Gegensätzliche Signale im März 2022 während des Prozesses. Vor Gericht gab "Mr. Bond" alias Philip H. reuige Statements ab. Den Fans zeigte er ein Smiley, mit dem er vordergründig sein Gesicht abdeckte.

Foto: APA/TOBIAS STEINMAURER

"In der U-Haft habe ich erkannt, dass mein Handeln falsch war. Ich war verblendet und will mich aufrichtig entschuldigen. Es tut mir leid", zeigte sich der 37-jährige Kärntner Philip H. noch im März betroffen.

H. stand damals wegen NS-Wiederbetätigung in 57 Fällen vor einem Wiener Geschworenengericht. Jahrelang hatte er als Rapper "Mr. Bond" Lieder aufgenommen, in denen er zum Mord an Juden und Homosexuellen aufrief, Gewaltphantasien zelebrierte und den Holocaust leugnete. Zuletzt hatte er das rassistische Manifest des Christchurch-Attentäters übersetzt und im Internet verbreitet. Als ein Neonazi im deutschen Halle seine Musik dann als "Kommentar" zu seiner bewaffneten Attacke auf eine Synagoge spielte, wurde auch die österreichische Polizei auf "Mr. Bond" aufmerksam. Am 31. März wurde er schließlich wegen NS-Wiederbetätigung und besonderer Gefährlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt. Sein Anwalt legte Berufung sowie eine Nichtigkeitsbeschwerde ein. Mit einer Entscheidung dazu ist in den kommenden Monaten zu rechnen.

Kryptische Aufrufe an Fans

"Ich möchte mich klar von Gewalttaten distanzieren und entschuldigen", hatte H. vor der Urteilsverkündung den Geschworenen gegenüber beteuert. Vor seinen Unterstützern hingegen gibt er sich weniger geläutert: "Ich halte es tatsächlich für wahrscheinlich, dass ich aufgrund eines Finanzcrashs, militärischen Konflikts oder Blackouts hier früher rauskomme", schreibt er jüngst in einem offenen Brief. Darin ruft er seine Fans kryptisch dazu auf, sich "mit Gleichgesinnten zu vernetzen", um sich darauf vorzubereiten, ihre "Wirkungskraft" zu entfalten.

Der 37-Jährige selbst ist bereits gut vernetzt: In Briefen, die dem STANDARD vorliegen, gibt Philip H. Hinweise auf seine zahlreichen Kontakte in neonazistische Zirkel, etwa den extrem rechten Musiker Morrakiu ("Hitler did nothing wrong") sowie das politisch ähnlich gelagerte Onlineportal TheRightStuff (TRS). In den Foren von TRS war es auch, wo H.s Bruder, Benjamin H., seine antisemitische Hetz-Website JudasWatch entwickelte. Zuletzt erwähnte Philip H. einen Freund, "einen Zeitungsherausgeber aus Ohio, der gerne in Südostasien reist". Eine Beschreibung, die unzweifelhaft auf Andrew Anglin zutrifft. Anglin ist ein US-amerikanischer Holocaust-Leugner, Betreiber der antisemitischen Website DailyStormer und seit Jahren auf der Flucht vor den US-amerikanischen Behörden. In seinem Heimatland würden ihm wegen seiner Publikation zahlreiche Strafverfahren drohen. H. pflegte vor seiner Inhaftierung offenbar ein Netzwerk hochkarätiger Faschisten.

Mit manchen seiner Neonazi-Kontakte hält "Mr. Bond" aber sogar in Haft die Kommunikation aufrecht, etwa mit den extrem rechten Aktivisten des Nordic Resistance Movement (NRM). Das NRM ist eine Skandinavien-übergreifende Organisation, deren Mitglieder immer wieder mit Gewalttaten in Zusammenhang gebracht wurden. In Finnland wurde die Organisation deshalb bereits im Jahr 2017 verboten.

Briefwechsel mit US-Neonazi-Aktivistin

Zahlreiche Briefe ausgetauscht hat Philip H. auch mit der US-Neonazi-Aktivistin Lindsey K. R. "Make antisemitism great again!", änderte sie einen Wahlspruch Donald Trumps ab, um ihrem Hass auf Juden Ausdruck zu verleihen. "Ich soll nicht über Politik sprechen, hat mir sein Anwalt geraten", schrieb R. in Vorbereitung auf ein Videotelefonat mit dem inhaftierten Österreicher. "Damit kann ich wohl meine ganzen Fragen an Philip vergessen, wie wir die NSDAP wieder an die Macht bringen sollen", witzelte sie. Bekenntnisse, die von der Frau aus Massachusetts üblicherweise ernst gemeint sind: "Ich bin Nationalsozialistin im Sinne Adolf Hitlers." Wie die deutsche "Tagesschau" berichtete, trat R. vergangenes Jahr beim "Miss Hitler"-Schönheitswettbewerb an, zeigte sich dort mit Wehrmachtsmütze und Hakenkreuzen. Ihre Bewunderung von Neonazi-Attentätern lässt sie nicht los.

Der Kärntner Philip H. im März auf der Anklagebank.
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Das Datum des offenen Briefs H.s interpretiert sie als Hinweis: "Breivik! Er kann den Brief nicht erst acht Tage vor dem Einlangen abgeschickt haben." Hinter dem Datum vermutet Lindsey K. R. einen versteckten Hinweis auf das Attentat Anders Breiviks. Der Neonazi hatte am 22. Juli 2011 in Norwegen 77 Menschen getötet und viele weitere schwer verletzt.

Während der Rapper "Mr. Bond" früher weitgehend heimlich agierte, zeigt sich Philip H. seit seiner (nicht rechtskräftigen) Verurteilung selbstbewusst in uneindeutig politischem Umfeld. Auch erkennbar ist dies an seiner Besucherliste. Unmittelbar nach dem Urteilsspruch gegen H. und dessen Bruder besuchte ihn etwa der rechtsextreme Blogger Junes Lokka in Haft. Der finnische Aktivist war zur Prozessbeobachtung nach Wien angereist und berichtete im Anschluss online über seine Eindrücke: "Antifa, Medien und Polizei, das ist alles der gleiche Scheiß" und "Mr. Bond sollte Asyl in den USA bekommen". In Briefen drückt Philip H. seine Freunde über den Besuch des "finnischen Freundes" aus.

Skandinavische Kontakte

Junes Lokka ist in Skandinavien kein Unbekannter. Der Streamer wurde vor allem durch seine Klage gegen die finnische Journalistin Johanna Vekhoo bekannt. Diese hatte den wegen Rassismus verurteilten Lokka als "Rassist" und "Nazi-Clown" bezeichnet. In der zweiten Instanz bekam die Journalistin recht, die Klage wurde abgewiesen. Darüber hinaus machte sich der Mann einen Namen, indem er sich in der Lokalpolitik engagierte und dort sowie in sozialen Medien gegen Migranten und Muslime Stimmung machte.

Weniger bekannt ist ein anderer Besucher H.s. Tiit P., der extra aus Estland nach Wien geflogen ist. In den sozialen Medien teilt der junge Mann Fotos von Sehenswürdigkeiten der österreichischen Bundeshauptstadt. Wenige Tage zuvor präsentierte er sich online noch voller Stolz im Hakenkreuz T-Shirt, ebenso wie mit einer Ausgabe von "Mein Kampf" und verherrlichenden Bildern von neonazistischen Attentätern. "Judenfrei" steht anstelle von P.s Heimatland auf einer Landkarte, die er online verbreitete. Daneben ein gezeichneter Sarg und die Zahl 942, die Anzahl der zwischen 1941 und 1942 in Estland getöteter Juden und Jüdinnen. P.s Posting zeigt eine Karte des SS-Brigadeführers Walter Stahlecker vom Baltikum, die den Fortschritt der Massentötung der jüdischen Bevölkerung dokumentieren sollte. Tiit P. kommentiert dazu: "Lasst Juden einen 1942er-Backflash haben."

Backlash

Philip H. arbeitet in Haft an seinem eigenen Backflash in die Zeit vor seiner Verhaftung, als er noch online in regem Austausch mit Neonazis aus der ganzen Welt stand. P. aus Estland berichtet nach dessen Besuch im Gefängnis in einer Online-Neonazigruppe: "Philip freut sich über Besuch – aber nur auf eigenes Risiko. Und am besten niemand aus Österreich." (red, 19.9.2022)