Bei dieser Kreuzung Schottenring/Wipplingerstraße hat sich der tödliche Unfall ereignet. Der Unfalllenker war bei Rot über die Kreuzung bei der Börse gerast.

Foto: Philip Bauer

Das Straßenrennen am Sonntagabend auf der Wiener Ringstraße hat nur wenige Sekunden gedauert. Es endete mit verheerenden Folgen. Ein 26-jähriger Autolenker raste laut Polizei von der Kreuzung Schottengasse/Schottenring kommend bei Rot über die nächste Ampel bei der Wipplingerstraße und schoss den Wagen einer unbeteiligten 48-Jährigen ab, die die Ringstraße queren wollte. Die Frau wurde in ihrem schwer demolierten Fahrzeug eingeklemmt und überlebte den Unfall nicht.

Bei seiner Einvernahme vor der Polizei bestritt der 26-jährige Unfalllenker, dass es ein Wettrennen gegeben habe. "Er sagt, dass er auch nicht zu schnell gefahren ist", sagte Polizeisprecher Markus Dittrich dem STANDARD. Mit welcher Höchstgeschwindigkeit der Syrer, der einen belgischen Führerschein besitzt und dort gemeldet ist, im Mercedes über den Ring gebrettert ist, ist noch Gegenstand von Ermittlungen.

Es gibt aber ein Video, das das mutmaßliche Straßenrennen samt Unfall aufgezeichnet hat. Aufgenommen wurde es aus einem Fahrzeug, das hinter den beiden PS-starken Boliden postiert war. Es zeigt den Mercedes des Syrers und den BMW eines 30-Jährigen, der laut Polizei in Wien wohnhaft ist. Auf dem Video ist ersichtlich, "dass die beiden Fahrzeuge deutlich schneller als die Autos dahinter weggefahren sind", wie Polizeisprecher Dittrich sagte. Das könnte auf ein illegales Rennen hindeuten.

Als Tourist in Wien

Der 26-Jährige wurde noch am Unfallort festgenommen und in eine Justizanstalt gebracht. Gegen ihn wird vorläufig wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr ermittelt. Bei seiner Einvernahme gab er an, dass er aus Belgien kommend mit seinem Auto auf Sightseeing-Trip unterwegs sei. Vor Wien habe er auch schon andere Länder mit seinem Mercedes besucht.

Der Lenker des zweiten Fahrzeugs, das am Rennen beteiligt war, wird aktuell von der Polizei als Zeuge geführt. Er wird laut Polizeisprecher Dittrich in den kommenden Tagen einvernommen.

Rücksichtslose Verkehrsrowdys bereiten der Polizei in Wien jedenfalls schon seit längerem Kopfzerbrechen: Bei der Roadrunner-Szene geht es um illegale Straßenrennen, Drifts, Lärm und Abgase sowie gefährliche Manöver. Betroffen sind etwa das Areal beim Kahlenberg, die Triester Straße, Oberlaa oder der Gewerbepark Kagran.

Härtere Maßnahmen gegen Verkehrsrowdys

Um österreichweit härter gegen extreme Raserei vorgehen zu können, hat die türkis-grüne Bundesregierung zuletzt Maßnahmen verschärft. Vor einem Jahr, am 1. September 2021, trat der erste Teil des Raser-Pakets in Kraft: Die Höchststrafe für extremes Rasen wurde auf 5000 Euro festgelegt, die Mindestentzugsdauer des Führerscheins auf vier Wochen verdoppelt. Außerdem wurde die "Beteiligung an unerlaubten Straßenrennen" im Führerscheingesetz hervorgehoben: Diese wird als besonders gefährliches Verhalten eingestuft und hat einen Führerscheinentzug von sechs Monaten zur Folge.

Am 14. Mai 2022 folgte der zweite Teil des Raser-Pakets: Die Höchststrafe für extreme Verkehrsrowdys und Wiederholungstäter wurde erneut auf nun 10.000 Euro verdoppelt. Bei gefährlichem Verhalten (Drifts, enorme Anfahrbeschleunigungen oder Kreiseln) können Fahrzeuge für bis zu 72 Stunden aus dem Verkehr gezogen werden: Um Fahrzeugschlüssel sowie Kennzeichentafeln abzunehmen oder technische Sperren beim Auto anzulegen, reicht seither die Wahrnehmung der Beamten aus. Das gilt auch bei illegalen Umbauten am Auto, die für laute Fehlzündungen sorgen: Hier können ebenfalls Zulassungsscheine und Kennzeichentafeln abgenommen werden.

Dritter Teil des Raser-Pakets fehlt noch

Noch fehlt aber ein Kernstück der Maßnahmen: Extremen Rasern und Wiederholungstätern sollen künftig ihre Boliden polizeilich abgenommen werden können. Dieses Ziel hat Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) bereits öfter erwähnt, an der konkreten Ausgestaltung haperte es aber noch.

Laut ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger gibt es aber "den politischen Willen in der Koalition, das auch umzusetzen", wie er am Dienstag dem STANDARD sagte. Ein finaler Gesetzesentwurf soll "in den nächsten Wochen vorliegen und dann in Begutachtung geschickt werden". Weil man hier in das Eigentumsrecht eingreife, sei die Ausarbeitung komplizierter als gedacht.

Die Umsetzung wird von Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) bereits sehnlichst erwartet. "Es braucht ein klares Zeichen vom Gesetzgeber, dass solche Rennen in Wien und Österreich nicht toleriert werden. Ich frage mich schon, warum sich da nichts getan hat", sagt sie in Richtung Gewessler. Dringend gefragt sei die Möglichkeit, Fahrzeuge abzunehmen, und ein Straftatbestand nach dem Vorbild von Deutschland.

Allein heuer habe es bei gemeinsamen Kontrollen von Polizei und Stadt in der Raser-Szene mehr als 1000 Beanstandungen gesetzt. Das Problem: "Die Instrumente, die wir in der Hand halten, sind stumpf." Sie werde daher beim Treffen der Landesverkehrsreferenten mit der Ministerin am Dienstag Verschärfungen urgieren. (David Krutzler, Stefanie Rachbauer, 13.9.2022)