Seidl selbst reagierte nicht mit einer Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen.

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Wien – Mehrere anonym bleibende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ulrich Seidl, die in Rumänien am Set von dessen jüngstem Film "Sparta" dabei waren, erheben im "Falter" kurz vor der Weltpremiere in San Sebastian neue Vorwürfe zu den Drehbedingungen. Sie berichten von einer gefährlichen Situation beim Dreh, der mangelhaften Versorgung eines kranken Kindes und bestätigen darüber hinaus die im "Spiegel" erhobenen Vorwürfe, dass die Kinder nicht über den genauen Inhalt des Spielfilms informiert worden seien.

So berichtet eine Übersetzerin, die 2018 und 2019 für "Sparta" am Filmset gearbeitet hat, dass sie ohne vorherige Ankündigung und ohne pädagogische Ausbildung auch die Betreuung der minderjährigen Laiendarsteller übernommen habe und plötzlich die einzige Bezugsperson gewesen sei.

Ein anderer Mitarbeiter schildert eine Situation, in der die Hauptfigur (gespielt von Georg Friedrich) mit sieben Kindern in ein Auto gestiegen sei, das in weiterer Folge "voll ins Schleudern" gekommen und gegen einen eisernen Torpfosten geknallt sei. Das Auto sei dabei beschädigt worden, die Insassen seien unverletzt geblieben. Ein Kollege habe zu ihm gemeint, dass es in Österreich "niemals möglich" wäre, solche Szenen zu drehen.

Unzureichende Kinderbetreuung

Einen ausgebildeten Kindercoach habe es nicht gegeben, es seien lediglich sporadisch zwei Kindergärtnerinnen anwesend gewesen, jedoch nur im Aufenthaltsraum, nicht am Set. Ein kranker Bub, der Fieber hatte, sei mangels einer Couch auf einen Kleiderhaufen gebettet worden, nach Hause sei er erst nach Stunden gebracht worden, da Seidl gesagt habe, man werde den Buben vielleicht noch brauchen.

Ein weiterer Informant berichtet, dass er vorzeitig aus dem Projekt ausgestiegen sei, als klar geworden sei, dass beim Casting bewusst nach Kindern aus zerrütteten Verhältnissen gesucht werden sollte. Er habe damals eine Anwältin in Rumänien kontaktiert, um die Kinder- und Jugendschutzhilfe zu informieren. Da damals weder Drehorte noch Cast feststanden, seien die Bemühungen jedoch versandet.

Keine Reaktion von Seidl

Namentlich genannt wird in dem Bericht nur der Ausstatter Andreas Donhauser, der die Vorwürfe zurückweist. Er habe keine schlechte Stimmung erlebt. "Die Kinder hatten viel Freiraum und eine Hetz", so Donhauser.

Seidl selbst reagierte gegenüber der Wochenzeitung nicht mit einer Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen, da es für ihn nicht möglich sei, "die Sachverhalte innerhalb eines so kurzen Zeit ausführlich zu berichtigen", wie es anlässlich der eingeräumten Frist von einem Tag im "Falter" heißt.

Koproduktionsfirma zieht sich aus Ayubs "Mond" zurück

Die Vorwürfe rund um die Dreharbeiten zu Ulrich Seidls Film "Sparta" haben auch Auswirkungen auf die junge Wiener Regisseurin Kurdwin Ayub und ihren nächsten Spielfilm "Mond". Eine "sehr berühmte deutsche Koproduktion" sei abgesprungen, sagte sie im FM4-Film-Podcast. Offenbar wolle man sich von der Ulrich Seidl Filmproduktion GmbH distanzieren, die den Film wie schon ihren bei der Berlinale ausgezeichneten und soeben in Österreich angelaufenen Debütspielfilm "Sonne" produziert.

Inzwischen ergänzte Ayub in einem Facebook-Posting jedoch, dass es immer noch zwei weitere Koproduktionsfirmen gebe, die den Film unterstützen möchten – im Radio habe sie ihre Gedanken emotional formuliert: "Man braucht sich keine Sorgen um mich machen. Ich wurde jetzt einfach von den Medien erwischt. Sie haben mich gefunden, gefressen und wieder ausgespuckt", so Ayub.

Ayub betonte, bei dem Dreh von "Sparta" nicht dabei gewesen zu sein. Seidl habe sie allerdings als "schüchternen Mann" kennengelernt, der eine Art Vaterfigur für sie sei. Er habe sie von Anfang an gefördert. Ohne ihn würde es "Sonne" nicht geben. Besorgt zeigte sie sich über die Zukunft der Ulrich Seidl Filmproduktion und der vielen selbstständigen Mitarbeiter, die vor dem Nichts stünden. (APA, red, 14.9.2022)