Der frühere Medienberater von Sebastian Kurz, Gerald Fleischmann, vor dem U-Ausschuss.

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Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Causa Umfragen sind recht weit fortgeschritten: Mit Sabine Beinschab ist eine zentrale Akteurin zur Kronzeugin avanciert, die viele Unterlagen an die WKStA übermittelt hat. Sie zeigen, dass Beinschab bis knapp vor den Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 mit Vertrauten von Sebastian Kurz (ÖVP) in Kontakt stand – und mit ihnen wohl auch eng zusammengearbeitet hat.

Beispielhaft dafür sind zwei "Eigenstudien" aus dem Jahr 2021, die Beinschab laut WKStA im Auftrag des damaligen Kanzlersprechers Johannes Frischmann durchgeführt hat. Sie sollen illustrieren, wie das sogenannte "Beinschab-Tool" funktioniert hat: Politische Inhalte der ÖVP werden mit dem Verweis auf Meinungsumfragen von Beinschab medial verbreitet, abgerechnet worden sein soll dann über das Finanzministerium.

Die Sputnik-Episode

Im März 2021 befand sich Österreich etwa mitten im Kampf um Nachschub beim Corona-Impfstoff. Beinschab hat, angeblich im Auftrag von Frischmann, von 29. bis 31. März eine Umfrage durchgeführt, ob Österreicherinnen und Österreicher den Ankauf des russischen Impfstoffs Sputnik befürworten würden. Ihr Ergebnis: Mehr als zwei Drittel würden das positiv sehen.

Am 31. März traf der damalige Kanzler Kurz dann den russischen Botschafter und erklärte, man befinde sich "auf den letzten Metern" einer Bestellung von Sputnik. Daraufhin bot Beinschab ihre Umfrageergebnisse mehreren Journalistinnen an, über eine APA-Meldung gelangte die Meldung "Knapp 70 Prozent in Österreich für Ankauf von Sputnik" in fast alle Medien.

Andersherum funktionierte das beim Thema Staatsbürgerschaften: Im Juni ließ Kurz Medien wissen, dass er nichts vom SPÖ-Vorschlag halte, die Einbürgerung zu erleichtern. Unmittelbar danach führte Beinschab wieder eine sogenannte "Eigenstudie" (also ohne offiziellen Auftraggeber) durch, die von der ÖVP erhoffte Ergebnisse brachte. 85 Prozent der Befragten seien dafür, dass die Vergabe der Staatsbürgerschaft an die Erbringung von Leistungen durch Zuwanderer gekoppelt sein soll, hieß es da. Das zitierte dann Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in der ORF-Sendung "Im Zentrum".

Geht man nach der Beweisführung der WKStA, funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Beinschab und dem Team Kurz also bis zuletzt – begonnen hatte all das ja schon in der Anfangsphase des sogenannten Projekts Ballhausplatz, also der Machtübernahme von Sebastian Kurz zuerst in der ÖVP und dann im Kanzleramt.

"Es ist nichts mehr da"

Dort waren zuletzt auch einige weitere Beschuldigte aktiv, eben Kanzlersprecher Frischmann und Medienberater Gerald Fleischmann. Beide haben laut Sicherstellungsanordnung der WKStA kurz vor der Hausdurchsuchung "großflächige Löschungen" ihrer elektronischen Daten vorgenommen und ihre Smartphones getauscht. Das sei aus Sicherheitsgründen erfolgt, heißt es – für die WKStA ist das "nicht nachvollziehbar".

Die Ermittler verweisen darauf, dass die ÖVP schon am 28. September 2021 – also rund eine Woche vor den Hausdurchsuchungen – eine Pressekonferenz abhielt, in der sie Gerüchte über Ermittlungen thematisierte. "Es ist nichts mehr da", meinte die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz damals. Sie ist mittlerweile Volksanwältin.

Kaum E-Mails

"Anomalien" gab es auch bei den E-Mail-Postfächern von Fleischmann und Frischmann. Offenbar wurde das Postfach von Fleischmann gar nicht an die WKStA übermittelt, das von Frischmann dafür doppelt. Und: In diesem seien "fast sämtliche E-Mails von 10. Jänner 2020 bis 3. August 2021 gelöscht" worden; ab 5. August "ebenfalls praktisch durchgehend".

Dasselbe erwartete die Ermittler im Finanzministerium: Dort hatte der auch für Studien zuständige damalige Abteilungsleiter Johannes Pasquali "alle E-Mails aus der Zeit vor 9. Juli 2019" gelöscht. Das weiß die WKStA, weil sie schon im Februar 2021 E-Mails sichergestellt hatte, damals ging es um die Causa Novomatic/Blümel. Somit sei klar: "Er nahm zwischen Februar und Oktober 2021 umfangreiche Löschungen vor."

Um die Abläufe im Kanzleramt rekonstruieren zu können, will die WKStA nun quasi die E-Mail-Postfächer aller Mitarbeiter von Abteilungen, die mit Studien, PR und Kommunikation zu tun hatten, bekommen. Das sieht das Kanzleramt als zu weitreichend an – und weigert sich, dem Folge zu leisten. Man will nun Gespräche mit der WKStA über eine Konkretisierung der Anordnung führen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (fsc, 14.9.2022)