Viele wollen Bled auf ihrer Bucket-List abhaken. Auch Instagram treibt viele Menschen an den slowenischen See.

Foto: Bled Tourism/Jani Kolman

Janez Fajfar, Bleds Bürgermeister, spricht vielen Einheimischen aus der Seele, wenn er sagt: "2019 wollen wir nicht wiederholen." 2019, das heißt in Zahlen: 1,1 Millionen Übernachtungen, 509.000 Ankünfte und in der Hochsaison täglich rund 250 Reisebusse und 10.000 Menschen, die in den Seekessel strömten. Man könnte sagen: ein erfolgreiches Jahr. Doch die Saison zeigte auch, dass seine Berühmtheit dem kleinen Bled in den vergangenen Jahren über den Kopf gewachsen ist.

Bevor man den 67-jährigen Fajfar im 1906 erbauten Hotel Triglav trifft, sieht man ihn auf einem Imagevideo auf einem Fernseher im Foyer: "Was wir in den letzten Jahren erlebt haben, hat uns nicht gefallen. Du kannst einen Fuß der Größe 46 nicht in einen Schuh der Größe 41 stecken", erzählt Fajfar auf dem Bildschirm. Im Speisesaal des Hotels blickt er bei einem Glas Weißwein auf die großen Hotels an der Ostseite des Sees und in der Zeit zurück.

Mit Tourismus identifiziert

Bleds Bürgermeister ist hier und mit dem Tourismus aufgewachsen. Schon in seinem Elternhaus werden Zimmer vermietet. Er besucht die nahe Gastgewerbeschule, bevor er zum Studium nach Ljubljana geht. 1986 kehrt Fajfar in seine Heimat zurück, um in der Vila Bled, der ehemaligen Sommerresidenz von Josip Broz Tito und heutigem 4-Sterne-Hotel, zu arbeiten. Seit 16 Jahren ist er Bürgermeister. Vor 1991, erzählt Fajfar in geschliffenem Deutsch, haben sich die Menschen noch mit dem Tourismus identifiziert. Und heute?

Bleds Einwohner sind älter und verdienen weniger als im Landesschnitt. Nicht einmal 8000 Menschen leben in der Gemeinde, etwa 5000 davon im Seebecken. Leo Lièof und Maja Vrtaènik sind zwei davon. Wir treffen sie auf einen Kaffee im Einkaufszentrum an der Ostseite des Sees, das in zweiter Reihe hinter einem von Bleds größten Hotels liegt. "Gaddafi" nennen die Einheimischen dieses Relikt aus den späten 80er-Jahren hinter vorgehaltener Hand, weil es "so aussieht, als könnte es auch in Libyen stehen".

Wunderschönes Stück Kuchen

Lièof hat in den 80ern Jazzfestivals in Bled veranstaltet, heute betreibt er ein Restaurant und vermietet Zimmer. Vrtaènik ist pensionierte Biologielehrerin. Beide sind Mitglied eines Vereins kritischer Bürger, der den Zustand des Sees und die Lebensqualität der Einheimischen verbessern will. "Die Natur", sagt Leo Lièof, "hat den Bledern ein wunderschönes Stück Kuchen zugeteilt."

Leider wollen zu viele etwas davon abhaben, und niemand kontrolliert, wer sich wie viel nehmen darf. Die riesigen Hotelbauten, Touristen, die überall baden, fehlende Toiletten an der Seepromenade, die leerstehenden Lokale im "Gaddafi": All dies zeigt in seinen Augen, dass Bled der Plan fehlt, um das Kuchenstück zu verwalten. Die Tourismusstrategie der Gemeinde, die Bled in ein nachhaltigeres 2030 führen soll, respektiert kaum jemand, meint Lièof.

Zweifelhaftes Vorbild

Dabei scheint die Gemeinde vielerorts als Vorzeigebeispiel auf. Sie trägt das "Gold Label of the Green Scheme of Slovenian Tourism", ist Mitglied von Alpine Pearls, einer Vereinigung alpiner Orte, die sich zur nachhaltigen Mobilität bekennen, und des Gemeindenetzwerks Allianz in den Alpen. 2019 wurde Bled von der NGO Green Destinations zum Ort mit der zweitbesten nachhaltigen touristischen Entwicklung in ganz Europa ernannt. Die Pensionistin Maja Vrtaènik beeindruckt das nicht. "Auf dem Papier sind wir die Besten", sagt sie trocken. In der Realität gibt es einige Baustellen. Die wichtigste: die Gesundheit des Bleder Sees.

"Das ökologische Gleichgewicht des Bleder Sees ist sehr anfällig", erklärt Nina Štupnikar von der slowenischen Umweltagentur, die den Zustand des Sees evaluiert. Bis man in den 1980er-Jahren das künstliche Abwassersystem fertigstellte, war der See oft eutrophiert, also mit zu vielen Nährstoffen angereichert. Heute garantiert ein künstlicher Ausfluss, dass nährstoffreiches Wasser abfließt.

Braune Algen im See

Dennoch macht der Bleder See in den vergangenen Jahren immer wieder nationale Schlagzeilen: etwa, sich im August 2019 braune Algen in ihm stark vermehren und das nationale Gesundheitsinstitut Gäste auffordert, nach dem Baden gründlich zu duschen. Teile von Bleds Abwasser werden in einem gemischten System behandelt – so kann auch Quell- oder Regenwasser in die Kanalisation gelangen, die für Fäkalien vorgesehen ist.

Die Gemeinde arbeitet laufend am Abwassersystem, so auch 2019. Im Winter desselben Jahres färbt schließlich die Burgunderblutalge den gesamten See blutrot. Nährstoffreiches Wasser, das beim Wiederaufbau einer angrenzenden Fischfarm sowie bei den Arbeiten am Abwassersystem eingespült wurde ließ die Alge wahrscheinlich blühen. Der See steht damals am Rande einer Naturkatastrophe, wird der Bürgermeister später zitiert.

Mit einem offenen Brief forderte die Gemeinde damals beim slowenischen Staat Hilfe an. Denn der Bleder See, der ganze Stolz der Einheimischen, ist in Staatsbesitz. Bled ist Sloweniens stärkste Tourismusmarke, prominenter noch als das Land in seiner Gesamtheit. Die Gesundheit des Sees liegt deshalb nicht nur den Einheimischen am Herzen, sie ist auch ökonomisch und politisch relevant.

Die Infrastruktur in Bled ist nicht auf die Massen an Touristen ausgelegt – so auch die Abwassersysteme, die immer wieder zusammenbrechen, wie hier vergangenen Sommer.
Foto: Bled

Problem durch Fischerei

Anfang März 2021 unterschrieben Bürgermeister Fajfar und der damalige Minister für Umwelt und Raumplanung, Andrej Vizjak, ein Abkommen über die gemeinsame Verwaltung des Sees inklusive eines Aktionsplans, der auch Verbesserungen am Abwassersystem beinhaltet.

Auch die Fischerei setzt dem See zu. Bled ist unter Karpfenfischern bekannt ist, die ihren bis zu drei Kilo schweren Fang auch unter #lakebledcarpfishing auf Instagram posten. Im Durchschnitt angeln Fischer sie an 150 Tagen im Jahr, schätzt das Ministerium für Umwelt und Raumordnung. Wie viele Karpfen im See schwimmen, kann es nicht beantworten.

Klar ist: wer fischt, braucht Köder. "Laut meiner groben Schätzung könnten zehn Tonnen an Fischfutter-Pellets jährlich in den See gelangen. Sie wiederum steigern den Nährstoffgehalt", erklärt die Limnologin Štupnikar. Die Gemeinde möchte das Karpfenfischen verbieten, entscheidet allerdings nicht. Das Ministerium für Umwelt und Raumordnung teilt mit, ein mögliches Verbot könne man erst "für den nächsten Planungszeitraum vorhersagen." Obwohl seit 2021 nur mehr rund 50 Karpfen pro Jahr ausgesetzt werden dürfen, befindet sich der See aktuell nur in einem "gemäßigten ökologischen Zustand". Denn auch weitere Faktoren könnten das fragile Gleichgewicht stören.

Etwa Gülle, die vom Regen von den Weiden einer Rinderfarm an der Westküste in den See transportiert wird. Deren Menge zu begrenzen liegt – wie vieles in der kleinen Gemeinde – in vielen Händen. Inspektoren des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung kontrollieren, ob die Nitratmenge eingehalten wird. Obwohl sich die Rinderanzahl reduziert hat, grasen immer noch Tiere neben dem See. Ihre Milch ist gefragt. Sie wird – so erzählt man in Bled – in Italien zu Produkten der Marke Bledski Sir verarbeitet und von Touristen als kulinarisches Andenken gekauft.

Abzug aus Zentrum

Damit der Bleder See einen guten ökologischen Zustand erreicht müssen Ministerien, der Gemeinde und Tourismusindustrie zusammenarbeiten. Auch Bleds Einwohner sind wichtig, ist Romana Purkart, Bleds "nachhaltige Tourismuskoordinatorin" überzeugt. Ihre Aufgabe sei es, auf Nachhaltigkeit zu drängen und diese in die Öffentlichkeit zu tragen, erklärt sie im Online-Interview aus dem örtlichen Tourismusbüro.

Mehrere Studien aus den vergangenen Jahren weisen auf einen weiteren Reibungspunkt hin: Die Einheimischen wollen die Touristenmassen nicht mehr mittragen. Hohe Immobilienpreise und der damit verbundene Abzug der Bewohner aus dem Zentrum, Hostels und deren betrunkene Gäste, Stau, Müll: Die Einheimischen zahlen den Preis für den touristischen Andrang.

Um den Austausch zwischen ihnen und den Gästen zu verbessern, hat der Tourismusverband eine Aktion gestartet. In der Hochsaison bezahlt er nun Einheimische dafür, Touristen auf die Hausregeln hinzuweisen. Eine davon ist, sich an ausgewiesene Badeplätze zu halten. Denn wildbadende Touristen schaden dem See, wirbeln dessen Untergrund auf und stören so die Kleinstlebewesen, die wichtig für das ökologische Gleichgewicht sind.

An öffentlichen Badeplätzen stellt man Touristen zudem umweltverträgliche Sonnencreme zur Verfügung. Auch im Rahmen der Abfallvermeidung setzt das Tourismusbüro nachhaltige Initiativen und konnte die Abfallmenge pro Kopf in den vergangenen Jahren deutlich reduzieren.

"Wir können unsere Vision weitertragen. Aber es ist sehr frustrierend, dass wir selbst so wenig für Bled tun können", sagt Romana Purkart dennoch.

Neue Straße als Hoffnung

So ist man auch beim Verkehrsproblem auf den Staat angewiesen. Die einzige Straße ins rund 20 Kilometer entfernte Bohinska Bistrica führt zwei Kilometer am Bleder See vorbei. In der Hauptsaison fahren und stauen sich hier über 20.000 Autos täglich. Dabei ist Bled auch öffentlich gut erreichbar. Sechsmal täglich kommt ein Zug von Ljubljana an der Westküste an, 20 Verbindungen zusätzlich fahren den Bahnhof Lesce-Bled an.

Auch E-Bikes können sich Touristen ausleihen. Wie diese angenommen werden, beantwortet das Tourismusbüro auf Nachfrage nicht. Ein weiteres Problem? Noch gibt es keinen Radweg. Aktuell läuft die Ausschreibung für die Konstruktion einer rund 20 Kilometer langen Route nach Bohinska Bistrica, teilt die slowenische Agentur für Infrastruktur mit. Auch die angrenzenden Gemeinden sollen besser mit dem Rad erreichbar werden.

Die wahre Entlastung verspricht man sich für 2027. Dann soll eine rund drei Kilometer lange südliche Umfahrungsstraße fertiggestellt sein und den Verkehrsdruck vom Seebecken nehmen. Dass ausgerechnet eine neue Straße als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere Entwicklung gilt, zeigt, wie der touristische Andrang das Abbild des Paradieses verändert.

Erstes "Influencer-Hotel"

Maja Vrtaènik geht zu Fuß. Die Pensionistin tut dies langsamen Schrittes – vorbei am Kasino, einem Thai-Restaurant und einem Souvenirshop – und bleibt schließlich unweit ihres Hauses stehen. Dann deutet sie auf einen mit weißen Plastikblumen geschmückten Rosenbogen. "Hässlich, oder?", stellt sie trocken fest. Von der Terrasse ihres Hauses aus sieht Vrtaènik, die ihr ganzes Leben in Bled verbracht hat, seit dieser Saison in den Vorgarten von Sloweniens erstem "Influencer-Hotel". Während sie ihren Nachmittagskaffee trinkt, schießen Gäste Selfies unter dem Rosenbogen, die unter #bledluxuryhotel auf Instagram landen.

Bled steht auf Bucket-Lists, viele wollen es abhaken. Obwohl der Ort nicht alle Geister selbst gerufen hat, wird er diese nun nicht los. #lakebled hat längst eine Eigendynamik entwickelt. Mit jedem Post, jedem Blogartikel über die "Perle des nachhaltigen Tourismus" verstärkt sich deren Anziehungskraft.

Immer mehr Betten

Zusätzlich investiert das Tourismusbüro rund eine Million Euro jährlich in Werbung. "Wenn man wenig wirbt, kommen trotzdem Unmengen an Touristen", sagt Janez Fajfar. Und nicht zu werben? Das könne sich kein touristischer Ort leisten, meint der Bürgermeister.

Je bekannter Bled wird, desto mehr Betten entstehen auch. Rund 9400 gibt es aktuell – und damit längst mehr als Einwohner. Mit drei großen Hotels beherrscht die staatliche Sava-Group fast ein Drittel des Übernachtungsmarktes. Dazu kommen ein Camping- und Glamping-Areal mit angrenzendem Dinosaurierpark in der Nachbargemeinde Lesce sowie Hostels in Bled. Einheimische vermieten vermehrt Apartments oder Zimmer, und auch auswärtige Investoren kaufen Gebäude zur touristischen Nutzung.

Verhalten der Touristen als Problem

Bürgermeister Fajfar sagt, zwei Flächen seien noch für neue Hotels reserviert, aber dann sei Schluss. Geplant sei, kleine, qualitätsvolle Hotels zu etablieren – ganz nach dem selbstgesetzten Ziel, eine "Boutique-Destination" zu werden. Renderings des geplanten Hotels Europa, das an der unverbauten Westküste entstehen sollte, zeigten im Jahr 2020 ein anderes Bild. Pläne der klobigen fünfstöckigen Kuben an der unbebauten Westküste, unweit des historischen Hotels Triglav, ernteten viel Kritik. Die ehemalige slowenische Kulturministerin Majda Širca nannte die Planungen eine "architektonische Katastrophe". Ob und wann das Hotel gebaut wird, sagt der Bürgermeister nicht. Dass ein weiterer Hotelkomplex zum sanfteren Tourismus beiträgt, ist zu bezweifeln.

Für Romana Purkart vom Tourismusbüro ist nicht die Menge der Touristen das Problem, sondern deren Verhalten. "Wir möchten Menschen hier haben, die das natürliche und kulturelle Erbe respektieren. Das sind die Gäste, für die Bled gemacht wurde", sagt sie. Um anspruchsvollere Gäste anzulocken, die länger als die durchschnittlichen zweieinhalb Tage in Bled bleiben, entstehen aktuell etwa ein Museum für zeitgenössische Kunst und ein archäologisches Museum.

Überlastete Rohre

Auch heuer strömten wieder Menschenmassen in das Bleder Seebecken. Fast 520.000 Übernachtungen zählte man von Jänner bis Juli 2022. Während die Gemeinde eine weitere Auszeichnung erhielt – diesmal als "Zero Waste City" –, berichtete der Bleder Umweltschutzverband von einem ökologischen Problem. Ende Juli gelangte stark verschmutztes Wasser von einem Rohr der Kläranlage in den Fluss Sava Bohinjka, 25.000 Fische mussten wegen Vergiftung getötet werden. Ob auch die Verdauungsprobleme, über die in der Sava Bohinjka Badende klagten, auf das Abwasser zurückzuführen sind, wird eruiert. Das Problem scheint beim überlasteten Kanalisations- und Pumpensystem zu liegen.

Das Abwassersystem wurde für 15.000 Einwohner geplant, erklärt Miha Žvan, Präsident des Umweltschutzverbands, "und nicht für so viele Touristen, die in Bled übernachten oder sich nur tagsüber dort aufhalten". Folgen der Klimakrise verstärken das Problem. "Slowenien litt unter einer schweren Dürre, sodass der Fluss Sava Bohinjka nicht in der Lage war, so viele Fäkalien im Fluss aufzulösen", erklärt Žvan.

Den Willen, den Tourismus sanfter zu gestalten und auch damit den See gesund zu halten, spürt man in Bled. In Teilaspekten kann man Erfolgsgeschichten erzählen. Um das Abbild des Paradieses unter dem touristischen Druck zu bewahren, stehen aber noch viele Bauarbeiten an, die ebendieses weiter verändern werden. So erzählt der Fall Bled vor allem eines: Unreguliertes touristisches Wachstum in einem begrenzten Ökosystem kann nicht nachhaltig sein. Oder, wie es Bürgermeister Janez Fajfar ausdrückt: "Unser See ist einfach zu klein für alle Wünsche." (Laura Anninger, 18.9.2022)