Kirgisische Flüchtlinge aus Batken versammeln sich bei ihrer Ankunft an der kirgisisch-tadschikischen Grenze in Boz-Adir im Südwesten Kirgisistans.

Foto: AP/Danil Usmanov

Bischkek/Duschanbe – Bei schweren Kämpfen im Grenzstreit zwischen den Ex-Sowjetrepubliken Kirgisistan und Tadschikistan in Zentralasien sind nach Angaben beider Länder am Wochenende mindestens 81 Menschen getötet worden. Es seien bisher 46 Leichen und rund 140 Verletzte registriert worden, teilte das kirgisische Gesundheitsministerium am Sonntag mit.

Die Regierung im autoritär geführten Tadschikistan nannte am Sonntag erstmals auch Todeszahlen: Seit Mittwoch wurden demnach 35 Bürger getötet, darunter Frauen und Kinder. Zuvor hatten sich Kirgisistan und Tadschikistan gegenseitig beschuldigt, eine vereinbarte Feuerpause nicht einzuhalten. Der russische Präsident Wladimir Putin rief beide Seiten zur Deeskalation auf.

Kirgisistan gab an, bei den Toten handle es sich vorwiegend um Zivilisten. Den Behörden zufolge wurden zudem vier kirgisische Soldaten vermisst.

Drohnenangriff auf Moschee

Auf tadschikischer Seite wurden den Angaben zufolge unter anderem zwölf Menschen bei einem kirgisischen Drohnenangriff auf eine Moschee getötet, sechs weitere bei einem Drohnenangriff auf eine Schule und sieben beim Beschuss eines Krankenwagens. Die Angaben konnten zunächst nicht von unabhängiger Seite überprüft werden. Am Sonntag war die Lage zunächst ruhig und schien sich zu stabilisieren.

Die Präsidenten Kirgisistans und Tadschikistans hatten sich am Freitag auf eine Feuerpause geeinigt. Beide Länder warfen sich schon kurz darauf vor, die Vereinbarung verletzt zu haben.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor mehr als 30 Jahren streiten die beiden Länder über den Verlauf der rund 1.000 Kilometer langen Grenze an zahlreichen Stellen. Dabei flammen immer wieder Gefechte auf. Auf kirgisischer Seite mussten nach Angaben des Zivilschutzes in Bischkek rund 137.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. In mehreren Orten liefen demnach Sammlungen von Hilfsgütern, um die humanitäre Lage in den Griff zu bekommen. Ein Schwerpunkt der Kämpfe lag um die kirgisische Grenzstadt Batken.

Gegenseitige Anschuldigungen

Die Hochgebirgsländer an der Grenze zu China gaben sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation. Es wurden immer wieder Feuerpausen vereinbart, die wenig später gebrochen wurden. In der Region sollen schwere Artillerie, Kampfhubschrauber und Drohnen im Einsatz sein. Es starben Uniformierte und Zivilisten. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe berichtete, dass diesmal auch lange Zeit ruhige Grenzregionen umkämpft seien.

Der kirgisische Außenminister Dscheenbek Kulubajew teilte nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres am Samstag mit, dass sich Bischkek lediglich verteidige. Es gebe schwere Schäden an der Infrastruktur, darunter an Schulen. Guterres wolle sich am Rande der UN-Generalversammlung auch mit dem kirgisischen Präsidenten Sadyr Schaparow am Dienstag in New York über die Lage austauschen – und mit der tadschikischen Seite, hieß es. Guterres forderte die Regierungen auf, den "Dialog für eine dauerhafte Feuerpause" zu suchen.

Putin als Vermittler

Putin rief die Präsidenten am Sonntag in persönlichen Telefonaten dazu auf, eine "weitere Eskalation" zu vermeiden. Beide Länder sollten Maßnahmen ergreifen, um die Situation so schnell wie möglich zu lösen – und zwar "ausschließlich auf einem friedlichen, politischen und diplomatischen Weg". Moskau hatte sich zuvor bereiterklärt, bei der Suche nach einer "langfristigen" Lösung des Grenzkonflikts zu helfen. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken sind Teil des von Russland angeführten Militärbündnisses Vertrag über kollektive Sicherheit.

Auch in anderen Regionen des postsowjetischen Raums eskalierten zuletzt seit Jahren schwelende Konflikte. So griff etwa vor einigen Tagen im Südkaukasus Aserbaidschan sein Nachbarland Armenien an. Beobachter befürchten, dass solche Spannungen zunehmen, weil Russland, das eigentlich in der gesamten Region militärisch sehr präsent ist, derzeit Krieg gegen die Ukraine führt. (APA, dpa, 18.9.2022)