Der geplante Verkauf der Bolearis-Düngemittelsparte könnte womöglich noch mit juristischen Mitteln gestoppt werden.

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Wien – Vor mehr als drei Monaten hat die OMV-Tochter Borealis den Verkauf ihrer Düngemittelsparte an den tschechischen Agrofert-Konzern angekündigt. Der niederösterreichische Bauernbund sieht dadurch die Sicherheit der Lebensmittelversorgung in Österreich gefährdet und will den Deal auch mithilfe der europäischen Kartellwächter zu Fall bringen. Zur Unterstützung haben die Bauern den Verfassungsjuristen Heinz Mayer engagiert, der den Verkauf für unzulässig hält. Die Borealis will den Verkauf trotz des Widerstandes umsetzen, erklärte eine Unternehmenssprecherin am Mittwoch.

Es gehe bei dem Deal nicht nur um den Verkauf der Borealis-Düngemittelsparte, sondern auch der gesamten Adblue-Produktion, sagte der Obmann des niederösterreichischen Bauernbunds, Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP), am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Adblue wird zur Abgas-Nachbehandlung bei Dieselmotoren verwendet. "Alle reden von Versorgungssicherheit, und dann verkauft ein teilstaatliches Unternehmen ohne jede Not einen hochprofitablen Zweig, der die Versorgungssicherheit ganz Österreichs betrifft", so Pernkopf. Davon sei nicht nur die Lebensmittelproduktion betroffen, sondern auch die Logistikbranche.

Bauernbund kritisiert Marktkonzentration

Der Bauernbund habe deshalb bereits eine Berliner Anwaltskanzlei engagiert. "Die haben die Aufgabe, das vor den europäischen Kartellbehörden entsprechend zu bekämpfen." Nach dem geplanten Zusammenschluss hätte das fusionierte Unternehmen einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent", argumentierte Pernkopf, "was eindeutig einer marktbeherrschenden Stellung gleichkommen würde".

Die zweit-, dritt- und viertgrößten Produzenten – Eurochem, Ostchem und Uralchem – seien entweder in der Ukraine oder in Russland tätig, deren Produktion komme derzeit nicht auf den Markt. "Wir lehnen gerade aus diesen aktuellen Umständen jede weitere Konzentration wichtiger Marktteilnehmer ab", so Pernkopf. Alternative Angebote seien wegen der hohen Transportkosten de facto nicht verfügbar. "Der Preis von Düngemitteln und Adblue ist in den letzten ein, zwei Jahren um das Drei- bis Vierfache gestiegen."

Verfassungsjurist Mayer verweist auf öffentliches Interesse

"Die Realisierung des Verkaufs stünde auch im Gegensatz zur Bundesverfassung, in der sich die Republik zur Sicherung der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln bekennt", sagte Pernkopf und verwies auf ein Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer, der auf das ÖIAG-Gesetz verweist, an das die Mitglieder des Aufsichtsrates der Borealis-Mutter OMV gebunden seien. Sie müssten in diesem Fall öffentlichen Interessen den Vorzug geben vor dem Einzelinteresse des Unternehmens, weshalb der Verkauf unzulässig sei.

Schützenhilfe bekommen die Bauern auch vom langjährigen Böhler-Uddeholm-Chef und Ex-Nationalbankpräsidenten Claus Raidl. Er glaubt nicht, dass die Ertragskraft von Borealis geschmälert würde, sollte der Verkauf abgeblasen werden. Und selbst wenn das der Fall wäre, müsste das in Abwägung des öffentlichen Interesses in Kauf genommen werden.

Ursprünglich sei geplant gewesen, die Borealis-Düngersparte um 455 Millionen Euro an den russischen Eurochem-Konzern zu verkaufen, sagte Pernkopf. Nachdem dieser Verkauf aufgrund des Ukrainekrieges gestoppt wurde, habe Agrofert keine drei Monate später 810 Millionen Euro geboten. "Mein Umkehrschluss ist: Wäre dieser Käufer nicht auf die Sanktionsliste gekommen, hätten wir um 355 Millionen weniger verkauft." Heuer weise Borealis einen Halbjahresgewinn der Düngemittelsparte von 256 Millionen Euro aus. "Wenn man das hochrechnet, sind das 500 Millionen Jahresgewinn, das heißt, der jetzige Käufer hätte den Kaufpreis von 810 Millionen Euro in eineinhalb Jahren herinnen."

Broealis will trotzdem verkaufen

Die Borealis will den Verkauf trotz Widerstandes durchziehen. Das Stickstoffgeschäft gehöre nicht zu den Kernbereichen, erklärte das Unternehmen am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Man werde sich weiterhin auf die Bereiche recycelbare Kunststoffrohstoffe und Grundstoffe für die chemische Industrie konzentrieren. Der Verkauf an Agrofert werde im Laufe des zweiten Halbjahres abgeschlossen sein, bekräftigte der Hersteller von sogenannten Polyolefinen den Zeitplan. "Die Transaktion wurde bereits vor Wochen bei der Wettbewerbsbehörde angemeldet", sagte eine Sprecherin.

Die Vertreter der Landwirtschaft appellierten auch an die Staatsholding Öbag. Diese verweist in ihrer Reaktion aber darauf, dass Agrofert ein europäisches Unternehmen sei und "öffentlich und unmissverständlich eine Standortgarantie für Linz abgegeben" und sich dazu bekannt habe, weiter in die Zukunft des Werks zu investieren und somit auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Verantwortung für die Versorgungssicherheit sei in Form eines Pakets mit der oberösterreichischen Landespolitik vereinbart worden. "Der Standort Linz gehört zu den wettbewerbsfähigsten Produktionsstätten und wird dies im Agrofert-Konzern auch bleiben. Aus diesen Gründen kann die Öbag die vorgebrachten Argumente gegen den Verkauf nicht nachvollziehen, steht aber jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung", heißt es in einer Stellungnahme der Öbag.

Von der Standortgarantie der Tschechen für die Borealis-Produktion hält Raidl wenig und verweist auf seine eigene Erfahrung als Böhler-Uddeholm-Chef. "Es ist der Eigentümer natürlich in seinem nationalen Land mehr verbunden – der will dort keinen Streit mit den Gewerkschaften, da schließt er lieber Linz – als mit seinen ausländischen Akquisitionen."

Agrofert sei auch Eigentümer des deutschen Düngemittel- und Adblue-Produzenten SKW in Sachsen-Anhalt und habe das Werk dort stillgelegt, sagte Pernkopf. Man würde sich also durch den geplante Verkauf an die Tschechen abhängig und erpressbar machen. (APA, red, 14.9.2022)