Der Donaupark. Sagt Ihnen nichts? So geht es vielen, die nicht hier in der Gegend wohnen oder in der Uno-City arbeiten. Das Riesenareal des Parks mit seinen "circa 632.966 Quadratmetern" (Quelle: wien.gv.at) schafft es, sich zu verstecken, auf seiner Insel hinter Donau und Entlastungsgerinne linker Hand und Alter Donau rechts, hinter der Uno-City und den Neubauten auf der Donauplatte.

Gewohnheitsmäßig verschlägt es uns von der U1-Station "Alte Donau" nämlich eher direttissimo ins Bundesbad, ins Strandbad Alte Donau, ins Eisenbahner-Strandbad oder ins Angelibad. Wenn man die Bäder einmal rechts liegen lässt und bei dem seit 1989 in prächtigstem Rotgold leuchtenden Tempel des China Sichuan Restaurant links abbiegt, steht man beim Eingang.

"Sparefroh-Spielplatz" steht hier, hier war einmal die Kinderabgabestation der WIG 64 – jener aufwendigen Gartenbauausstellung, die die landschaftliche Brache an der Donau erst zum Park machte. Europaweit waren Landschaftsausstellungen in der Nachkriegszeit eine praktische Methode, um unschöne Stadtteile aufzuwerten und auch gleich "die finsteren Jahre" verschwinden zu lassen.

Der "Sparefroh-Spielplatz"
Foto: Christian Fischer

Hier ist gleich die Station der schmalspurigen Donauparkbahn: Jeden Tag zwischen 10 und 18.30 Uhr zieht sie hier gegen den Uhrzeigersinn ihre Kreise (außer in der Winterpause oder bei Schlechtwetter, die Homepage des Betreibers informiert), Spurweite 381 Millimeter, Maximalsteigung 28 Promille, das ist nicht nichts, Fahrtdauer 20 Minuten, letzter Zug: 17.55 Uhr ab Station Donauturm. Uralte Pappeln wiegen sich im Wind, als wäre hier immer noch ein Überschwemmungsgebiet. Das Wiener Baumkataster hilft mir weiter: Die Frau Schwarzpappel mit der Nummer 4141, Pflanzjahr 1940, hat einen Stammumfang von 3,5, einen Kronendurchmesser von 16 bis 18 und eine Baumhöhe von 25 bis 30 Metern.

Das illegale "Bretteldorf"

Vor dem Donaudurchstich 1875 war hier sumpfige Au. Seit 1871 existierte an der Stelle eine k. u. k. Militärschießstätte. Die Nazis nützten sie auch als Hinrichtungsstätte, dokumentiert sind Erschießungen von rund 129 Personen, vor allem von Deserteuren. Dort, wo heute der Donauturm steht, befand sich von 1880 bis 1960 die Mülldeponie Bruckhaufen, hier lebten arbeiteten bis zu 195.070 Menschen, die den Müll nach noch Brauchbarem durchsuchten. Sie lebten teils in der hiesigen illegalen Siedlung, dem "Bretteldorf", sowie in der Siedlung Bruckhaufen, wo auch Willi "Ostbahn-Kurti" Resetarits als Zehnjähriger zuzog. Beide Siedlungen wurden für die WIG 64 geschliffen, die sagenumwobene Wiener Internationale Gartenschau 1964, von der aus die Hollywoodschaukel ihren Siegeszug durch ganz Österreich antrat.

Gachbunte Blumenbeete.
Foto: Christian Fischer

Ich bin mit Lilli Lička, Professorin für Landschaftsarchitektur, unterwegs. Sie hat die WIG 64 gemeinsam mit Ulrike Krippner, Martina Nußbaumer und Nicole Theresa King 2014 in einer Ausstellung im Wien-Museum dokumentiert. Lička sorgt dafür, dass ich keine Zeichen der Zeit in diesem halb absichtlichen, halb unabsichtlichen Landschaftsplanungsmuseum übersehe. Die WIG 64 war der gachbunte, wahr gewordene Traum der Landschaftsgestaltung: Über ein Blütenmeer in Technicolor-Farbpracht führte ein Sessellift, um die Pracht von oben bestaunen zu können. Es war die damals größte Gartenschau Europas, 29 Staaten nahmen teil, insgesamt 2,1 Millionen Besucherinnen und Besucher kamen zwischen April und November 1964 aus dem In- und Ausland.

Nur Aussicht

Wie alle damals wollte und baute auch Wien ein Sinnbild für Zukunft und Fortschritt: einen Fernsehturm. Aber der Donauturm schwindelt, erzählt Lička, er ist nur Turm, nix mit Fernseh-. Bis 1998 gab es jedenfalls keinen Funk, nur Aussicht. Noch immer allerdings kann man sich nach einer Liftfahrt hier ein sündteures Schnitzel reinpfeifen und zuschauen, wie im sich drehenden Café und Restaurant langsam der Ausgang an einem vorbeifährt, derweil man die Landschaft um Wien herum im Kreis betrachtet. Nein, Bungeespringen kann man hier nicht mehr.

Doch weiter im Park: Wir lassen den riesigen Spielplatz mit den legendären Rutschen links liegen, es geht weiter zum modernistischen Korea-Kulturhaus, das seine Entstehungszeit nicht verheimlichen kann und will. Früher saß man hier direkt am "Iris-See", inzwischen hat der Schilfgürtel drumherum, der als natürliche Kläranlage für das direkt über der ehemaligen Mülldeponie liegende Gewässer fungiert, die elegante Form längst verwischt. Schon während der Gartenausstellung blubberte hier fröhlich das entweichende Methan, heute ziehen riesige Karpfen unter den Enten ihre Kreise.

Schachspieler im Donaupark
Foto: Christian Fischer

Der Rosengarten ist immer noch einer. Lička zeigt mir Tulpenbaum und Blauglockenbaum, wir gehen vorbei an dem Hügel, zu dem einst das Café über den See schaute, es geht weiter zum ehemaligen "Garten der Nationen" – geografisch sortierte Gewächse gibt es heute nicht mehr, aber in den übrig gebliebenen überdachten Mauern eine durchaus international besuchte Geburtstagsparty des hiesigen Schachklubs. "Auch ein Hippie?" "Nein Mitglied der Gartenbaugesellschaft!", steht an der Wand, schlecht gealterte Witzigkeit. Dahinter schwingen sich noch die eleganten Betonbänke des brasilianischen Gartens über den Rasen, mehr ist davon nicht übrig geblieben.

Lilli Lička vor der übrig gebliebenen Mauer.
Foto: Christian Fischer

Die breiten Wege erinnern daran, dass hier zumindest ein Jahr lang die Massen durchströmten. Denkmalgeschützt ist er nicht, der Donaupark, wie keine einzige Nachkriegsgartenanlage in Wien, so Lička. Dafür hat er absurd viele Denkmäler: Che Guevara steht hier, ein aserbaidschanischer Komponist auch, General Don José de San Martín, "Befreier von Argentinien, Chile und Peru", Juan Pablo Duarte y Díez, "Gründer der Dominikanischen Republik", "Simón Bolívar der Befreier" steht auf einer Tafel. Riesenwerkzeuge mahnen ein Stück weiter: "Das Goldene Kalb: Die Technik als Apokalypse", klotzige Metallkunst, die Apokalypse von 1984 ist auch nicht mehr die von heute.

Absurd viele Denkmäler gibt es auch im Donaupark: Che Guevara steht hier, Simón Bolívar, General Juan Pablo Duarte y Díez.
Foto: Christian Fischer

Es ist ein Kreuz mit dem Papst

Ich biege ab zur zentralen Grünfläche des Donauparks, umrankt ist sie von Resten der Staudenschau und des Heidegartens (einen Musterfriedhof gab es auch, zeigt die WIG-64-Karte). Am Ende dieser Riesenwiese, früher die Rasenschüssel genannt, ragt der Donauturm aus dem Boden, flankiert ist er von einer rechteckigen Stahlkonstruktion mit einem Kreuz in der Mitte, errichtet wurde es 1983 anlässlich des Papstbesuchs von Johannes Paul II., der hier eine Messe hielt. Seither heißt die Wiese Papstwiese, das Kreuz hätte abgerissen werden sollen und wurde trotz Protesten renoviert.

Wahr gewordener Traum der Landschaftsgestaltung.
Foto: Christian Fischer

Inzwischen ist es Abend geworden, wenig Leute sind hier; die, die hier sind, haben Hund und sind vielsprachig. Zwei Leute besprechen, woran man erkennt, dass man zusammenpasst. Ich schaue noch zu den zwei ehemaligen Lesehügeln, an ihnen dröhnt jetzt sechsspurig die Donauuferautobahn vorbei. Im Duft von sommerlichem Nadelgehölz verlasse ich den Donaupark in Richtung Donauplatte, passiere die neuen und auch schon nicht mehr so neuen Wohnbauten entlang der Carl-Auböck-Promenade, alles sehr hoch hier und sehr asphaltiert.

Der DC Tower verlockt mich noch, im Lift zum 57. Stock bekomme ich Ohrensausen, als ich von der Bar unter dem Dach auf die Stadt schaue, habe ich das dringende Bedürfnis, mich irgendwo festzuhalten. Von oben ist der gerade noch so massive Donauturm nur mehr die Zukunft von gestern, das Papstkreuz ist eine Miniatur, die Copa Cagrana ein Vogelschiss. Dem Leopoldsberg in der Ferne ist das alles egal, und während sich in der Abendsonne der Nebel über Alter und Neuer Donau sammelt, könnte man meinen, von hier aus sehen zu können, die Erde ist rund. (Julia Pühringer, 20.9.2022)