Der Diamant steckt bis heute in der Krone der verstorbenen Königsgemahlin Elizabeth Bowes-Lyon.

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Nach dem Tod der Queen häuften sich auf Twitter Nachrichten mit Bezug auf Elizabeth II. mit den Hashtags "ripqueenelizabeth", "queenelizabeth" oder "KingCharlesIII". In Indien allerdings lag nach dem Tod der Monarchin der Hashtag "Koh-i-Noor" im Trend. Viele Userinnen und User verwendeten ihn in ihrer Antwort auf die Beileidsbekundungen von Indiens Premierminister Narendra Modi in dem sozialen Netzwerk. Dessen Regierung hatte vor sechs Jahren noch gefordert, dass der Koh-i-Noor, ein Diamant im Besitz der britischen Krone, an Indien zurückgegeben wird.

2016 nannte das indische Kulturministerium den Diamanten ein "wertvolles Kunstwerk mit starken Wurzeln in Indien" und forderte, dass dieses "auf freundschaftliche Weise" zurückgeführt werde. Manche Fachleute schätzen den Wert des Steins auf 140 Millionen Euro, andere auf etwa 350 Millionen, und wiederum andere behaupten, er sei aufgrund seiner Geschichte unbezahlbar.

Das Vereinigte Königreich behauptet, der Diamant sei ein Geschenk des damaligen Maharadschas Duleep Singh gewesen. Man sehe deshalb keine rechtlichen Gründe für die Rückführung des Edelsteins. Doch nicht nur Indien lehnt diese Erklärung ab, auch Pakistan und sogar die Taliban erheben Anspruch auf den Stein. Denn der Koh-i-Noor hatte eine lange Reise, bevor er Teil der britischen Kronjuwelen wurde.

Der Fluch des Koh-i-Noor

Historikerinnen und Historiker vermuten, dass der Stein mit 191 Karat (38,2 Gramm) zwischen 1100 und 1300 in Südindien entdeckt wurde. Erste offizielle Aufzeichnungen tauchen im 17. Jahrhundert auf. Der Diamant war ein Ornament im Pfauenthron des Großmoguls Shah Jahan – des Mannes, der den Taj Mahal bauen ließ. Als dessen Schätze unter dem persischen Schah Nader geplündert wurden, erhielt der Stein seinen heutigen Namen Koh-i-Noor, was auf Persisch "Berg des Lichts" bedeutet. Nader wurde wiederum getötet, was den Diamanten ins Afghanische Reich brachte. Als der spätere Herrscher der Afghanen in die Obhut des Maharadschas Ranjit Singh von Punjab kam, gelangte dieser in Besitz des Diamanten.

Nach dem Tod des Herrschers gab es einen jahrelangen blutigen Streit um die Herrschaft und um den berüchtigten Koh-i-Noor. Duleep Singh hatte als einziger der vier Nachkommen des Maharadschas überlebt und bestieg den Thron im Alter von fünf Jahren. Nach zwei Kriegen wurde Punjab 1849 von den Briten annektiert. Im Alter von elf Jahren wurde der damalige Regent gezwungen, den Koh-i-Noor durch einen Vertrag an Queen Victoria abzugeben.

Durch dessen blutige Geschichte verbreitete sich das Gerücht des Fluchs des Koh-i-Noor. Dieses wurde noch stärker geschürt, als das mit dem Diamanten beladene Schiff auf dem Weg nach England von Cholera und einem heftigen Sturm heimgesucht wurde. Seitdem ist der Koh-i-Noor ausschließlich im Besitz von Frauen, da er Männern Unheil verheißen soll.

Zweifel von Queen Victoria

Nun trifft die Briten an der Bedeutung des Koh-i-Noor eine Mitschuld. Der Diamant wurde bei der Weltausstellung 1851 in London gezeigt und als Errungenschaft des britischen Weltreichs präsentiert – dessen Verbrechen der Koh-i-Noor bis heute für viele symbolisiert. Doch der asymmetrische Stein ließ Besucherinnen und Besucher der Weltausstellung unbeeindruckt. Um dem Juwel mehr Glanz zu verleihen, ließ ihn Prince Albert schleifen. Danach hatte der Diamant nicht mehr 191, sondern nur noch 105,6 Karat.

Bereits Queen Victoria zweifelte an der Legitimität, den Diamanten zu tragen. In einem Brief an ihre Tochter schrieb sie, gegen die Einnahme anderer Länder zu sein. Über den Diamanten sagte sie: "Du weißt auch, wie ungern ich den Koh-i-Noor trage." Dennoch erhielt das Juwel nach ihrem Tod einen Platz in der Krone der Königsgemahlin Alexandra sowie in jener von Queen Mary, bis er in der Krone der damaligen Königsgemahlin Elizabeth Bowes-Lyon, der Mutter von Queen Elizabeth II., landete.

Zur Krönung der Queen forderte Indien zum zweiten Mal die Rückgabe des Koh-i-Noor.
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Streit um Besitz

Bereits als Indien 1947 seine Unabhängigkeit erreichte, verlangte das Land die Restitution des Diamanten. Eine zweite Anfrage folgte im Jahr 1953, dem Jahr der Krönung von Queen Elizabeth II., bei der ihre Mutter den Diamanten trug. Die britische Regierung behauptete, eine Rückführung des Koh-i-Noor stehe nicht zur Debatte. Auch Forderungen in den Jahren 2000, 2010 und 2016 wurden von Großbritannien zurückgewiesen. 2010 sagte der damalige Premier David Cameron in einem TV-Interview, dass Großbritannien den Diamanten nicht zurückgeben könne. Seine Begründung: "Wenn Sie eine [Anfrage] bejahen, werden sie auf einmal sehen, dass das Britische Museum leer ist."

Auch die Taliban erhoben 2000 Anspruch auf den Diamanten, da sich dieser einst auch im Besitz der afghanischen Monarchie befand. Pakistan beruft sich wiederum auf den Maharadscha, dessen Sitz sich in Lahore im heutigen Pakistan befand. Auch diese Forderungen änderten nichts an der Haltung des Vereinigten Königreichs. Mit dem Tod der Queen wird das Juwel wahrscheinlich in den Besitz der Königsgemahlin Camilla übergehen, aber weiterhin im Tower of London ausgestellt werden.

Der Diamant wäre nicht der erste Gegenstand, der aus einem britischen Museum zurückgeführt wird. Im August entschied ein Museum in Glasgow, sieben gestohlene Artefakte an Indien zurückzugeben. Duncan Dornan, Leiter der Glasgower Museen, sagte, dass die Repatriation ein Weg sei, um "neue und stärkere Beziehungen aufzubauen". (Isadora Wallnöfer, 14.9.2022)