Edzard Ernst wurde so wie Charles III. im Jahr 1948 geboren. Doch das ist nicht das Einzige, was den aus Deutschland stammenden Mediziner und Wissenschafter mit dem neuen britischen König verbindet: Ernst, der bis 1993 Professor an der Universität Wien war, wechselte unmittelbar danach an die Uni Exeter. Er erhielt dort die weltweit erste Professur für Alternativmedizin, die auch auf Initiative des damaligen Prinzen Charles eingerichtet wurde.

Doch bald zeigte sich, dass Charles und Ernst sehr unterschiedliche Zugänge und Vorstellungen hatten: Während der Thronfolger Ideen unterstützte, Alternativmedizin und Homöopathie zur medizinischen Routine zu machen, wollte Ernst unvoreingenommen prüfen, welche Methoden helfen und welche schaden. Das ging nicht allzu lange gut.

Charles III. und die Homöopathie

In einem von Charles mitinitiierten Bericht sollte etwa vorgeschlagen werden, Asthmapatienten mit Homöopathie zu behandeln. Ernst nannte den Bericht "skandalös und voller Fehler", was letztlich dazu führte, dass eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet wurde, weil er angeblich eine Verschwiegenheitsklausel gebrochen hatte. Trotz eines Freispruchs ging Ernst vorzeitig in den Ruhestand, die Professur verwaiste. In der Sache hat er sich freilich durchgesetzt: Homöopathische Mittel dürfen in Großbritannien seit 2010 nicht mehr als wirksam beworben werden.

Der renommierte Mediziner und Fellow mehrerer (auch royaler) Gelehrtengesellschaften ist dabei kein grundsätzlicher Kritiker der Alternativmedizin. Eines der rezenteren seiner rund 50 Bücher heißt "Alternativmedizin – was hilft, was schadet: Die 20 besten, die 20 bedenklichsten Methoden".

Edzard Ernst, "Charles, the Alternative Prince. An Unauthorised Biography", € 18,40 / 210 Seiten. Societas, London 2022

In seinem aktuellen Werk allerdings, das Anfang dieses Jahres unter dem Titel "Charles, the Alternative Prince" erschien, rechnete Ernst, der seit 1999 britischer Staatsbürger ist, gründlich mit den alternativmedizinischen Irrungen des Thronfolgers ab.

STANDARD: Der bis vor kurzem letzte Karl am britischen Thron, Charles II., war ein großer Förderer der Wissenschaften. Unter seiner Regentschaft wurde beispielsweise 1660 die Royal Society gegründet, bis heute eine der wichtigsten Gelehrtengesellschaften weltweit. Wie würden Sie das Verhältnis von Charles III. zur Wissenschaft beschreiben?

Ernst: Das lässt sich einfach zusammenfassen. Charles III. hat einmal gesagt, er sei stolz darauf, als "Feind der Aufklärung" bezeichnet zu werden. Damit wollte er wohl zum Ausdruck bringen, dass er sich gegen das rationale Denken stellt.

STANDARD: Sie haben sich in Ihrem neuen Buch "Charles, the Alternative Prince" vor allem mit den alternativmedizinischen Neigungen des neuen britischen Königs befasst. Woher rührt diese Leidenschaft von Charles für Homöopathie und andere fragwürdige Heilverfahren?

Ernst: Seit es die Homöopathie gibt, gehörte die britische Königsfamilie zu den Homöopathie-Verfechtern. Charles hat aber nicht nur die Homöopathie gefördert, sondern auch viele andere alternativmedizinische Verfahren. Was dabei auffällt, ist, dass er sich immer nur die bizarrsten und unplausibelsten herauspickt und diejenigen, die ansatzweise evidenzbasiert sind, beiseitelässt. Das mag daran liegen, dass er stets das Mystische und Antiwissenschaftliche bevorzugt. Schon als junger Mann ist er von Laurens van der Post auf diesen Weg geführt worden, einem aus Südafrika stammenden Esoteriker und selbsternannten Guru.

STANDARD: Sie haben eine lange indirekte Geschichte mit Charles der sich 1993 für eine Professur für Alternativmedizin an der Uni Exeter einsetzte, die Sie – von der Uni Wien kommend – erhielten. Ihre Sichtweisen haben sich bald als wenig kompatibel herausgestellt. Ahnten Sie damals, worauf Sie sich einließen?

Ernst: Nein, ich war sogar hocherfreut, dass jemand mit viel Einfluss sich für meine Forschung interessiert. Wie sich jedoch herausstellte, hatte Charles mit Forschung rein gar nichts am Hut. Er wollte Alternativmedizin in die medizinische Routine integrieren, während ich meinte, man müsste doch erst einmal prüfen, was da mehr Nutzen als Schaden bringt.

STANDARD: 2005 kam es dann zum Konflikt mit Charles. Bekamen Sie da keine Unterstützung von Ihrer Universität?

Ernst: Mein Dekan hat sich damals nicht direkt gegen mich gestellt, aber auch nicht vor mich. Er hat eine Untersuchung eingeleitet, die 13 Monate dauerte und mein Department zerstört hat. Schlussendlich wurde ich freigesprochen, und ich bin freiwillig in verfrühten Ruhestand gegangen, weil mein Department in Trümmern lag. Die Professur wurde dann auch nicht mehr nachbesetzt. Das war für mich persönlich nur etwas ärgerlich. Aus wissenschaftlicher Perspektive war es mehr als das: Letztendlich hat Charles das weltweit einzige Forschungsinstitut, das die Alternativmedizin systematisch und kritisch evaluiert hat, auf dem Gewissen.

Edzard Ernst in einem ausführlichen Gespräch über sein Buch.
Center for Inquiry

STANDARD: Sie haben Charles am Ende der Auseinandersetzung etwas polemisch als "Schlangenölverkäufer" bezeichnet? Würden Sie das heute auch noch tun?

Ernst: Sicher! Er hat damals tatsächlich Schlangenöl verkauft, und deshalb hat er diese Bezeichnung verdient. Ich sehe darin auch keine Polemik, sondern nur mutige Aufrichtigkeit. Als König wird er das aber sicher nicht wiederholen, denn es war für ihn eine grandiose Niederlage. Er musste die fraglichen Tinkturen damals bald wieder vom Markt nehmen.

STANDARD: Wie hat sich Charles eigentlich während der Pandemie verhalten? Gab es da Aussagen, die sich gegen wissenschaftliche Evidenz richteten?

Ernst: Er hatte zweimal Covid und hat sich insbesondere das erste Mal rasch erholt. Die Welt der Homöopathie behauptete damals, dass das ein Verdienst der Homöopathie gewesen sei. Das wurde von Charles dann aber doch scharf zurückgewiesen.

STANDARD: Charles engagiert sich auch für den Klimaschutz. Ist das für Sie nicht ein Widerspruch zu seiner Antiwissenschaftlichkeit?

Naturfreund Charles III. gilt auch als engagierter Klimaschützer – ohne dabei notwendigerweise der Wissenschaft zu folgen.

Ernst: Nein, da gibt es keinen Widerspruch. Charles steht für alles Natürliche. Er meint, die Natur stelle nur Gutes für uns bereit, und vergisst offensichtlich, dass Viren, Sturmfluten oder Ähnliches auch natürlich sind. Schade ist, dass er wegen seiner Quacksalberei zum Gespött der Wissenschaft geworden ist, deren Vertreter ihn nicht mehr ernst nehmen können, selbst wenn er zufällig einmal richtig liegt.

STANDARD: Wie wird sich Charles Ihrer Einschätzung nach als König in Sachen Alternativmedizin und Klimaschutz verhalten?

Ernst: Er wird sich mit großen Proklamationen zurückhalten müssen. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht seinen Einfluss indirekt gelten machen wird.

STANDARD: In einem Interview vor ein paar Jahren meinten Sie angesichts der Aussagen von Charles, dass dieser das beste Argument sei, die Monarchie abzuschaffen. Denken Sie das nach wie vor?

Ernst: Heute meine ich, dass man ihm eine Chance geben muss. Schließlich hat er lange genug auf den Job warten müssen. Allerdings wär es schon schön, wenn unser Staatsoberhaupt etwas mehr Wissenschaftsverständnis an den Tag legen könnte. (Klaus Taschwer, 17.9.2022)