"Ich bin 76 Jahre alt und seit 1975 Taxifahrer. Ich fahre einen Mercedes der E-Klasse, 350 CDI-4-matic. Der geht recht schnell, hat aber schon zehn Jahre auf dem Buckel. Wir kommen übrigens gerade aus der Werkstatt. Meistens warte ich in der Wiener Singerstraße auf Kundschaft. Alle Kilometerstände all meiner Taxis zusammengerechnet, komme ich auf über zwei Millionen gefahrene Kilometer. Der Erdumfang beträgt 40.000 Kilometer, ich habe also, wenn man so will, gut 50-mal die Weltkugel umrundet. Meine längste Fahrt führte nach Nürnberg und zurück. Die ist zehn Jahre her und kostete den Kunden, einen Stammkunden, 1.000 Euro.

Bevor ich mit dem Taxifahren begann, war ich eine Zeitlang Musiker bei der Band Drahdiwaberl und für ungefähr zehn Jahre ein sogenannter Bummelstudent. Zuerst versuchte ich es mit Architektur, weil mein Vater Architekt war. Die Praxis hat mich allerdings nicht sonderlich gereizt. Außerdem war ich unfähig, einen Akt zu zeichnen. Bis ich im Aktsaal einen Arm zusammengebracht habe, hatte das Modell schon den Raum verlassen. Schließlich probierte ich es mit Maschinenbau, weil ich halt ein Autonarr war. In diesem Gefilde scheiterte ich an der Hochschulmathematik, obwohl ich eine Zeitlang sogar Nachhilfe in Mathe gab. Dann folgte ein Semester Informatik. Ich sag nur 'ein Fiasko'.

Anatol Plojhar fährt seit mehr als 40 Jahren Taxi.
Foto: Michael Hausenblas

Das mit der Autovernarrtheit ließ nach. Das mag auch mit der Polizeiüberwachung zu tun haben. Die ist mittlerweile derart stark, dass man eigentlich nur mehr dahinrollen kann. Autofahren wie früher geht nimma mehr.

Auch die Fahrgäste haben sich mit der Zeit verändert. Heute sind diese in der Regel gestresster, wollen ihre Ruhe haben und sich lieber nicht unterhalten. Früher musste man mehr quatschen, viele haben sich sogar aufgeregt, weil sie mit der wachsenden Zahl ausländischer Kollegen nicht so gut Schmäh führen konnten. Seit gut zehn Jahren ist das Leben anscheinend stressiger geworden. Lustige Gespräche sind selten geworden, egal wer zu reden beginnt.

"Ich fahre einfach gern mit dem Auto."

Auch wurde in den alten Zeiten permanent Musik gespielt. Mitunter laut. Das gehört ebenfalls der Vergangenheit an, es ist einfach nicht mehr üblich. Vielleicht dreimal pro Jahr sagt jemand, ich solle die Musik aufdrehen. Aber gut, ich fahr mittlerweile auch nicht mehr bis in die Nacht hinein. Apropos Nacht. Vor ungefähr 15 Jahren begann die Zeit, als immer wieder Taxilenker überfallen wurden. Ich denke, das hing mit der Beschaffungskriminalität zusammen. Das war relativ neu. Wenn es in den Jahren zuvor Wickel gab, haben Kollegen sofort über Funk Verstärkung in Form von anderen Taxilenkern angefordert. Die waren schneller zur Stelle als die Polizei. Das lag daran, dass alle zusammen über Sprechfunk miteinander verbunden waren und mithorchten. Mittlerweile wird über Datenfunk kommuniziert. Ich hab mich übrigens der Zunft der Taxilenker nie besonders zugehörig gefühlt. Ich fahre einfach gern mit dem Auto.

Was einen guten und was einen schlechten Fahrgast ausmacht? Hm. Es gibt, wenn auch selten, Gäste, die glauben, den Weg besser zu kennen als ich, obwohl ihre vorgeschlagene Route ein längerer Umweg wäre. So etwas ärgert mich ein bisserl. Mir geht es ums Prinzip, nicht ums Geld. Der Kunde ist König. In solchen Fällen kommt es dann vor, dass ich sag: 'Ich fahr sie gratis', weil ich mich derart über die Besserwisserei ärgere. Da sind die Leut ganz schön baff.

Fürs Warten belohnt

Am liebsten chauffiere ich Menschen, die an ihrem Ziel sagen, ich solle bei laufendem Taxameter auf sie warten. Zehn Minuten oder noch besser eine halbe Stunde. In dem Fall kann ich in Ruhe Zeitung lesen und werde sogar dafür entlohnt. Das taugt mir.

Wie lange ich den Job noch machen werde? In dreieinhalb Jahren muss ich zu einer Untersuchung, da wird sich die Frage klären, ob mein Taxischein verlängert wird. Dann werde ich fast 80 sein, es schaut also nicht besonders gut aus. Aber man muss in diesem Punkt erwähnen, dass unser Job viel Verantwortung mit sich bringt. Wir sind immerhin Vertrauenspersonen. Ich habe von Kollegen gehört, die auf Fahrten der Herzschlag traf. Und die waren jünger als ich. Es gibt also meinerseits durchaus Verständnis für Einschränkungen in puncto Alter.

Warum so wenige Frauen Taxi fahren, darüber kann ich nur mutmaßen. Früher waren es mehr. Aber auch wenige. Vielleicht sind Frauen ängstlicher oder weniger am Autofahren interessiert. Ich weiß es nicht.

Ich würde jungen Menschen nicht empfehlen, in meinen Job einzusteigen. Die Arbeitsbedingungen, die Entlohnung und die Sozialleistungen sind meiner Meinung nach ein Albtraum. Als dann Uber in den Markt eindrang, war unser Geschäft eh schon ziemlich zusammengebrochen. Dann kam die Pandemie samt Lockdowns. Was soll ich Ihnen sagen? Obwohl es sich aus verschiedenen Gründen ein Stück weit erholt hat, möchte ich erwähnen, dass für mich das Geschäft bereits vor 35 Jahren immer mehr vor die Hunde ging. Zuvor war es ein Paradies. Viele, vor allem die Arbeiter, hatten noch kein Geld für ein Auto. Es gab keine Massenmotorisierung. Das Taxifahren war außerdem relativ billig, weil die Nachfrage so groß war. Und die öffentlichen Verkehrsmittel spielen natürlich ebenso eine Rolle. Man muss sich vorstellen, dass es keine U-Bahn in die Innenstadt gab. Zu Stoßzeiten stellten sich Taxis als echte Mangelware heraus.

Unterm Strich möchte ich aber trotz allem sagen, dass ich wahrscheinlich alles wieder genauso machen würde wie seinerzeit. Es war nie so, dass ich meine Zeit bereut hätte." (Michael Hausenblas, 19.9.2022)