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Wer bereits Schmerzen in den Knien hat, sollte auf Sportarten mit zyklischen Bewegungen wie Radfahren oder Schwimmen umsteigen.

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Über 140 Gelenke befinden sich im menschlichen Körper. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie man sie am besten schützt. Oft hört man von Sportlerinnen und Sportlern, die sich die Gelenke verletzen. Ist Sport also eigentlich gut? Oder sollte man etwa Knie-, Sprung- und Schultergelenke lieber in Ruhe lassen, um sie so lange wie möglich gesund zu erhalten? Roman Ostermann, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie und Spezialist für Sport- und Gelenksverletzungen, plädiert in jedem Fall für Bewegung und Sport: "Für die Gelenksknorpel, die Stärkung der Knochen und für die Sehnen ist eine regelmäßige Be- und Entlastung besonders wichtig. Aber auch der gesamte Organismus und die Psyche profitieren von ausgewogenen Sporteinheiten."

Von Arthrose, also der verschleißbedingten Abnützung der Gelenke, sind laut der österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention derzeit etwa ein Viertel aller Erwachsenen betroffen. Bis 2032 könnte es sogar ein Drittel sein. Ostermann betont zwar, dass jedes Gelenk ein Ablaufdatum hat, dennoch könne jeder dieses Ablaufdatum ein Stück weit selbst beeinflussen.

Überlastungssymptome vermeiden

Dabei muss und sollte man auch gar nicht zwingend Marathons laufen. Studienergebnisse, die im Fachblatt "Arthritis & Rheumatology" veröffentlicht wurden zeigen, dass bereits Spazieren gehen dabei helfen kann, Kniearthrose vorzubeugen. Das Team rund um Grace Lo vom Baylor College of Medicine in Houston untersuchte rund 1.200 betroffene Patienten und Patientinnen. Bei denen, die vor Studienbeginn noch keine Schmerzen hatten, konnte durch regelmäßiges Spazierengehen das Entstehen von Schmerzen um 40 Prozent gesenkt werden. Bei den Teilnehmenden, die bereits vor der Studie unter Schmerzen litten, war durch Spazierengehen jedoch kein Effekt messbar.

Für Ostermann ist vor allem die richtige Dosierung entscheidend: "Für wen welche Art der Bewegung ideal ist, ist absolut individuell." Zu Beginn sollte man es jedenfalls immer langsam angehen lassen. "Wer zu schnell zu viel macht, riskiert Überlastungssymptome – damit reagiert der Körper, weil die Strukturen noch nicht auf diese neue Belastung ausgelegt sind." Wichtig sei dabei, bei Schmerzen niemals weiter zu trainieren, sondern lieber eine Zeitlang zu pausieren. Denn: Kleinere Mikrotraumen und Mikroschäden können häufig mit der nötigen Zeit und Ruhe selbstständig vom Körper repariert werden.

Ablaufdatum

Trotz der Selbstheilungskräfte des Körpers hat laut Ostermann jedes Gelenk ein Ablaufdatum – ähnlich einer Sanduhr. Man könne sich das so vorstellen: "Jedes Gelenk hat von Geburt an einen Inhalt an Sand mitbekommen. Dieser wird im Lauf der Jahre weniger." Jede Verletzung führt zu einem einmaligen, schnelleren Durchrütteln des Sandes, und in den meisten Fällen rieselt der Sand auch danach noch etwas schneller. "Ziel ist es, den Schaden so gut es geht wieder zu reparieren, damit der Sand wieder langsamer weiterrieselt", erklärt Ostermann.

Zur Reparatur können verschiedene Techniken eingesetzt werden. Zum einen wird vermehrt mit Orthobiologika gearbeitet. Der Experte für Sport- und Gelenksverletzungen erklärt: "Dabei handelt es sich um körpereigene Stoffe, die die Selbstheilungskräfte mobilisieren sollen." Das können Blutplättchen-Konzentrate, Hyaluronsäure- oder Stammzellen-Infiltrate sein, die dem Körper zugefügt werden. Diese Methode kann helfen, den Arthroseprozess, also den Gelenksabbauprozess, etwas zu bremsen, gegenzuarbeiten und Schmerzen zu lindern.

Wenn die Verletzung jedoch zu groß ist, muss operiert werden. Mithilfe der Arthroskopie können viele Verletzungen tagesklinisch behandelt werden, sagt Ostermann: "Mussten Patientinnen und Patienten früher etwa nach einem offenen chirurgischen Eingriff beim Kreuzbandriss wochenlang im Krankenhaus mit Drainagen behandelt werden, kommen wir heute dank der Arthroskopie bei dieser Verletzung auch mit Tagesklinikaufenthalten aus." Durch die sogenannte Schlüssellochchirurgie würden die Gelenke schonend operiert, das Infektionsrisiko sei deutlich geringer und auch die Narben kleiner.

Reaktionsfähigkeit stärken

Auf der Suche nach dem gelenkschonendsten Sport steht immer noch Schwimmen auf der Liste ganz oben. Natürlich kommt es da laut Ostermann auf den Schwimmstil an: "Wer vor allem Delfinschwimmen praktiziert, schont seine Gelenke nicht unbedingt." Und wer bereits Knieprobleme hat, "sollte, statt zu laufen, lieber auf zyklische Belastungen wie etwa Radfahren setzen".

Dabei betont der Experte, dass auch Kraftsport wichtig ist. "Dabei sollten auch ältere Personen nicht vergessen, ihre Muskeln sanft zu trainieren." Denn: Eine starke Muskulatur kann den verstärkten Knochenabbau kompensieren. Und auch bei Übergewicht plädiert Ostermann für regelmäßiges Training: "Natürlich können und sollten übergewichtige Personen Sport treiben. Zu Beginn sind gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen oder Radfahren die beste Wahl."

Für alle gilt: "Um Verletzungen der Sprunggelenke vorzubeugen, muss die Muskulatur gut trainiert sein." Zusätzlich empfiehlt der Sportmediziner propriozeptives Training. Dabei wird die Kommunikation zwischen Gelenken und Gehirn stärker trainiert. Ostermann erklärt: "Das Gehirn weiß zu jedem Zeitpunkt, wie mein Sprunggelenk gerade steht. Wenn es dann droht umzuknicken, bekommt das Gehirn ein Signal: Die Muskeln, die das Umknöcheln noch stoppen können, werden aktiviert." Durch Übungen mit dem Wackelbrett, einbeiniges Training oder auch Stehen auf weichen Matten werden nicht nur die Muskeln gestärkt, sondern auch die Geschwindigkeit der Verkettung zwischen Gelenken, Gehirn und Muskeln trainiert. Der Sportmediziner weiß: "Wer schneller reagieren kann, knöchelt auch weniger schnell um." (Jasmin Altrock, 27.9.2022)