Dieses Jahr trifft man sich im UN-Hauptquartier in New York wieder physisch.

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Zum ersten Mal seit drei Jahren findet die Generalversammlung der Vereinten Nationen diese Woche wieder in voller physischer Präsenz der Staats- und Regierungschefs in New York statt. Die Corona-Pandemie, die Ende 2019 von China aus ihre weltweite Verbreitung begonnen hatte, hatte dies wegen der strengen Quarantänemaßnahmen unmöglich gemacht.

Am kommenden Dienstag eröffnet UN-Generalsekretär António Guterres den diplomatischen Gesprächsreigen im Hauptquartier, das an die 150 Staatsoberhäupter für medienwirksame Auftritte und bilaterale Treffen nützen wollen. Insgesamt gibt es 193 Mitgliedsländer.

Seit der letzten Generalversammlung hat sich vor allem die wirtschaftliche Lage global deutlich verändert. Inflation und Wachstumseinbrüche lasten auf den meisten Ländern. Ganz im Zentrum der Debatten dürften der seit Februar tobende Krieg in der Ukraine und seine Folgen stehen, insbesondere die Gefahr von Hungerkatastrophen, weil die Versorgung mit Getreide aus dem von Russland militärisch angegriffenen und teilbesetzten Land ins Stocken geraten ist.

Putin und Xi nicht dabei

Russlands Präsident Wladimir Putin wird jedoch ebenso wenig zum UN-Hauptsitz anreisen wie sein chinesischer Kollege Xi Jinping. Die beiden hatten beim Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) mit Indien in Samarkand gerade erst ihre Partnerschaft erneuert. Von Moskau, das im Sicherheitsrat ein Eingreifen der UN im Ukraine-Krieg blockiert, ist aber ohnehin kaum ein Einlenken zu erwarten.

Viele Staats- und Regierungschefs reisen von London aus an, wo sie Montag an den Trauerfeierlichkeiten für die verstorbene Queen teilgenommen haben werden. Unter ihnen ist auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Er wird bei der 77. UN-Generalversammlung ebenso zu Wort kommen wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der Montag bei einem Gipfel über Bildungstransformation spricht. Dazu kommt noch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der New York für ein gutes Dutzend bilateraler Gespräche mit Amtskollegen nützt. Am Mittwoch treffen alle drei mit Generalsekretär Guterres zusammen.

Schallenberg erklärte im Vorfeld, es werde aus europäischer Sicht vor allem darum gehen, die Geschlossenheit bei der Verurteilung des russischen "Aggressionskrieges" und bei den EU-Sanktionen zu demonstrieren. Gleichwohl werde es nötig sein, alle diplomatischen Kanäle zu nützen, um auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen zu drängen.

Langer Stellungskrieg

Er stellt sich darauf ein, dass es so bald nicht zu einer Friedenslösung kommt, rechnet mit einem langen Stellungskrieg. Die Europäer werden wohl noch lange mit Putin als Gegenüber zu tun haben. Es werde nötig sein, "das Narrativ der russischen Propagandamaschinerie zu entlarven und an der Seite der ukrainischen Bevölkerung zu stehen".

Gerade am Hauptsitz der UN müsse deutlich gemacht werden, dass das Völkerrecht über dem Recht des Stärkeren stehe, wir "für eine auf Regeln basierte Weltordnung kämpfen".(Thomas Mayer, 19.9.2022)