Die Rückhand ist solide, die Vorhand eine Waffe. Julia Grabher hat eine neue Phase in ihrer Tenniskarriere erreicht.

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Für ihren Beruf als Tennisprofi reist Julia Grabher um die Welt. Im vergangenen Jänner reiste sie via Dubai nach Melbourne, im August reiste sie nach New York, am Montag reiste sie von Bari nach Bukarest. Trotzdem sagt Julia Grabher: "Meine Reise startet jetzt."

Am Sonntag feierte die 26-Jährige den größten Erfolg ihrer Karriere. In Italien gewann sie ein Turnier der Profitour WTA. Damit verbesserte sie sich in der Weltrangliste auf Platz 97. So gut platziert war Österreich zuletzt vor mehr als siebeneinhalb Jahren durch Yvonne Meusburger. "Seit ich ein Teenager war, war mein Ziel, in die Top 100 der Welt zu kommen", sagt Grabher dem STANDARD. "Das ist für mich ein Meilenstein."

Dem Gemetzel entkommen

Ihr Ranking wird Grabher in Zukunft ermöglichen, bei größeren Turnieren anzutreten. Die Liga, in der sie bisher aufschlug, funktioniert wie ein Trichter. Woche für Woche kommt es auf Tennisplätzen in kleinen Städten und größeren Dörfern regelrecht zu einem sportlichen Gemetzel. Nur wenige Spielerinnen schaffen den Sprung in die Top-Liga. "Das ist eine harte Auslese", sagt Grabher. Seit Ende 2014 bestreitet sie internationale Turniere. Die Spielorte hießen nicht Miami oder Wimbledon, die Spielorte hießen Curitiba, Koper, San Bartolome de Tirajana. "Jede versucht aus diesem Bereich rauszukommen. Ich bin sehr glücklich, dass mir das gelungen ist", sagt Grabher. "Jetzt kann ich durchstarten."

Es ist wohlgemerkt eher die Ausnahme, dass Grabher im Singular spricht. Über die vergangenen Monate sagt sie: "Wir haben uns stark verbessert." Wenn sie über die Vorbereitung auf ein Match spricht, sagt sie: "Wir legen uns eine Taktik zurecht, wie wir spielen wollen." Günter Bresnik ist ihr Trainer. Grabher ist Vorarlbergerin, für die Karriere verlegte sie ihren Trainingsstützpunkt aber in Bresniks Akademie in der Südstadt.

Meist schaut sich Bresnik die Matches aus der Ferne an, Grabher telefoniert häufig mit ihm. Zu den Turnieren begleitet sie ihr Bruder Alex, zuletzt auch Philipp Lang, der in Bresniks Akademie arbeitet. Die Aufgabe der Touring Coaches ist, die Gegnerinnen zu sichten. In Absprache mit Bresnik setzen sie Schwerpunkte im Training, entwerfen einen Matchplan. Das System, findet Grabher, "klappt richtig gut".

Ihr Spiel basiert auf einer flotten Vorhand, mit der sie Ballwechsel dominiert. Sie umläuft dafür gerne die Rückhand – dank guter Beinarbeit kein Problem. Beim Aufschlag, sagt Grabher, spüre sie inzwischen einen größeren Vorteil als noch vor ein paar Monaten.

Die Tennisweltrangliste sieht vor, dass alle Ergebnisse nach einem Jahr aus der Wertung fallen. Grabher hat in den vergangenen zwölf Monaten 655 Punkte gesammelt. Bis zum Ende des Jahres fallen ihr gerade einmal 60 Punkte aus der Wertung, also weniger als zehn Prozent der Gesamtpunkte. Damit stehen die Chancen gut, dass sie zumindest bis zum Jahresbeginn 2023 in den Top 100 bleibt. Es wäre keine Überraschung, könnte sie gar ihre Platzierung weiter verbessern.

Spaß am Beruf

Damit scheint ein Antreten im Hauptfeld der Australian Open im Jänner fast sicher. Es wäre ihr Debüt bei einem Grand Slam. Das zahlt sich aus: Selbst für eine Erstrundenniederlage kassierten Spielerinnen in diesem Jahr in Melbourne rund 70.000 Euro. Reicht das Ranking gar für die Teilnahme an allen vier Grand Slams des Jahres, ist die Tennissaison locker durchfinanziert. Grabher: "Ich schätze das Leben als Tennisprofi sehr. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und tue jeden Tag das, was mir am meisten Spaß macht."

Grabher will sich in den Top 100 etablieren, im Ranking "weiter nach oben klettern". Man muss sagen: Mehr als 80 Prozent ihrer Punkte kommen von Erfolgen auf Sand. Das Profitennis findet auf seiner höchsten Ebene allerdings großteils auf Hartplätzen statt. Da wird sich Grabher noch steigern müssen. Die rezenten Erfolge geben Selbstvertrauen. "Ich habe Motivation getankt. Ich weiß, ich kann Top-Spielerinnen schlagen – jederzeit." (Lukas Zahrer, 14.9.2022)