Für den britischen Journalisten Gimson hält die große Mehrheit der Briten auch nach dem Tod von Queen Elizabeth II die Monarchie für wichtig.

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Für den britischen Journalisten und Autor Andrew Gimson hält die große Mehrheit der Briten auch nach dem Tod von Queen Elizabeth II die Monarchie für wichtig. Auch Nachfolger Charles III genießt laut Gimson, der ein Buch über das britische Königshaus verfasst hat, ausreichend Rückhalt in der Gesellschaft.

STANDARD: Elizabeth II. war weltweit die am längsten amtierende erwachsene Monarchin. Was machte ihre mehr als 70 Jahre währende Amtszeit möglich, mal abgesehen von der Tatsache, dass sie sehr früh den Thron bestiegen hatte und bis ins hohe Alter gesund blieb?

Gimson: Sie übte ihr Amt schnörkellos aus, besaß ein großes Pflichtgefühl. Das hatte sie von ihrem Vater George VI. gelernt, dem sie sehr nahestand. Nach dessen frühem Tod war sie entschlossen, die Institution weiterzuführen. Sie hat Respekt gezeigt gegenüber ihrem sehr eingeschränkten Handlungsspielraum. Und sie hat sich an das Versprechen gehalten, das sie als 21-jährige Prinzessin 1947 in Südafrika gab: "mein ganzes Leben dem Dienst an Ihnen und an der imperialen Familie zu widmen". Sie ist eine gewissenhafte Monarchin geblieben ...

STANDARD: ... auch als die "imperiale Familie" längst Vergangenheit war.

Gimson: Die Queen hielt ja an der Nachfolge-Organisation des Empire, dem Commonwealth, auch in jenen Jahrzehnten fest, in denen diese Organisation selbst bei Konservativen als rückwärtsgewandt galt. Inzwischen hat das Commonwealth neue Bedeutung bekommen. Unsere Verbindungen mit früheren Kolonien wie Indien, Australien, Kanada und vielen kleineren Commonwealth-Staaten in Afrika und Asien kommen uns politisch und wirtschaftlich zugute.

Andrew Gimson hält das britische Königshaus für demokratisch. Schließlich sei es in der Bevölkerung sehr beliebt.
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STANDARD: Anders als ihrem Nachfolger war der Prinzessin Elizabeth nicht an der Wiege gesungen, dass sie Königin werden würde.

Gimson: Sie wurde in der Tradition der britischen Oberschicht erzogen: gute Manieren, gutes Französisch, Spaß am Tanzen und an Gesellschaftsspielen. Ich glaube durchaus, dass sie hochintelligent war. Aber intellektuelle Stimulierung hielt der Adel für überflüssig, wenn nicht geradezu für gefährlich. Interessanterweise sind Intellektuelle häufig nicht recht glücklich mit ihren Lebensumständen. Hingegen war die Queen mit ihrer Existenz zufrieden.

STANDARD: Konstitutionelle Monarchen sollen möglichst keine eigenen Meinungen haben.

Gimson: Genau, und das kam der Queen entgegen. Sie wusste über Politik genau Bescheid, kannte Staatsmänner und -frauen aus aller Welt. Aber sie sprudelte nicht gerade über von neuen Ideen wie viele Intellektuelle, die dann darüber streiten wollen. Das brauchte sie nicht. Nur ein Beispiel: In all ihren Weihnachtsansprachen ließ Elizabeth keinen Zweifel an ihrem tief verwurzelten christlichen Glauben. Aber sie stritt nicht dafür, es blieb ein Angebot.

STANDARD: Nun gilt der neue König durchaus als jemand, der für seine Ideen und Meinungen zu streiten weiß und das auch gern tut.

Gimson: Na ja, deshalb war er ja auch auf der Uni. Er fand tatsächlich interessante Ideen wichtig, was für einen Monarchen nicht unbedingt gut ist. Aber mit zunehmendem Alter und der offenbar ja sehr glücklichen zweiten Ehe ist er doch sehr viel ruhiger geworden. Schon 2015 hat sein Privatsekretär öffentlich gemacht, dass Charles den Unterschied zwischen seiner bisherigen Rolle als Prinz und nun als König genau versteht.

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STANDARD: Wie wird sich seine Amtsführung von jener von Queen Elizabeth II. unterscheiden?

Gimson: Ein wesentlicher Unterschied zu seiner Mutter wurde ja schon am ersten Tag klar: Während die Queen niemals unnötig Leute berührte, ging er auf die Menschen vor dem Buckingham-Palast zu, schüttelte deren Hände, ließ sich von einer Frau sogar küssen. Im Lauf der Zeit werden wir sicher eine verschlankte Monarchie erleben, das wird ja schon seit längerem als Charles' Wunsch weitergegeben. Die Monarchie wird beibehalten und so abgeändert, wie es dem Begehren der Bevölkerung entspricht. Insofern ist die Monarchie unsere demokratischste Institution.

STANDARD: Übertreiben Sie nicht ein wenig? Die handelnden Personen sind jedenfalls nicht gewählt.

Gimson: Das stimmt. Aber die Menschen sehen den Monarchen als ihren Verbündeten, weil er über den Politikern steht. Und die halten sie fast durchgängig für heuchlerische, intrigante Halunken. Ich bin der festen Überzeugung, dass die große Mehrheit die Institution für wichtig hält und Charles unterstützt.

STANDARD: In seinen ersten Ansprachen hat Charles III. stets von "lebenslangem Dienst" gesprochen. Will er wirklich seiner Mutter nacheifern und in den Sielen sterben?

Gimson: Na ja, der Mann ist 73. Schon deshalb wird seine Zeit auf dem Thron begrenzt sein. Die Äußerungen haben sicherlich den Zweck, jedes Gerede von einer vorzeitigen Abdankung zum Schweigen zu bringen. Erst einmal geht es darum, den Übergang von der Queen gut über die Runden zu bekommen. Ich habe keine Zweifel: Charles will König sein und in der neuen Rolle Erfolg haben. Wenn er will, kann er später immer noch seine Meinung ändern. (Sebastian Borger aus London, 14.9.2022)


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