Goldene Zwanziger: Otto Rudolf Schatz war ein wichtiges Hagenbund-Mitglied. "Die Hoffnung" von 1930.
Foto: Leopold-Museum, Wien © Bildrecht, Wien, 2022

Ein Regenbogen rahmt die karge Felslandschaft von Emilie Mediz-Pelikan und färbt sie sogar in bunte Töne. Daneben reichen sich in der mystischen Szenerie von Karl Mediz zwei nackte Nymphen als Wasser und Baum die Hände. Den Gemälden des Künstlerpaares wurde 1903 eine der ersten Ausstellungen des Hagenbundes gewidmet. Im selben Jahr soll Kaiser Franz Joseph die Künstlervereinigung an ihrem neuen Ausstellungsort – einer umgestalteten Markthalle in der Zedlitzgasse beim Wiener Stadtpark – besichtigt und für gut befunden haben.

Zu Beginn noch gemäßigt und "publikumsfreundlich", riefen die Ausstellungen nicht einmal zehn Jahre später Skandale und heftige Kritik hervor. Robert Musil bezeichnete den Hagenbund sogar als "radikalste Gruppe" der Kunstszene.

Ebendieser widmet das Leopold-Museum seine umfassende Herbstausstellung Hagenbund. Von der gemäßigten zur radikalen Moderne. Mit 96 Gemälden, Keramiken und Dokumenten wird die Künstlervereinigung vor den Vorhang geholt. Anfang des 20. Jahrhunderts galt sie neben dem Künstlerhaus und der Wiener Secession als dritter Zusammenschluss bildender Künstler in Österreich. Zuletzt beleuchtete (und erforschte) das Belvedere 2014 dieses oft ignorierte Kapitel Kunstgeschichte, das 1938 durch die Auflösung des Hagenbunds endete.

Emilie Mediz-Pelikan und ihrem Partner Karl Mediz wurde 1903 eine eigene Ausstellung im Hagenbund gewidmet. Hier das Gemälde "Ruine Dürnstein mit Regenbogen" von Mediz-Pelikan (1900).
Foto: Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien

Künstlerhaus, Secession, Hagenbund

Drei Jahre nachdem sich die Wiener Secession 1897 gegründet und von der renommierten Gesellschaft bildender Künstler Österreichs – dem Künstlerhaus – abgespalten hatte, taten dies auch weitere 22 Künstler. 1900 schlossen sie sich zum Künstlerbund Hagen zusammen und machten ihr eigenes Ding. Bereits in den 1880er-Jahren hatten sich Künstler im Bierlokal Zum blauen Freihaus getroffen und nach dessen Besitzer Josef Haagen benannt. Zu konservativ und innovationsfeindlich wurde die Stimmung am tonangebenden Künstlerhaus, junge Talente wurden kaum gefördert. All dem stemmte sich der Hagenbund fast 40 Jahre lang als progressive Kraft entgegen.

1902 wurde die Zedlitzhalle von der zentralen Figur, dem Architekten Joseph Urban, gestaltet und als eigenes Ausstellungshaus eingeweiht. Die Vereinigung entwickelte sich zu einem Förderer moderner Kunst und europaweiten Netzwerk. International bekannte Künstler wie Arnold Böcklin, Edvard Munch und Lovis Corinth wurden gezeigt. Zu den wichtigsten österreichischen Mitgliedern zählten Otto Rudolf Schatz und Carry Hauser, von denen beeindruckende Gemälde in der Ausstellung vertreten sind.

Skandalbild "Eremiten" (1912) von Egon Schiele.
Foto: Leopold Museum, Wien

Plattform der Avantgarde

Vor dem Ersten Weltkrieg avancierte der Hagenbund schnell zur bedeutenden Plattform der Avantgarde, die anfangs von Jugendstil, Symbolismus und Impressionismus beeinflusste Landschaftsmalerei und Bildhauerei wurde ab den 1910er-Jahren mehr und mehr abgelöst. Expressionistische Werke von Egon Schiele, Oskar Kokoschka und Mitgliedern der Neukunstgruppe (Albert Paris Gütersloh, Sebastian Isepp, Anton Kolig) führten zu Furor in der Szene. Vor allem die Werke Kokoschkas erregten die Gemüter. Ein Stillleben mit Hammel? Auch Erzherzog Franz Ferdinand soll scharfe Kritik geübt haben. Ein Zeitungsartikel bezeichnete die Skandalausstellung 1911 als "wahre Folterkammern des Auges".

Doch der progressive Hagenbund ließ sich nicht beirren und bot nicht nur jungen Künstlern einen Ausstellungsort, ohne den sie sonst keine Präsentationsmöglichkeit gehabt hätten, sondern unterstützte auch aktiv Künstlerinnen. Sogar in Einzelshows! Zu der Zeit noch unüblich, wurden von Anfang an in den Ausstellungen auch Werke von Frauen gezeigt, darunter Helene Funke, Frieda Salvendy und Lilly Steiner. Nach 1924 durften sie außerordentliche Mitglieder werden, die anderen Vereinigungen brauchten noch bis 1945 für diesen Schritt.

Förderung von Künstlerinnen: "Porträt Lilian Gaertner" (1927) von Lilly Steiner.
Foto: Galerie Widder, Wien

Raus aus dem Schatten!

Die Entwicklung des vorherrschenden Stilpluralismus im Hagenbund zeichnet die von Dominik Papst, Stefan Üner und Leopold-Direktor Hans-Peter Wipplinger kuratierte Ausstellung im Spiegel der Zeit nach. Durchbrochen wird die Chronologie von Themenschwerpunkten (Arkadenlandschaften, Zwanzigerjahre, religiöse Motive) sowie stilistischen Fokussierungen (kubistische Formen, Neue Sachlichkeit und sogar abstrakte Tendenzen). Dicht, intensiv und am damaligen Puls der Zeit.

Doch warum stand der Hagenbund trotz allem stets im Schatten der Secession und genießt auch bis heute viel weniger Bekanntheit? Als Gründe werden einerseits der Verlust des Ausstellungshauses 1938 angeführt, der als wichtiger Identifikationsort diente, sowie die durch die politische Situation der NS-Zeit erzwungene Emigration und Ermordung zahlreicher Mitglieder des Hagenbundes. Andererseits entwickelten sich, anders als bei den Secessionisten, unter den Mitgliedern des demokratischen Hagenbunds keine bekannten Namen heraus. Wipplinger dazu: "Alle wissen, wer Josef Hoffmann ist. Aber wer kennt Joseph Urban?" Höchste Zeit, dass auch er zur Marke wird. (Katharina Rustler, 19.9.2022)