Nach dem Tod von Queen Elizabeth II wurden in Frankreich bereits Flaggen auf halbmast gesetzt. Die Weisung, das an Rathäusern nun auch am Tag ihrer Beerdigung zu tun, stößt nicht überall auf Zustimmung.

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Auch Frankreich trauert um Großbritanniens große Königin. Vielleicht noch mehr als andere Länder: Elizabeth II mochte Frankreich, sie sprach perfekt Französisch und hatte zehn französische Präsidenten erlebt. Noch bei ihrem letzten Besuch 2014 in Paris nahm sie die Gastgeber dermaßen für sich ein, dass der sozialistische Ex-Außenminister Bernard Kouchner sinnierte: "Wir bräuchten auch einen König."

Frankreich hat die Monarchie 1793 abgeschafft, Ludwig XVI. kam unter die Guillotine. Trotzdem kannte das Land der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit später noch eine Reihe von Quasimonarchen wie Kaiser Napoleon, Bürgerkönig Louis-Philippe oder General Charles de Gaulle. Wie es der Radiosender France Culture diese Woche formulierte: "Wir sind stolz auf unsere Republik, aber wir haben mit der Monarchie nie völlig gebrochen." Der Chronist Arnaud Benedetti wird noch deutlicher: "Ohne es zu sagen oder vielleicht auch nur zu wissen, bewahrt Frankreich eine unvergängliche Trauer für sein eigenes Königtum."

Unauffällige Weisung

Präsident Emmanuel Macron, der seine Regentschaft selber als "vertikal" bezeichnet, sagte nach dem Tod der Queen sehr bewegt und auf Englisch, Elizabeth sei den Franzosen die "Königin des Herzens" gewesen. Zu ihrem Begräbnis am 19. September, so ordnete er an, sollte die französische Nationalflagge an den Rathäusern auf halbmast gesetzt werden.

In der ersten, sehr emotionalen Trauerbekundung fiel diese Weisung nicht auf. Jetzt hat sich aber der Bürgermeister eines kleinen, völlig unbekannten Dorfes zu Wort gemeldet. "Ich werde die Anweisung nicht befolgen", lehnte dies Patrick Proisy aus Faches-Thumesnil in Nordfrankreich per Twitter kategorisch ab. "Denn sie müsste für alle Staatschefs gelten – oder gibt unsere Republik etwa einer Monarchin und Kirchenvorsteherin den Vorzug?"

Wie es in den sozialen Medien vorkommt, wurde der zur Linksallianz Nupes gehörige Bürgermeister über Nacht ein Internetstar. Und das so sehr, dass er meinte, sich rechtfertigen zu müssen. "Kein Konzept ist weiter entfernt vom Gleichheitsgebot als das der Monarchie", stellte er klar, als säße er neben Robespierre im Wohlfahrtsausschuss der Französischen Revolution. Sein Standpunkt habe nichts mit der Persönlichkeit von Elizabeth II zu tun, fügte er an. Aber es gehe in Frankreich nicht an, dass "die Geburt aus speziellem Blut und guter Familie" einzelne Menschen über andere erhebe.

Längst ist der letzte Republikaner Patrick Proisy nicht mehr allein. Mehrere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, darunter auch aus größeren Städten wie Bourges, haben sich ihrem Kollegen aus dem 1.000-Seelen-Ort Faches-Thumesnil angeschlossen: An ihrem Rathaus wird über dem Leitspruch "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" die Trikolore zuoberst an der Fahnenstange prangen.

Freund oder Feind?

Weitere Stimmen stören sich nicht nur am monarchischen Pomp im Vereinigten Königreich, sondern verweisen auch auf die politischen Spannungen zwischen London und Paris. Seit dem Brexit gibt es am Ärmelkanal ständig Streit, sei es um Fischereirechte oder die Aufnahme von Migranten. Kurz bevor sie britische Premierministerin wurde, hatte Liz Truss bei einer Journalistenfrage, ob Frankreich für sie "Freund oder Feind" sei, eine klare Antwort verweigert. Bei Paris hat sie damit bereits verspielt.

"Die Engländer sind nicht unsere Freunde", schrieb ein Leser der konservativen Zeitung "Le Figaro". "Sie verachten uns und suchen uns hintenrum zu schaden." Deshalb sollten die Flaggen nicht auf halbmast gesetzt werden. Vielmehr meint der Leser: "Eine Todesanzeige im Amtsblatt hätte es getan."

Viel Raum in französischen Medien

Ein anderer schließt sich an: "Wir sind doch keine Briten. Außerdem hat das Königreich die EU verlassen." Der Nachfolger Elizabeths, Charles III, wird in französischen Spalten wenig freundlich als "Übergangskönig" bezeichnet. Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon ärgert sich offen über den breiten Raum, den die Pariser Medien dem Tod der Queen bis zu ihrem Begräbnis einräumen. Die Franzosen müssten nun am Fernsehen zehn Tage lang "Königin futtern" ("bouffer de la reine"), meinte er wenig ehrerbietig, auch wenn er sich in erster Linie über die Pariser Live-Sender aufregte, die seit Tagen fast rund um die Uhr über den Tod der Queen und den Thronwechsel im Inselreich berichten.

Und der französische Thron? Denn nicht zu vergessen, in Louis de Bourbon (48) verfügt Frankreich eigentlich über einen Prätendenten, der in direkter Linie von Ludwig XIV. abstammt. Der sehr diskrete Jetsetter mit Wohnsitz in Spanien wartet nur darauf, als Ludwig XX. in Versailles einzuziehen. Das Warten dürfte allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen. (Stefan Brändle aus Paris, 13.9.2022)