Am 21. September wollen die "Soldaten für Neutralität" in Wien demonstrieren. Mit dabei: Verschwörungsideologen.

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Das Thema klingt auf den ersten Blick unverfänglich. Am 21. September wollen die "Soldaten für Neutralität" in Wien demonstrieren. "Für die Neutralität Österreichs", wie auf ihrer Homepage zu lesen ist. Es geht um die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, gegen einen möglichen Nato-Beitritt und gegen die Zusammenarbeit des Bundesheers mit US-Geheimdiensten. Bei der Kundgebung soll ein Redner aus Deutschland, der vor Jahrzehnten in der Bundeswehr war, darüber sprechen, wie eine "kleine imperiale Geld-Elite" mithilfe "der Nato als militärischem Dominanz-Instrument über Europa" herrschen wolle.

Das klingt nicht zufällig wie aus einer Rede auf einer Corona-Demonstration. Einige der "Soldaten" sind in dem Milieu aktiv. Neben einem ehemaligen General und einem Oberst des Bundesheers gehören diesem Kreis mit Brigadier Johann Gaiswinkler und Oberst Hermann Mitterer auch zwei aktive Offiziere des Heeres an. Beide wollen Reden auf der Kundgebung in Wien halten. Ihre hohen Posten beim Bundesheer verleihen ihnen Glaubwürdigkeit in der Szene. Hätten sie diesen Job nicht, müssten sie wohl als die Obskuranten auftreten, die sie sind.

T-Shirt mit Zitat aus Neonazi-Gedicht

Gaiswinkler hat für Schlagzeilen gesorgt, da er in einem Video als scharfer Kritiker des Corona-Managements der Regierung auftrat und dabei ein T-Shirt trug, auf dem sich ein Spruch aus einem Neonazi-Gedicht befand. Nach einem Disziplinarverfahren wurde er versetzt. Im November 2021 unterzeichnete er einen "offenen Brief", in dem massiv gegen die Impfung gewettert wird und diese gar mit einer Vergewaltigung gleichgesetzt wurde. Diesen Brief unterzeichnete auch Mitterer, der seit Jahren mit Verschwörungserzählungen auffällt.

Gaiswinkler sorgte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen.

Mitterer verfasste ein Buch mit dem Titel "Bevölkerungsaustausch in Europa: Wie eine globale Elite die Massenmigration nutzt, um die einheimische Bevölkerung zu ersetzen". Erschienen ist es im Dezember 2018 im einschlägigen Kopp-Verlag. Der Titel enthält die klassischen rechtsextremen Schlüsselbegriffe, wie sie auch die dentitären verwenden oder in seinem "Manifest" der Attentäter von Christchurch, der im März 2019 51 Menschen ermordete und dem Identitären-Anführer Martin Sellner Geld spendete. Seitens des Bundesheers hieß es zu dem Buch, dass es intern überprüft wurde.

Oberst Hermann Mitterer 2021 als Redner bei einer Corona-Demo in Linz.
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Mitterer ist auch in einem Personenkomitee für Walter Rosenkranz, den FPÖ-Kandidaten bei der Bundespräsidentschaftswahl, zu finden – neben Hannes Brejcha, der zahlreiche Corona-Demonstrationen in Wien mitorganisierte, und einer "Aktivistin um Corona- und Impf-Widerstand". Getragen wird dieses Komitee von der extrem rechten "Initiative Heimat und Umwelt".

Frieden mit Russland forderte die "Initiative Heimat und Umwelt" auf einem Transparent (links) bei einer Corona-Demo in Wien.
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Mitterer kommt aus dem Heeresnachrichtenamt des Bundesheers, das für die Auslandsaufklärung zuständig ist und seit Jahrzehnten eng mit deutschen und US-Geheimdiensten zusammenarbeitet. Symbol dieser Zusammenarbeit ist die Abhörstation Königswarte bei Hainburg, von der aus während des Kalten Krieges Telefon- und Funkverkehr im Ostblock und auf dem Balkan abgehört wurde. Heute zapft sie auch Kommunikationssatelliten an. Die gewonnenen Informationen werden anderen westlichen Geheimdiensten zur Verfügung gestellt – im Austausch für andere Informationen. Die "Soldaten für Neutralität" kritisieren diese Zusammenarbeit und sehen die Königswarte als Beteiligung am Drohnenkrieg der USA. Ob und wie Mitterer aktuell für das Heeresnachrichtenamt tätig ist, beantwortet das Bundesheer nicht.

Bundesheer: Freie Meinungsäußerung

Bundesheersprecher Michael Bauer will zu dem Auftritt der Offiziere "keine Stellung nehmen". Er erwähnt das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber auch, dass Angehörige des Bundesheers "alles zu unterlassen haben, was das Ansehen des Bundesheers und das Vertrauen der Bevölkerung in die Landesverteidigung beeinträchtigen könnte". Das Bundesheer habe "eine klare und eindeutige Haltung zur Neutralität; diese beruht auf der Verfassung und den Gesetzen", sagt Bauer.

Ehemaliger General im MFG-Umfeld

Neben Mitterer soll bei der Demonstration mit Günther Greindl ein ehemaliger General des Bundesheers als Redner auftreten. Greindl ist im Milieu der Corona-Leugner und -Skeptiker bekannt, er trat mehrmals bei Kundgebungen der Impfgegnerpartei MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte) auf. Sein ehemaliger Job macht ihn zu einer Art Vorzeigedemonstrant der Bewegung. Zu den "Soldaten für Neutralität" zählt auch der ehemalige Bundesheeroberst Gottfried Pausch, der seit Jahren vor Blackouts warnt.

Russische Desinformation

Mit klaren Positionen halten sich die "Soldaten für Neutralität" auffallend zurück, allerdings findet sich auf ihrer Homepage der Hinweis auf einen offenen Brief, in dem unter dem Punkt "Lösungsansätze" das Ende der Sanktionen gegen Russland gefordert wird. In dem Brief wird nicht erwähnt, dass Russland die Ukraine überfallen hat – ähnlich wie auf der vermeintlichen Nachrichtenseite "Report 24", die in den vergangenen Monaten immer wieder russische Desinformation veröffentlichte. Sie unterstützt die "Soldaten für Neutralität".

Antiimperialist unterstützt "Soldaten für Neutralität"

Schützenhilfe bekommen die "Soldaten für Neutralität" auch von der Initiative "Selbstbestimmtes Österreich", hinter der maßgeblich ein "antiimperialistischer" Aktivist steht, der immer wieder mit antisemitischen Aussagen gegenüber Israel und Antiamerikanismus auffällt. Die Initiative spricht von "Nato-Kriegstreiberei", fordert "Frieden mit Russland" und macht die Ukraine für den russischen Überfall mitverantwortlich. So wie rechtsextreme Gruppen, die Wladimir Putin und seine Politik feiern. (Markus Sulzbacher, 19.9.2022)