Es geht also doch: Nach Jahren der Stagnation haben innerhalb des vergangenen Jahres gleich mehrere Android-Hersteller ihr Update-Versprechen deutlich ausgeweitet. Ganz vorne mit dabei ist Google selbst: Fünf Jahre lang sollen die aktuellen Smartphones der Pixel-Serie mit Sicherheitsaktualisierungen versorgt werden.

Das ist zugegeben noch immer deutlich weniger, als es bei iPhones üblich ist, aber wer will schon klagen, wenn in der Android-Welt zuvor meist nur zwei bis drei Jahre Software-Support üblich waren – und es bei manch anderen Herstellern zum Teil gar noch immer so ist. Dass dabei auch ein Mittelklassegerät wie das Pixel 6a bis mindestens Juli 2027 entsprechende Updates erhält, ist besonders erfreulich.

Die dunkle Seite

All das ist schön und gut, es gibt aber auch eine Kehrseite, und zwar eine, über die Google weniger gern spricht. Diese Ausdehnung des Update-Versprechens gilt nämlich nur für neue Smartphones, zuvor veröffentlichte Modelle haben davon gar nichts. Und das wird schon bald für deren Käufer ziemlich unerfreuliche Konsequenzen haben.

Mit dem Pixel 4 steht demnächst ein Smartphone vor dem Aus, das noch vor nicht allzu langer Zeit das Beste von Google repräsentierte. Bereits Anfang Oktober soll die letzte Sicherheitsaktualisierung für das im Herbst 2019 veröffentlichte Gerät erscheinen. Zwar folgt üblicherweise noch ein paar Wochen später ein allerletztes Bugfix-Update, Sicherheitslücken werden dabei aber üblicherweise nicht mehr bereinigt.

Sicherheit adieu

Das heißt: Ab November sammeln sich immer mehr – öffentlich bekannte – Sicherheitsdefizite an, womit eine Nutzung des Geräts kontinuierlich weniger ratsam wird. Und selbst wenn das nicht abschreckt, muss man auf all die kommenden Softwareverbesserungen an Android verzichten. So wird etwa der Dezember-"Feature Drop" für Pixel-Devices wieder allerlei Neuerungen bringen – aber eben nicht mehr für das Pixel 4.

Wer will, kann das Pixel 4 (im Bild die XL-Version) natürlich nach seinem Supportende noch mit einer alternativen Firmware verwenden. Wie aber an dieser Stelle bereits mehrfach herausgestrichen, ändert das an der Sicherheitslage nichts, da selbst kritische Fehler in den proprietären Bestandteilen von Qualcomm und Co nicht mehr gefixt werden können.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Nun muss fairerweise gesagt werden, dass Google auch nicht mehr versprochen hat. Das Supportende mit Oktober 2022 wurde von Anfang an klar kommuniziert. Dass dieser Schritt im Fall des Pixel 4 trotzdem sehr ärgerlich ist, liegt schlicht daran, dass es noch immer ein sehr gutes Gerät ist, das leistungsmäßig locker mit aktuellen Smartphones der – oberen – Mittelklasse mithalten kann.

Weiterhin sehr gute Hardware

Das belegt indirekt auch Google selbst. Das aktuelle Android 13 läuft nämlich bestens auf dem Pixel 4. Dank 90-Hz-Display kommen sogar all die Animationen aktueller Android-Versionen voll zur Geltung. Von der Leistungsfähigkeit her ist das Pixel 4 sogar besser als der Nachfolger Pixel 5, und selbst der hat keinerlei Performance-Probleme mit aktuellen Android-Versionen.

Die Kamera liefert noch immer sehr gute Ergebnisse und wurde auch damals schon von einem Zusatzchip für Maschinenlernaufgaben unterstützt. Gut, der Miniradar Soli mag jetzt nicht der ganz große Durchbruch gewesen sein, den man sich einst erhoffte, zumindest aber ist das Pixel 4 – und sein größerer Bruder Pixel 4 XL – eines der wenigen Android-Smartphones mit wirklich brauchbarer Gesichtserkennung.

Spurensuche

Es ist natürlich kein Zufall, dass Google ausgerechnet mit der Pixel-6-Reihe solch einen signifikanten Sprung beim Update-Support vorgenommen hat. Immerhin wird bei diesem erstmals ein SoC aus eigener Entwicklung genutzt, was die langfristige Versorgung erheblich leichter macht. Zudem ist bekannt, dass Qualcomm – dessen Chips zuvor bei Google-Geräten fast immer zum Einsatz kamen – selbst einen recht überschaubaren Supportzeitraum anbietet. Auf dessen proprietäre Softwarebestandteile – etwa Treiber oder Firmware – sind die Gerätehersteller aber angewiesen, wenn sie Updates schnüren wollen.

Das ist alles nachvollziehbar – aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass sich Gerätehersteller sehr wohl einen längeren Support bei Qualcomm kaufen können. Und während Google das Geld dafür offenbar nicht ausgeben will, zeigt ein anderes Unternehmen, was möglich wäre.

Vorbild: Samsung

Samsung bietet etwa für das wenige Wochen vor dem Pixel 4 erschienene Note 10, das in den USA mit exakt dem gleichen SoC erschienen ist, noch ein ganzes Jahr länger Updates. Am Schluss zwar dann nur mehr vierteljährlich, vierteljährliche Sicherheitsaktualisierungen sind aber noch immer um 100 Prozent besser als keine Sicherheitsaktualisierungen. Selbst die ein halbes Jahr vor dem Pixel 4 erschienene S10-Reihe wird länger Updates erhalten als Googles einstiges Topgerät.

Das entbehrt auch deswegen nicht einer gewissen Ironie, weil es gerade strukturelle Verbesserungen an Android waren, die überhaupt den Weg für längeren Support freigemacht haben. Verbesserungen, die Google selbst entwickelt hat – und zwar ausgerechnet in direkter Kooperation mit Qualcomm.

Verheerendes Signal

So verständlich es ist, dass Google sich auf die Zukunft – und somit auf den Support eigener Chips – konzentrieren will: Das Signal, das man hier aussendet, ist verheerend – nicht zuletzt aus einer ökologischen Perspektive. Das Unternehmen schickt hier ein Smartphone in Software-Pension, das derzeit nicht einfach nur irgendwie, sondern sogar noch sehr gut läuft. Vor allem aber: Konnte man sich in früheren Jahren auf den Unwillen der Partner ausreden, ist das jetzt nicht mehr möglich, das zeigt das Beispiel Samsung gut.

Ein weiterhin sehr gut funktionierendes Gerät ab ins Recycling? Das ergibt keinen Sinn und konterkariert die angeblichen Bemühungen um Nachhaltigkeit.
Foto: iFixit

Echte Nachhaltigkeit statt Ökoschmäh

Ist die Zeit für die Vorstellung eines neuen Smartphones gekommen, schmücken sich die Hersteller gerne mit ihren Bemühungen um Nachhaltigkeit, Google ist da keine Ausnahme. Das soll auch gar nicht lächerlich gemacht werden. Prinzipiell ist die steigende Nutzung von recycelten Materialien natürlich immer begrüßenswert, selbst wenn sie im Gesamtbild eine ziemlich überschaubare Rolle spielt.

Eine Ausdehnung des Software-Supports für ältere Geräte: Das wäre aber mal ein echtes Signal in Richtung Verbesserung der Nachhaltigkeit von Smartphones. Immerhin ist eine längere Nutzung besser als jedes noch so gute Recycling. Dass Google hier als Android-Entwickler eine besondere Verantwortung – und Vorbildwirkung – hat, kommt noch dazu.

Schlechter Ausblick

Dass dies kommt, erscheint aber unwahrscheinlich, schon beim Pixel 3 war aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar, warum der Support bereits im Vorjahr eingestellt wurde. Und so werden im kommenden Jahr wohl auch Pixel 4a und Pixel 5 an ihr ziemlich unzeitgemäßes Ende gelangen. Außer natürlich, das Unternehmen besinnt sich noch zeitgerecht – darauf wetten sollte man aber besser nicht. (Andreas Proschofsky, 17.9.2022)