Es ist nahezu egal, welchen der beiden neuen Impfstoffe man für den vierten Stich bekommt, sagen Fachleute

Foto: IMAGO/NurPhoto/Nicolas Economou

Die kurze Antwort auf die Frage, welcher der neuen Impfstoffe besser für den vierten Stich ist, lautet: "Beide sind gut", sagt Dorothee von Laer, Virologin der Med-Uni Innsbruck. Es gebe keine wissenschaftlichen Daten, die für den einen oder den anderen Impfstoff sprechen.

Die längere Antwort ist komplizierter. Manche überlegen, auf den BA.4/BA.5-Impfstoff zu warten, weil diese die dominierenden Varianten sind. Doch ist BA.5 näher mit dem Ursprungsvirus verwandt als BA.1. – und jeder Kontakt mit einem neuen Virustypus verbreitert den Schutz, erklärt von Laer: "Wer mit dem BA.1-Impfstoff impft, entwickelt womöglich eine breitere Immunantwort als mit BA.4/BA.5." Es gebe für beides Argumente, die aber nicht sonderlich schwer wiegen, sagt die Expertin.

"Man kann auf den BA.4/BA.5-Impfstoff warten, muss aber nicht", sagt auch der Virologe Christoph Steininger von der Med-Uni Wien. Mit Blick auf die steigenden Zahlen im Herbst sei es letztlich ein Lotteriespiel: "Gehe ich das Risiko ein, noch ein paar Wochen ohne optimalen Schutz zu warten?" Eine riskante Entscheidung, findet Steininger – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass der BA.4/BA.5-Impfstoff zwar etwas, "aber nicht dramatisch besser" gegen die dominierenden Omikron-Varianten wirke. Und selbst das wisse man nur aus dem Reagenzglas, klinische Studien fehlen bis dato. Auch die aktuell verfügbaren Impfstoffe würden sehr gut schützen, betont der Experte.

Unklarer Vorteil

"Die klinischen Studien würden ein Jahr lang dauern. Bis dahin könnten neue Varianten dominieren, der Impfstoff käme viel zu spät", erklärt Herwig Kollaritsch, Infektiologe und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. Wie groß der Vorteil des neuen Vakzins ist, sei demnach unklar: "Im schlechtesten Fall wirkt es so gut wie das ursprüngliche, denn diese Komponente ist ebenfalls noch enthalten."

Am Ende müsse man abwägen: Wie groß ist mein Risiko? "Wenn es hoch ist, würde ich nicht warten, das zahlt sich nicht aus", sagt Kollaritsch. Junge, gesunde Menschen könnten es sich hingegen womöglich leisten, es nicht auf die ein bis zwei Wochen Wartezeit ankommen zu lassen. "Aber Achtung: Bis die Impfung vollständig wirkt, vergehen bis zu zehn Tage mit Erkrankungsgefahr", erinnert Kollaritsch.

War man erst vor kurzem infiziert, könne man auf jeden Fall noch auf den neuen BA.4/BA.5-Impfstoff warten, wenn man das denn möchte. Sollte man sogar, sagt Virologin von Laer, weil die Antikörper nach einem Viruskontakt im Körper noch ein paar Monate nachreifen und sich dadurch verbessern: "Wer geimpft und infiziert war, kann locker sechs Monate bis zur nächsten Impfung warten."

Kurzum: Zum jetzigen Zeitpunkt sei es egal, welchen angepassten Impfstoff man bekommt, sagt von Laer. "Beziehungsweise ist es womöglich nicht völlig egal, aber das wissen wir noch nicht." (Jasmin Altrock, Magdalena Pötsch, 14.9.2022)