Roger Federer sagt Adieu.

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20 Grand Slam-Siege, 20 mal einen großen Pokal für Federer.

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Wimbledon war sein Wohnzimmer: Unglaubliche acht Titel feierte Federer dort.

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Basel – Mit einer großen Liebeserklärung hat Roger Federer Abschied von seiner einzigartigen Karriere genommen. "Zum Schluss, an das Tennisspiel: Ich liebe dich und werde dich nie verlassen", schrieb der Schweizer Superstar ans Ende seiner Rücktrittserklärung, die am Donnerstag viele Sportfans weit über die Tenniswelt hinaus bewegte.

Mit 41 Jahren beugt sich der für 310 Wochen Weltranglisten-Erste nun doch seinem geschundenen Körper. "Ich muss erkennen, wenn es Zeit ist, meine Profi-Laufbahn zu beenden", ließ Federer wissen. Der Laver Cup in London kommende Woche soll sein letzter Einsatz auf der ATP-Tour werden.

20 Grand-Slam-Titel und insgesamt 103 Einzel-Titel hat Federer gewonnen, mehr als 1.500 Matches bestritten und mehr als 130 Millionen Dollar allein an Preisgeld eingespielt. Er war 2008 in Peking Olympiasieger im Doppel und holte mit der Schweiz 2014 den Davis Cup. "Ich will allen in der Welt danken, die die Träume eines Schweizer Balljungen wahr werden ließen", schrieb Federer, der nur ein Ziel in seiner schier endlosen Erfolgsliste nicht realisiert hat: einen Einzel-Olympiasieg.

Seine Entscheidung kommt nur wenige Tage nach dem Ende der US Open, bei denen mit Serena Williams (40) eine weitere Ikone des gelben Filzballs wohl ihr letztes Match bestritten haben dürfte – eine Zeitenwende für das Tennis. Über vier emotionale Seiten hinweg dankte Federer Freunden, Weggefährten und Fans für eine Zeit, die er als so "magisch" empfunden hat, "dass es sich anfühlt, als hätte ich schon ein ganzes Leben gelebt".

Seine wohlkomponierten Abschiedsworte wurden innerhalb weniger Minuten hunderttausendfach im Internet angeschaut, geteilt, kommentiert. Der neue Weltranglisten-Erste Carlos Alcaraz, mit seinen 19 Jahren nur halb so alt wie das Idol, twitterte nur: "Roger..." und ein gebrochenes Herz.

Lange hatte der Tennis-Maestro um ein erneutes Comeback gekämpft. Im August des Vorjahrs war er zum dritten Mal am rechten Knie operiert worden. Zuletzt stand er beim Viertelfinal-Aus in Wimbledon im Juli 2021 bei einem Match auf dem Tennisplatz. "Ich kenne die Möglichkeiten und Grenzen meines Körpers, und seine jüngste Botschaft an mich war klar", sagte Federer. Beim von ihm miterschaffenen Laver Cup plant er am Ende kommender Woche in London im Europa-Team an der Seite von Rafael Nadal und Novak Djokovic seinen letzten Aufschlag.

ATP Tour

Der Sohn eines Schweizers und einer Südafrikanerin wurde 1998 Profi, feierte seinen ersten Turniersieg 2001 in Mailand und schaffte 2003 mit dem ersten von acht Triumphen auf dem Rasen von Wimbledon seinen Durchbruch. Mit Nadal lieferte sich Federer ebenso wie später auch mit Djokovic epische Duelle. Er meldete sich im Lauf seiner mehr als zwei Jahrzehnte langen Karriere auch mehrmals grandios nach Verletzungen oder schwächeren Jahren zurück.

2012 erklomm er mit dem Wimbledon-Sieg auch wieder die Spitze der Weltrangliste. "Es war ein Privileg, deine Reise zu verfolgen und dich zum Champion in jeder Hinsicht reifen zu sehen. Wir werden den Anblick so sehr vermissen, wenn du unsere Plätze beehrst. Alles, was wir jetzt sagen können, ist Danke, für die Erinnerungen und die Freude, die du so vielen gegeben hast", schrieben die Macher des Wimbledon-Turniers an Federer.

2017 schlug er Nadal in einem denkwürdigen Finale bei den Australian Open in Melbourne, wo er ein Jahr später auch den letzten seiner 20 Grand-Slam-Titel holte. 2019 verlor er nach vergebenen Matchbällen das Wimbledon-Endspiel gegen Djokovic, der ihn wie Nadal als Nummer eins der Welt ablöste. Nadal mit inzwischen 22 Grand-Slam-Titeln und Djokovic (21) sind während Federers langer Zwangspause auch in dieser Rekordliste am Schweizer vorbeigezogen.

1.500 Matches fordern Tribut

Die Fans verehrten Federer für sein ästhetisches Spiel, das auch schwierigste Schläge mitunter verblüffend leicht aussehen ließ. Tatsächlich steckten in seinem meist offensiven Auftreten auf dem Platz viel Kraft und Athletik. "Mir ist ein besonderes Talent zum Tennisspielen gegeben worden. Und ich habe es auf ein Level geschafft, das ich mir nie vorgestellt habe, für viel länger, als ich es jemals für möglich hielt", schwärmte Federer.

Der in jüngeren Jahren mitunter hitzige Ballkünstler wuchs mit dem sportlichen Erfolg auch im Auftreten zu einem Weltsportler. Im Umgang mit den Fans zeigte er sich immer bescheiden, geduldig und auch witzig, spricht fließend auch Englisch und Französisch.

Mit seiner Frau Mirka, einer früheren Profispielerin aus Tschechien, den beiden Zwillingspaaren des Paars sowie seinem Begleittross reiste Federer durch die Welt – allerdings dosiert. Schon früh begrenzte er sein Programm auf wichtige Turniere, um seinem Körper Pausen zu geben. Nun ist es für Federer endgültig vorbei mit dem Wanderleben.

"Wie viele von euch wissen, haben mich die letzten drei Jahre vor Herausforderungen in Form von Verletzungen und Operationen gestellt", teilte Federer auf Instagram mit. "Ich habe hart daran gearbeitet, in bester Wettkampf-Form zurückkommen. Aber ich kenne auch die Kapazitäten und Grenzen meines Körpers. Seine Botschaft an mich war sehr wichtig. Ich bin 41 Jahre alt."

Federer fügte hinzu: "Ich habe in 24 Jahren mehr als 1.500 Matches gespielt. Tennis hat mich großzügiger behandelt, als ich es mir je erträumt hätte, und jetzt muss ich erkennen, wann es Zeit ist, meine Wettkampf-Karriere zu beenden." Für Federer ist es eine "bittersüße" Entscheidung. "Weil ich alles vermissen werde, das die Tour mir gegeben hat." (APA, 15.9.2022)

Reaktionen zu Federers Rücktritt

Wimbledon (Grandslam-Veranstalter): "Roger, wo fangen wir an? Es war ein Privileg, deine Reise zu verfolgen und zu sehen, wie du ein Champion im wahrsten Sinne des Wortes geworden bist."

Carlos Alcaraz (Weltranglisten-Erster): "Roger war eines meiner Idole und eine Quelle der Inspiration! Danke für alles, was du für unseren Sport getan hast. Ich würde gerne noch mit dir spielen!"

Billie Jean King (frühere Weltranglisten-Erste): "Roger Federer ist der Champion unter Champions. Er hat das kompletteste Spiel seiner Generation und gewann die Herzen von Fans auf der ganzen Welt mit erstaunlicher Schnelligkeit auf dem Platz und einem starken Tennisverstand."

Thomas Bach (IOC-Präsident): "Roger Federer ist ein Gentleman auf und neben dem Platz – und ein wahrer Olympiasieger. Herzlichen Glückwunsch Roger zu deiner herausragenden Karriere, viel Glück für die Zukunft. Hoffentlich kreuzen sich unsere Wege wieder."

Juan Martin Del Potro (früherer US-Open-Sieger): "ICH LIEBE DICH, Roger. Danke für alles, was du für das Tennis und mit mir gemacht hast. Die Tenniswelt wird nicht mehr dieselbe sein ohne dich."

Andy Roddick (Wimbledon-Finalgegner Federers 2009): "Cheers Roger. Danke für die gemeinsamen Erinnerungen, mein Freund. Es war mir eine Ehre, Zeit/Erfahrungen auf dem heiligsten Boden unseres Sports mit dir zu teilen."

Tagesanzeiger (Schweizer Medium): "Mit Roger Federer verliert die Schweiz ihren besten Sportler der Vergangenheit und wohl auch der Zukunft – das Attribut 'aller Zeiten' wäre an dieser Stelle möglicherweise sogar für einmal gerechtfertigt."