Nach einer Durchbruchsinfektion kann man die vierte Impfung laut Fachleuten noch ein paar Monate aufschieben.

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Man will die Bevölkerung bloß nicht verwirren, hieß es Ende August vonseiten des Nationalen Impfgremiums (NIG). Deshalb wurden die Empfehlungen zum vierten Stich gegen das Coronavirus möglichst einfach formuliert: Der vierte Stich werde allen ab zwölf Jahren empfohlen, Infektionen spielen im Impfschema keine Rolle.

Am Ende hat die Empfehlung selbst Expertinnen und Experten verwirrt und unter Fachleuten für Unverständnis gesorgt. Schließlich seien Menschen, die geimpft und zusätzlich genesen sind, am besten geschützt, hieß es lange. Nun, drei Wochen später, wird die Empfehlung angepasst – Infektionen sollten im Impfschema doch nicht unbeachtet bleiben.

Frage: Wem wird welche Impfung empfohlen?

Antwort: Der vierte Stich wird nach wie vor grundsätzlich allen ab zwölf Jahren empfohlen. Die Anpassungen betreffen jene Menschen, die dreimal geimpft, jüngst genesen und unter 60 Jahre alt sind. Menschen mit ebendiesen vier Viruskontakten, die kein besonderes Risiko haben, können den Booster laut NIG-Empfehlung vorerst aufschieben.

Dreimal geimpfte Personen, die zusätzlich mit Omikron infiziert waren, haben nämlich eine sehr gute Immunität gegen die aktuell dominierenden Varianten BA.4 und BA.5. Für diese Gruppe an Menschen sei bis zu sechs Monate nach der Infektion durch den vierten Stich keine Verbesserung des Immunschutzes zu erwarten, "und damit kann die vierte Impfung entsprechend verschoben werden", schreiben die Fachleute des NIG.

Frage: Das war nicht immer so. Erst hieß es, dass Infektion für das Impfschema keine Rolle spielen – nun ist doch wieder das Gegenteil der Fall. Wie kam es dazu?

Antwort: Dass ursprünglich der vierte Stich für alle ab zwölf Jahren und unabhängig von kurz zurückliegenden Infektionen empfohlen wurde, hätte eine Vereinfachung der Impfempfehlung sein sollen, erklärt Herwig Kollaritsch, Infektiologe und Mitglied des Nationalen Impfgremiums: "Wir wollten eine möglichst pragmatische und einfache Lösung."

Unter Fachleuten hatte diese pragmatische und einfache Lösung von Beginn an für Verwirrung und auch Unverständnis gesorgt. Die meisten Expertinnen und Experten waren sich einig, dass kürzlich zurückliegende Infektionen den Immunschutz deutlich erhöhen und Genesene deshalb mit einer weiteren Impfung ein paar Monate warten sollten.

Aber zu dem Zeitpunkt, als die Empfehlungen ausgearbeitet wurden, habe es die neuesten Publikationen zu diesem Thema noch nicht gegeben, sagt Kollaritsch auf Nachfrage des STANDARD. Eine Studie, die zeigte, dass dreifach Geimpfte mit Durchbruchsinfektion sehr soliden Schutz haben, sei "blöderweise genau am 2. September" – also zwei Tage nachdem das NIG die ursprünglichen Empfehlungen bekanntgab – publiziert worden.

Unmittelbar danach folgte eine zweite Studie – mit dem Ergebnis, dass eine vierte Impfung nach einer Infektion völlig sinnlos sei, weil man nach einer Infektion ohnehin so hohe Antikörperspiegel hat, dass eine Impfung keinen Effekt mehr zeigt. "Da es nun diese Evidenz gibt, können wir uns schlecht darüber hinwegsetzen. Deshalb haben wir das angepasst", erklärt Kollaritsch.

Frage: Soll man sich nach einer kurz zurückliegenden Corona-Infektion nun impfen lassen oder nicht?

Antwort: Nein, sofern man jung und gesund ist und auch sonst keine Risikofaktoren hat. (Eine ausführliche Entscheidungshilfe zu dieser Frage finden Sie hier.) Eine Impfung zu knapp nach einer Infektion könnte den Schutz vor dem Virus nämlich sogar eher verschlechtern als verbessern. Das liegt daran, dass die Antikörper nach einer Virusexposition – also nach einer Impfung oder Infektion – noch ein paar Monate nachreifen und sich in dieser Zeit verbessern. Durch eine Impfung könnte dieser Reifeprozess der Antikörper gestoppt werden, wie Studien zeigen.

Ebendiese Erkenntnis wurde nun auch in den Empfehlungen des NIG berücksichtigt, sagt Kollaritsch. Alle, die seit Mai infiziert waren – und dementsprechend mit großer Wahrscheinlichkeit Omikron BA.4 oder BA.5 hatten –, müssten sich jetzt nicht unmittelbar um eine vierte Impfung kümmern. Wenn sich manche trotzdem aus einem persönlichen Sicherheitsbedürfnis impfen lassen wollen, dann sollen sie das tun, sagt der Infektiologe. Die Empfehlungen sind offen genug formuliert, dass das möglich wäre. Es könne dabei nichts passieren, aber: "Es ist wahrscheinlich für die Fisch." (Magdalena Pötsch, 19.9.2022)