend wie dargestellt. Wien Energie hatte das Volumen an Stromtermingeschäften im Vorjahr gegenüber 2019 verdoppelt (nominell), während die Jahresstromproduktion von 7.398 auf 6.280 Gigawatt zurückging. Der Bestand an Termingeschäften für Stromverkäufe stieg laut Finanzbericht im gleichen Zeitraum aber von 4.574 auf 9.640 GW, was 153 Prozent der Jahresproduktion entspricht.

Da Wien Energie wiederholt auf liquide Mittel der Stadt und ihrer Mutter Wiener Stadtwerke zurückgreifen musste, um die Termingeschäfte aufrechtzuerhalten und Verluste nicht zu realisieren, wäre die angekündigte Rückkehr zu den zwischenzeitlich sistierten Geschäften riskant, warnt Finanzberater Gerald Zmuegg. Der Bewertungsverlust von einer Milliarde Euro aus Stromtermingeschäften Ende 2021 habe das Eigenkapital von 761 Millionen Euro bereits deutlich überstiegen. (Stefanie Rachbauer, Luise Ungerböck, 12.9.2022)