Diverse renommierte US-Universitäten ließen sich ihre Klimawandelforschung jahrzehntelang von der Fossilindustrie sponsern.

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Der Vorwurf ist nicht neu: Akademische Forschung zum Klimawandel sei gerade in den USA jahrzehntelang von fossilen Energiekonzernen gesponsert worden. Dadurch seien die Auswirkungen von übermäßigem CO2-Ausstoß auf die Klimaerwärmung zunächst kleingeredet und Technologien wie das Einfangen und Speichern von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture Storage) als Lösung etabliert worden, die letztlich wieder den etablierten Energiekonzernen und ihren Geschäftsmodellen zugutekommen.

Die in den vergangenen Jahren etwa von der Harvarder Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes angestoßene Diskussion, in der die Forscherin Parallelen zum Vorgehen der Tabakindustrie in den 1950er-Jahren zieht, bekommt nun neue Nahrung. In einem Bericht des britischen Medizinjournals "The BMJ" zeigt der nicht ganz unumstrittene Journalist Paul Thacker auf, wie an US-Eliteuniversitäten wie Princeton, Stanford und dem MIT ab der Jahrtausendwende Forschungszentren zum Thema Klimaerwärmung installiert wurden.

Zig Millionen Dollar für US-Universitäten

Das Problem dabei: Sie wurden mit zig Millionen Dollar von Energiefirmen gesponsert. So auch eines der ersten großen Studienprogramme einer US-amerikanischen Universität zum Thema Klimawandel in Princeton. Als Geldgeber fungierten das britische Energieunternehmen BP und der Autohersteller Ford, die zusammen 20 Millionen US-Dollar zur Verfügung stellten. Die Verbindungen der Eliteuniversität zur Fossilindustrie sind bis zum heutigen Tag stark. Erst vor zwei Jahren wurde eine lukrative Partnerschaft der Universität Princeton mit dem Ölkonzern Exxon Mobil erweitert.

Fracking ist auf der ganzen Welt umstritten. In den USA soll Präsident Barack Obama von einer MIT-Studie beeinflusst worden sein.
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Thacker nennt mehrere Beispiele, wie die Öl- und Gaskonzerne die Forschung und in weiterer Folge die politische und öffentliche Meinung beeinflussten. Das vergleichsweise gute Image von Erdgas und dessen Rolle als "Brückentechnologie", um von klimaschädlicher Kohle wegzukommen, führt der Journalist unter anderem auf eine vielbeachtete Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zurück, die im Rahmen des Forschungsprogramms "Energy Initiative" im Jahr 2011 publiziert wurde.

Wie Gas zur "grünen" Energie wurde

Der interdisziplinäre Beitrag habe wissenschaftliche Bedenken hinsichtlich der Klimaschädlichkeit von Erdgas – etwa aufgrund von Methanlecks – weggewischt und den fossilen Energieträger auch in der öffentlichen Debatte als "grüne" Alternative zu Kohle etabliert. Ein Jahr später habe US-Präsident Barack Obama in seiner State-of-the-Union-Rede den Bericht namentlich zitiert. Unter dem neu ernannten Energieminister Ernest Moniz, der zuvor am MIT die Studie verantwortet hatte, sei schließlich die höchst umstrittene Gasgewinnung mittels Fracking in den USA gefördert worden.

Dass die Energiekonzerne jahrzehntelang daran arbeiteten, Erdgas als "natural gas" – also natürliches Gas – in einem grüneren Licht erscheinen zu lassen, ist kein Geheimnis. Auf diesen Marketingtrick hat zuvor auch bereits Historikerin Oreskes hingewiesen. Sowohl Moniz als auch das MIT stehen heute weiterhin hinter dem fast 300-seitigen Bericht. Eine Unvereinbarkeit bzw. Intransparenz orten sie nicht, auch wenn laut Thacker einer der Hauptgeldgeber für den Bericht eine Non-Profit-Organisation war, die mit Finanzmitteln eines Erdgaskonzerns ins Leben gerufen wurde.

Umstrittenes Carbon-Capturing

Als weiteres Beispiel für den Einfluss der Fossilindustrie in der Forschung wird Carbon-Capturing, also das Sammeln und Speichern von klimaschädlichem CO2 in der Erde, genannt. Auch wenn die Technologie mittlerweile relativ ausgereift erscheint und daher vielerorts als Beitrag zum Klimaschutz verbucht wird, gehen die Forschungsursprünge laut dem Bericht in "The BMJ" zu einem Großteil auf Forschungsinitiativen der Fossilindustrie zurück, die das Thema bereits seit den 1980er-Jahren bearbeiten.

Auch die Stanford University steht in der Kritik.
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Unter den kritisierten Universitäten, die sich mithilfe von Sponsorgeldern der Öl- und Gaskonzerne dem Thema widmeten, befindet sich neben Berkeley auch die renommierte Stanford University. Das Forschungsprogramm "The Global Climate and Energy Project", das sich wie Berkeley ebenfalls prominent mit Carbon-Capture-Methoden befasste, wurde 2019 zwar nach 17 Jahren beendet. Die Liste der Gründungssponsoren und aktuellen Gönnern zeichnet aber ein zumindest zweifelhaftes Bild: Darunter waren neben Exxon Mobil, Toyota, dem Chemieunternehmen Du Pont und General Electric auch die Konzerne Chevron und Shell.

Auch wenn einige Vorzüge der Technologie unbestritten sind, gilt die wirtschaftliche Rentabilität weiterhin als zweifelhaft. Kritische Stimmen bemängeln zudem, dass das Speichern von CO2 im Boden von Energiekonzernen als Freibrief missbraucht werden könnte, um die Verwendung fossiler Energie nicht einschränken zu müssen. Auch wird die Methode bereits von der Fossilindustrie angewandt, um schwer förderbares Öl leichter an die Oberfläche zu bekommen, was ebenfalls dem Gedanken widerspricht, auf erneuerbare Energie umzusteigen und die Produktion von zusätzlichem CO2 einzuschränken.

Studierende begehren auf

Dem Bericht zufolge sind die engen Verbindungen zwischen renommierten US-Forschungseinrichtungen und Öl- und Gaskonzernen aber nicht mehr nur Klimaschützerinnen und investigativen Journalisten ein Dorn im Auge. Studierende, aber auch Lehrbeauftragte drängen vielerorts mit Nachdruck darauf, dass entsprechende Programme zur Erforschung des Klimawandels nicht mehr von der Fossilindustrie gesponsert werden dürfen.

In Stanford etwa veröffentlichten bereits im Vorjahr hunderte Studierende, Lehrbeauftragte sowie Forschende einen offenen Brief bzw. schlossen sich in der Vereinigung "Fossil Free Stanford" zusammen. Die Gruppe fordert, dass die Universität bei ihrer auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichteten Einrichtung "The School of Sustainability and Climate" ganz auf Gelder der Fossilindustrie verzichtet. Stanford selber verwies darauf, dass man unvoreingenommener Forschung verpflichtet sei und die besagte "School of Sustainability" zusammen mit der Industrie Lösungen für den Klimawandel erarbeite. (Martin Stepanek, 15.9.2022)