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Die Ethereum-Blockchain verbrauchte bis vorgestern so viel Strom wie ganze Länder. Nun gibt sich die Kryptowährung grün.

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Am Donnerstagmorgen war es so weit: Auf der Ethereum-Blockchain wurde "The Merge" vollzogen. Vereinfacht gesagt hat die zweitgrößte Kryptowährung hinter Bitcoin ein Softwareupdate erhalten, das die Blockchain energieeffizienter macht. Und zwar gleich um eine ganze Menge: Um 99,95 Prozent weniger Strom soll die Software hinter der Kryptowährung nach der Umstellung verbrauchen.

Die Seite Digiconomist schätzte den Energieverbrauch von Ethereum vor dem Update auf über 77 Terawattstunden pro Jahr – das ist so viel, wie ganze Länder, etwa Österreich oder Chile, jährlich an Strom verbrauchen. Nach dem Update bewegt sich der Stromverbrauch nicht mehr in der Größenordnung von Staaten, sondern eher von einem Dorf mit rund 2000 Einwohnern.

Revolution in der Kryptowelt

Für die Kryptowelt ist das nicht weniger als eine kleine Revolution. Denn die Umstellung war alles andere als einfach: Seit Jahren verspricht die Ethereum Foundation, ihre Blockchain grüner zu machen und auf einen energiesparenderen Algorithmus umzusteigen. Doch der Termin wurde mehrmals verschoben.

Der Grund liegt in der Schwierigkeit, Transaktionen auf der Blockchain fälschungssicher zu speichern. Im Gegensatz zu einer zentralen Datenbank, etwa dem staatlichen Melderegister oder dem Kontostand bei einer Bank, gibt es auf dezentralen Blockchains keine übergeordnete Autorität (wie den Staat oder eine Bank), welche die Transaktionen auf ihre Richtigkeit überprüft. In der Blockchain wird diese Tätigkeit gemeinschaftlich wahrgenommen.

Die Krux der Verifikation

Wer sich an der Fortschreibung der Blockchain beteiligen will, muss einen Einsatz investieren. Nur wer nicht versucht, die Daten zu manipulieren, bekommt diese Vorleistung, mit einer kleinen Belohnung, wieder zurück. Diese vorgeschossenen Kosten können unterschiedliche Formen annehmen. Bitcoin – und bis vor kurzem Ethereum – funktionierte nach dem "Proof of Work"-Algorithmus, bei dem Rechenarbeit investiert werden musste. Als Belohnung gibt es Bitcoins oder Ether-Token, die im Idealfall mehr wert sind als die Stromkosten.

Genau diesen Mechanismus hat Ethereum nun geändert: Statt Rechenarbeit müssen Nutzer bei "Proof of Stake" Ether-Token einsetzen – und werden dafür mit neuen Einheiten der Kryptowährung entlohnt. Die aufwendige Rechnerei in riesigen Mining-Farmen entfällt.

Während das energieaufwändige Ethereum-Mining mit Grafikkarten (wie hier in Florenz) der Vergangenheit angehört...
Foto: Reuters/ALESSANDRO BIANCHI
... geht das ebenso klimaschädliche Bitcoin-Mining (hier in Ekibastuz, Kasachstan) weiter.
Foto: Reuters/PAVEL MIKHEYEV

Weniger Elektroschrott

Das wird wohl auch die öffentliche Wahrnehmung der Digitalwährungen verändern. Krypto-Coins stehen seit ihrem Aufstieg in der Kritik: Sie würden Geldwäsche und Kriminalität ermöglichen, das Monopol der Zentralbanken untergraben, Finanzmarktgesetze aushebeln oder schlicht zum Spekulieren einladen. Doch der wohl größte Kritikpunkt sind der hohe Energieverbrauch und die damit einhergehende Klimabelastung.

Laut Digiconomist emittierte das Ethereum-Netzwerk vor der Umstellung 43 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – so viel wie Hongkong. Bitcoin kommt sogar auf 77 Millionen Tonnen und überholt damit knapp Österreich. Mit dem Ethereum-"Merge" entfällt auch ein Großteil der Klimabelastung.

Und noch ein anderer, oft übersehener Punkt, lastet auf der Kryptoszene: Um "Proof of Work"-Coins zu schürfen, braucht es spezielle Hardware. Weil diese im Dauerbetrieb schnell verschleißt und wegen der immer schwieriger werdenden Rechenaufgaben neue Geräte notwendig sind, hinterlässt das Geschäft mit dem Crypto-Mining Berge an Elektroschrott. Allein das Bitcoin-Netzwerk verursacht 38.000 Tonnen Elektromüll im Jahr.

Bitcoin-Umstellung unwahrscheinlich

Während die Geräte zum Minen von Bitcoin kaum andere Einsatzzwecke haben, wurde Ethereum bisher mit handelsüblichen Grafikkarten betrieben. Diese könnten nun zuhauf auf dem Gebrauchtmarkt landen und weiterverwendet werden – solange die Ethereum-Miner nicht auf andere Coins umstellen.

Denn der "Merge" ist in der Krypto-Community umstritten. Insbesondere in der Bitcoin-Szene gibt es viele, die mit anderen Kryptowährungen (die oft als "Shitcoins" genannt werden) – oder gar mit dem Begriff "Crypto" – nicht in Verbindung gebracht werden wollen. Sie bezeichnen sich auch als Bitcoin-"Maximalisten" sehen den Code des anonymen Bitcoin-Schöpfers Satoshi Nakamoto als naturgegeben an. Auch die energiefressende "Proof of Work"-Methode betrachten sie als sicherer und überlegen, da – so die Argumentation – mit Energie ein materieller Wert in den Coins gebunden sei.

Der bekennende Maximalist Michael Saylor, Gründer des Softwareunternehmens MicroStrategy, glaubt etwa, dass hinter der Kritik an den Umweltauswirkungen von Bitcoin "Promoter und Lobbyisten" anderer Kryptowährungen stehen, die davon abzulenken versuchen, dass "Proof of Stake" nichts anderes als "unregistrierte Wertpapiere" seien, die unreguliert zum Nachteil von Privatinvestoren gehandelt werden.

Eine Umstellung von Bitcoin auf das umweltfreundlichere "Proof of Stake" ist zudem nicht einfach. Für eine Änderung im Bitcoin-Code müsste zudem eine Mehrheit der Miner zustimmen – und für diese gibt es keinen Grund, ihr Geschäftsmodell aufzugeben.

Der Druck auf die größte Kryptowährung dürfte jedoch gerade in der Energiekrise – auch politisch – steigen, nachdem Ethereum gezeigt hat, dass Krypto auch ohne Klimasünde möglich ist. In der Liste der zehn größten Kryptowährungen gibt es nach dem Ethereum-"Merge" neben Bitcoin jedenfalls nur noch die Spaß-Währung Dogecoin, die noch auf "Proof of Work" setzt. (Philip Pramer, 16.9.2022)