Den Biomüll von 30 Haushalten verarbeiten die Bewohner eines Wurmhotels.

Foto: Wurmkiste.at

Ja zu Melone und Kartoffelschalen, Nein zu Milch und Fleisch – die Gäste eines neu eröffneten Hotels in Wien haben einen erlesenen Geschmack. 5000 Würmer sind im "Wurmhotel" im vierten Wiener Bezirk untergebracht und werden von den Anwohnenden mit Bioabfall versorgt.

Hinter der Idee steckt das oberösterreichische Unternehmen Wormsystems, das bereits die Wurmkiste vertreibt, eine Art Minikomposter, getarnt als Sitzmöbel für die eigenen vier Wände. "Wir wissen, dass nicht jeder sich eine Wurmkiste leisten kann oder Würmer in der Wohnung haben möchte", sagt Geschäftsführer David Witzeneder. Daher bringen sie die Wurmkompostierung jetzt in die Öffentlichkeit.

Restmüll ist zu 30 Prozent Biomüll

Etwa 1500 öffentliche Biomülltonnen gibt es im Wiener Stadtgebiet, 90.000 weitere braune Tonnen befinden sich zudem auf Privatliegenschaften, heißt es bei der MA 48, dem städtische Müllentsorger. Zum Vergleich: Tonnen für Plastikflaschen und Dosen sind im öffentlichen Raum 8300-mal vertreten, hinzu kommen 10.000 private gelbe Tonnen. Gesammelt wird in der Innenstadt auf Altstoffsammelinseln.

Grundsätzlich sei es das Ziel gewesen, bei jeder dieser Sammelinseln auch eine Biotonne aufzustellen, sagt MA-48-Sprecherin Nicole Puzsar. Doch da der Biomüll oft verunreinigt war, wurden viele Tonnen wieder eingezogen. Jetzt stünden die Behälter vor allem dort, wo die Qualität gut ist, also wenige Fehlwürfe passieren.

Viele biogene Abfälle landen deshalb im Restmüll, der zu etwa 30 Prozent aus Biomüll besteht. Restmüll wird unter Gewinnung von Strom und Fernwärme verbrannt. Den hohen Anteil von verbranntem Biomüll empfand Witzeneder, als er für sein Agrarwissenschaften-Studium nach Wien kam, als "eine absolute Katastrophe". Auf das anfängliche Vergraben der eigenen Küchenreste im Türkenschanzpark folgte die Idee der Wurmkiste und nun des Wurmhotels.

Platz für 20.000 Würmer

Das Wurmhotel ist zwei Meter hoch, mit Holz verkleidet, oben begrünt und mit einem Photovoltaikmodul ergänzt. Über eine Klappe wird der Bioabfall eingeworfen, über eine andere kann zweimal im Jahr, im Rahmen von "Erntedankfesten", der Humus entnommen werden. Bis zu 20.000 Würmer kann eine Box beherbergen.

Der Willkür Wiens werden diese aber nicht ausgesetzt. 30 Haushalte sollen ein Wurmhotel nach einer Einschulung nutzen. Mittels eines RFID-Transponders können die Nutzenden das Hotel öffnen, die restliche Zeit sind die Türen zu.

Sensoren überwachen Bedingungen

Durchschnittstemperaturen von 15 bis 25 Grad Celsius und eine hohe Luftfeuchtigkeit sind für die Würmer ideal. Sensoren sollen die Bedingungen überwachen. Durch die Begrünung wird das Hotel gekühlt, Regenwasser wird aufgefangen, und ein verbauter Lüfter im Inneren soll zusätzlich bei einem Temperaturanstieg automatisch für Stabilisierung sorgen. Die Isolierung und der Biomüll selbst sollen auch im Winter eine kuschelige Atmosphäre garantieren.

Etwa 9500 Euro kostet das Wurmhotel derzeit – inklusive eines "Wurmhoteliers", der für die Einschulung und Betreuung des Betriebes zuständig ist. Die Nutzung selbst ist kostenlos. Welche Kosten der Stadt durch die konventionelle Biomüllentsorgung entstehen, sagte die MA-48-Sprecherin nicht, aber: "Es ist ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll, Bioabfall getrennt zu sammeln!"

Erfolg abwarten

Die ersten fünf Wurmhotels werden durch den "Action for Sustainable Future Hub" der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft und der Universität für angewandte Kunst Wien ermöglicht.

Für weitere Eröffnungen stünden sie bereits im Gespräch mit der Stadt und Wohnbauträgern, so Witzeneder. Ob aus den einzelnen Niederlassungen eine florierende Hotelkette wird, hängt vom Erfolg der ersten Standorte ab.

"Wir sind bereit und haben alles vorbereitet", so Markus Rumelhart (SPÖ), Bezirksvorsteher des sechsten Wiener Bezirks. Im Rahmen der Förderung wird auch in seinem Bezirk ein Wurmhotel entstehen. Zukünftige Anschaffungen schließt Rumelhart nicht aus: "Wenn das Interesse groß ist und die Menschen sagen: Bitte, stellt uns mehr davon hin, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir das auch organisieren können." Die Verantwortung für die Anschaffung sieht er aber nicht allein beim Bezirk, sondern auch in Kooperation mit Einrichtungen und Privaten.

Bewusstsein schaffen

Obsolet wird die klassische braune Tonne aber so bald wohl nicht werden. Sehr wohl könnten die Wurmhotels aber Bewusstsein schaffen. "Wir versuchen, die ersten Standorte sehr divers zu gestalten, damit wir möglichst viel Erfahrung auch aus sozialer, gesellschaftlicher Perspektive sammeln", sagt Witzeneder. Bedeutet: Wurmhotels neben Kindergärten, Sozialzentren oder Altersheimen, ergänzt Projektleiterin Ruth Kapelari.

Als erster Standort hat sich der Gartenhofverein Planquadrat tausende Würmer in sein geschütztes Areal eingeladen. "Wir werden sehr stark als Spielplatz genutzt", sagt Obfrau Elisabeth Reiter. Der umweltdidaktische Nutzen sei daher ein Gedanke gewesen, aber auch, dass so wieder mehr Menschen das Miteinander entdecken und zum Erhalt des kleinen Stücks Grün im vierten Bezirk beitragen. "Gute Erde ist eine Kunst", sagt Reiter, die Wurmgäste dürften somit ihren Teil bereits leisten. (Jasmin Spreer, 17.9.2022)