Kaum war die "Bombe" des US-Geheimdienstes geplatzt, trat Lega-Chef Matteo Salvini die Flucht nach vorn an: Er werde alle, die der Lega unterstellten, Geld aus Moskau entgegengenommen zu haben, mit Klagen überhäufen. "Ich habe nie nach Geldern gefragt oder welche erhalten, keine Rubel, Euro, Dinare oder Dollar aus Russland!" Es sei schon komisch, dass jedes Mal zehn Tage vor den Wahlen solche Fake-News verbreitet würden.

Anlass für Salvinis Ärger ist ein US-Geheimdienstbericht, wonach Moskau seit 2014 heimlich mindestens 300 Millionen Dollar an ausländische Parteien, Politiker und Thinktanks überwiesen habe. Das Ziel: den Westen spalten, die Sanktionsfront aufbrechen.
Dass sich gerade Salvini aufregt, erstaunt nicht: Er ist ein großer Bewunderer von Wladimir Putin, und seine Partei steht schon länger im Verdacht, vom Kreml heimlich finanziert zu werden. 2017 hatte die rechtspopulistische Lega mit Putins Partei Einiges Russland einen Kooperationsvertrag geschlossen. Ein Jahr später wurde ein Vertrauter Salvinis in Moskau abgehört, als er mit zwei weiteren Italienern und drei Russen über einen Gas-Deal verhandelte, bei dem – so der Verdacht – 65 Millionen Dollar für die Lega abgezweigt werden sollten. Das Geschäft kam nicht zustande, aber die Ermittlungen sind noch im Gang.
Problematischer "amico"
Die Lega ist nicht die einzige Partei in Italien, die lange Zeit ein inniges Verhältnis zu Putin pflegte. Ex-Premier Silvio Berlusconi verbindet mit dem "Zaren" seit Jahren eine persönliche Freundschaft – und es fällt ihm bis heute schwer, sich von seinem "amico" zu distanzieren.
Aber auch die Fünf-Sterne-Bewegung von Giuseppe Conte hat ein ambivalentes Verhältnis zu Moskau: 2020 wollten die "Grillini" mit der Putin-Partei ein ähnliches Abkommen schließen. Parteigründer Beppe Grillo, dem ein Faible für Autokraten nachgesagt wird, war auch regelmäßig Gast in Russlands Propagandasender Russia Today.
Enrico Letta, Chef der Sozialdemokraten (PD), forderte umgehend die Intervention des parlamentarischen Ausschusses für die nationale Sicherheit: "Die italienischen Bürgerinnen und Bürger müssen noch vor den Wahlen erfahren, welche Parteien von einer ausländischen Macht finanziert worden sind, die Europa feindlich gegenübersteht."
Guido Crosetto von den postfaschistischen Fratelli d’Italia – der Partei von Wahlfavoritin Giorgia Meloni – schloss sich der Forderung an: Er verlangte "maximale Transparenz" und erklärte auf Twitter, dass es einem "Hochverrat" gleichkäme, wenn sich italienische Parteien oder Politiker von Putin hätten finanzieren lassen.

Möglicherweise hat sich Crosetto zu weit aus dem Fenster gelehnt. Denn laut dem früheren US-Botschafter bei der Nato Kurt Douglas Volker haben womöglich auch die Fratelli Geld aus Moskau bekommen. "Ich habe zwar keine Beweise", sagte er der Zeitung Repubblica, "aber bei uns ist es zu einem Refrain geworden, dass sie in irgendeiner Weise unterstützt wurden."
Die Aussage des US-Diplomaten ist überraschend, weil Meloni die vom scheidenden Regierungschef Mario Draghi formulierte Politik der Unterstützung der Ukraine und der Sanktionen bisher unterstützt hat – ganz im Unterschied zu Salvini, Berlusconi und Conte, die Draghi Ende Juli nicht zuletzt wegen dessen kompromissloser Haltung gegenüber Moskau gestürzt hatten. Meloni will indes Volker und die Repubblica klagen: "Alle unsere Finanzierungsformen sind verifizierbar; ich bin sicher, dass Fratelli d’Italia kein Geld von Ausländern entgegennimmt."
Fest steht, dass Meloni im Fall eines Wahlsieges mit den beiden Putin-Freunden Salvini und Berlusconi regieren würde – ein Wahlausgang, der dem Kreml sehr genehm wäre. (Dominik Straub aus Rom, 15.9.2022)