Die schleichende Steuererhöhung soll nach Berechnungen von Wifo und IHS ein Volumen von 1,85 Milliarden Euro umfassen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/MarioGuti

Wien – Es ist zu einem Kernstück der türkis-grünen Regierungskoalition geworden: die Abschaffung der kalten Progression. Im Juni hatten ÖVP und Grüne überraschend die politische Einigung auf das Vorhaben präsentiert, wonach ab 2023 die schleichenden Steuererhöhungen Geschichte sein sollen.

Am Mittwoch wird im Ministerrat das letzte fehlende Puzzlesteinchen des Vorhabens fixiert. Demnach soll es für Bezieher unterer Einkommen eine etwas überproportionale Entlastung geben. Insgesamt soll das Volumen dieser Maßnahmen im kommenden Jahr 617 Millionen Euro ausmachen.

Die kalte Progression ist eine Folge der Ausgestaltung des Steuersystems, wonach Menschen, die mehr verdienen, einen höhern Beitrag für den Staat leisten sollen. Deshalb existieren Stufen in der Einkommenssteuer. In Österreich wurden die Stufen bisher nicht automatisch an die Inflation angepasst. Eine Folge davon: Steigen die Einkommen, führt das zu keinem Kaufkraftzuwachs, wenn damit nur die höhere Inflation abgegolten wird. Allerdings kann es passieren, dass dieses Einkommen trotzdem stärker besteuert wird, weil ein größerer Teil des Gehalts nun in eine höhere Steuerstufe fällt. Eine höhere Steuerlast ohne Kaufkraftsteigerung: Das ist die kalte Progression.

Formel für Entlastung

Um das zu ändern, werden die Steuertarife ab 2023 an die Inflation angepasst. Die relevante Inflationsrate ist jene aus dem Vorjahr. Für das kommende Jahr ist das die Periode Juni 2021 bis Juni 2022. Bereits paktiert hatte die Koalition, dass zwei Drittel der Anpassung automatisch erfolgen sollen. Die Grenzen der Steuerstufen werden also um zwei Drittel des Inflationswerts angehoben. Für das letzte Drittel braucht es allerdings laut dem noch nicht beschlossenen Gesetz einen Ministerratsbeschluss bis zum 15. September. Dieser Beschluss soll nun morgen, Mittwoch, erfolgen.

Vorgesehen ist, die untersten beiden Tarifstufen, die bis zu einem Jahreseinkommen von 31.000 Euro greifen, in der Einkommenssteuer etwas stärker anzuheben, als das dem errechneten Inflationswert entsprechen würde. Hier wird also nicht nur die kalte Progression abgegolten, sondern etwas mehr entlastet. Allerdings profitieren von dieser Maßnahme auch Menschen mit hohen Einkommen: eben bis zu jenem Teil ihres Gehalts, der den 31.000 Euro entspricht.

Absetzbeträge steigen

Hinzu kommt, dass Absetzbeträge mit Umfang der Inflation erhöht werden: Das betrifft den Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, Verkehrsabsetzbeträge und Pensionistenabsetzbeträge. Diese Absetzbeträge stehen den Menschen in Form einer Gutschrift auch dann zu, wenn sie so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass die Abschaffung der kalten Progression sozial treffsicherer werde, sagte der grüne Budgetsprecher Jakob Schwarz.

Insgesamt macht die Abschaffung der kalten Progression im kommenden Jahr 1,85 Milliarden Euro aus. 1,23 Milliarden Euro kostet den Staat das automatische Ende der schleichenden Steuererhöhungen. Die erwähnten 617 Millionen komplementieren diesen Betrag. Beschlossen werden soll das nötige Gesetz im Oktober im Nationalrat. (András Szigetvari, 13.09.2022)

VIDEO: Die Regierung hat ein Entlastungspaket vorgestellt. Unter anderem soll die kalte Progression abgeschafft werden. Was das genau heißt und was es dir persönlich bringt, erklären wir in zwei Minuten.

DER STANDARD