Ozzy Osbourne hat zur Belohnung für sein neues Album neue Fingerfarben gekriegt. Da freut er sich.

Foto: Sony Music

Von Henry Rollins sind viele knackige Sprüche überliefert. Einer landete auf tausenden T-Shirts, der geht so: "You can only trust yourself and the first six Black Sabbath albums."

In der Einschätzung mag man dem Musiker, Spoken-Word-Künstler und Black-Sabbath-Fan Rollins zustimmen oder nicht, der Satz transportiert aber einen konfessionellen Zugang zur Musik der britischen Band; und tatsächlich wird ihre globale Fangemeinde gerne als Orden bezeichnet und verhält sich demgemäß: Entweder man glaubt daran oder man wird dran glauben.

Zeremonienmeister O.O.
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Der Ursprung dieser an sich gottlosen Gemeinschaft liegt darin begründet, dass Black Sabbath als Erfinder des Heavy Metal gelten – trotz aller Unschärfen dieser Zuschreibung, denn natürlich hat das Fach mehrere Väter.

Die Band war bei ihrem Auftauchen 1970 so etwas wie das Gegengift zu den Hippies. Tod und Verderben statt All You Need Is Love, auf den Kopf gestellte Kreuze statt Peace-Zeichen. Als Sänger Ozzy Osbourne auf dem ersten Sabbath-Album seine Stimme erhob, klang es, als öffneten sich drüben auf dem Friedhof gerade die Pforten der Hölle. Geil.

Dieser Mythos hält sich bis heute, genährt von der Vermarktung des nunmehr 73-Jährigen.

Ein Giftschrank auf zwei Beinen

Doch der als Fürst der Finsternis gehandelte Sänger ist vom Leben gezeichnet, schließlich hat er neben einer männlichen eine tatsächlich toxische Vergangenheit. Es gab Zeiten, da war der Mann ein Giftschrank auf zwei Beinen, sogar eine Line Ameisen soll er geschnupft haben, wobei sich das im Unterschied zu anderen von ihm inhalierten Substanzen wie ein Fitnessteller ausnimmt. Heute schluckt er Medikamente zur Linderung diverser Erkrankungen, allen voran Parkinson.

Diese vor zwei Jahren von ihm öffentlich gemachte Information für die Fans hält ihn aber nicht von der Arbeit ab: Eben ist Patient Number 9 erschienen .Der Titel des Albums liest sich nicht zufällig selbstironisch, kommt zwischen den Polen Siechtum und Wahnsinn zum Liegen. Und obwohl die Musik standesgemäß rockt, ist sie längst egal.

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Zwar schadet es nicht, dass Gäste wie Jeff Beck, Eric Clapton, Mike McCready, Wegbegleiter Zakk Wylde oder der alte Sabbathist Tony Iommi mit ihren Äxten anrückten und Riffs wie Pfähle in die Songs rammen. Und Ozzy beschwört dazu im Gruseltenor die dunklen Mächte. Alles wie immer, doch neue Erkenntnisse wird ein neues Osbourne-Album nicht bringen. Aber den Fans reicht schon ein Lebenszeichen, um zu vergehen. Und davon bietet das Album doch einige, darunter schwarze Perlen wie Immortal, Mr. Darkness oder Nothing Feels Right – lauter heitere Elogen auf das Schattenreich.

Ozzfest und "The Osbournes"

Osbourne ist seit den 1990er-Jahren und der damaligen Etablierung eines alternativen Mainstreams ein Unantastbarer weit über die Grenzen des Metal-Genres hinaus geworden. Das von ihm und seiner Frau begründete Ozzfest wurde zum Mekka alter und neuer Metallurgen, und nicht einmal die rufschädigende Reality-Soap The Osbournes in den Nullern erschütterte die Gemeinde, im Gegenteil.

Ozzys tattrige Alltagsuntauglichkeit wirkte wie eine Fortführung der Beavis & Butthead-Idee mit real existierenden Personen: ein Blockbuster für die Couch.

Ozzy ist Ozzy – das genügt

John Michael Osbourne aus Birmingham ist ein Überlebender. Einer, der, gleich einer populären Comic-Figur, immer schon da war und mit seiner Frau Sharon eine belastbare Gefährtin hat, die ihm an der fließenden Grenze zwischen Privat- und Berufsleben zur Seite steht. Sie vermarktet die Marke Ozzy. Die von ihm auf dem ersten Black-Sabbath-Album formulierte Verheißung Evil Woman hat sich für ihn nicht bestätigt, ohne Sharon wäre der Mann wahrscheinlich längst Geschichte. Denn es muss Ozzy gut gehen, damit er auf der Bühne böse sein kann.

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Dass er dort längst auch mit der Karikatur seiner selbst spielt, ist publikumsseitig kein Problem. Seine Songs sind mehreren Generationen von Fans ins Gedächtnis eingeschrieben – zumindest jene von Black Sabbath. Patient Number 9 kommt da nicht heran, schlecht ist es nicht. Ozzy ist immer noch Ozzy, lautet die Botschaft, das genügt.

Dass er sich am Ende des Albums mit dem Ende befasst, ist nicht neu, erfährt aber angesichts seiner Vita eine gewisse Bedeutungsschwere: God Only Knows singt er, bevor er im letzten Song, Darkside Blues, tatsächlich einen solchen spielt. Zur akustischen Gitarre pfeift er sogar durch die Mundharmonika. So wie am Beginn seiner Karriere. Der Lacher, der ihm am Schluss des Lieds entfährt, klingt wie ein Resümee: Was für ein Ritt! (Karl Fluch, 15.9.2022)