Hacker sehen die Games-Branche als immer attraktivere Spielwiese. Publicity ist mit Erfolgen gegen Take 2, Electronic Arts und Co in jedem Fall zu ernten – aber auch rechtliche Konsequenzen.

Foto: Rockstar

Am Sonntag tauchten zahlreiche Videos und auch der Source-Code von "GTA 6" auf – bisher gab es kein offizielles Bildmaterial zur Fortsetzung der wohl größten Spielemarke der Welt: ein Desaster für den Entwickler und auch die Spieler. Die Leaks könnten das Release-Datum des Spiels aus verschiedenen Gründen weit zurückwerfen.

Material von 2019

Der Hacker teapotuberhacker verlautbarte in einem GTA-Forum, er habe mehr als 90 Videos und dazu den Source-Code von "GTA 6" gestohlen. Einiges davon bot er bereits zum Download an. Man könne sich mit Fragen an seinen Telegram-Kanal wenden, schrieb der Hacker.

Die erste Nachricht des Hackers, inklusive Link zum Download des gestohlenen Materials.
Foto: GTA Forums

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Videomaterial auf diversen Social-Media-Kanälen. Zu sehen waren zwei Charaktere, einer weiblich und einer männlich, in diversen typischen "GTA"-Situationen. Zahlreiche "Fans" kritisierten die optische Qualität der Videos, obwohl das meiste Material nicht aktuell beziehungsweise nicht dazu gedacht war, einer öffentlichen Präsentation zu dienen. Andere erkannten sehr wohl zahlreiche Feinheiten, die "GTA 6" offenbar mit sich bringen wird.

Seit neun Jahren warten Fans auf eine Fortsetzung von "GTA 5": jenes Spiel, das sich bereits rund 160 Millionen Mal verkauft hat und in Form von GTA Online allein im letzten Geschäftsjahr des Entwicklers 3,4 Milliarden Dollar eingespielt hat. Ohne Zweifel gehört die Franchise zu den größten der Welt und steht damit umso mehr im Fokus der Fans und einer gesamten Branche.

Tatsächlich ist es also kein Wunder, dass die veröffentlichten Videos und die dazugehörigen Programmzeilen für Wirbel gesorgt haben. Der Hacker gibt sich im besagten Forum dennoch überrascht über die über 3.000 Privatnachrichten auf Telegram, die er innerhalb kürzester Zeit bekommen haben soll. Aus welchen Gründen auch immer beschließt er daraufhin, Rockstar direkt anzusprechen. Man solle sich bei ihm melden, um "einen Deal auszuhandeln". Offenbar versuchte der Hacker durch seine Aktionen nicht nur bekannt, sondern auch reich zu werden.

Später editiere der Hacker seinen Beitrag – er wolle einen "Deal aushandeln".
Foto: GTA Forums

Tragweite enorm

Nun könnte man sich fragen: Warum dieser ganze Wirbel? Rockstar könnte doch einfach am Spiel weiterarbeiten und sagen, es handle sich um altes Material, und man würde künftig besser auf seine Sachen aufpassen. Mitnichten. Die Veröffentlichung des Source-Code, also Quelltext des Spiels, der in einer bekannten Programmiersprache verfasst wurde, ist in vielerlei Hinsicht ein Drama für den Urheber. Allen voran erlaubt es Cheatern, sich basierend auf diesem Code schon jetzt Gedanken über mögliche Schummel-Tools zu machen, mit denen man pünktlich zum Release an den Start gehen könnte.

Innerhalb kürzester Zeit hätte Rockstar mit Story-Leaks zu kämpfen, und auch der Online-Multiplayermodus müsste wohl komplett überarbeitet werden, wenn sich beispielsweise Spieler unverwundbar machen würden oder mit unendlich viel Munition ausstatten könnten. Diese Probleme bekommen große Spiele in der Regel ohnehin, aber nicht mit diesem massiven Startvorteil aufseiten der Cheater.

Für den Fall "GTA 6" heißt das voraussichtlich, dass die Entwicklung angehalten werden muss und zunächst einmal mögliche Schreckensszenarien durchgespielt werden sollten, bevor man einfach zur Tagesordnung übergeht. Auch die IT-Infrastruktur muss wohl auf Sicherheitslücken geprüft werden, um weitere solcher Leaks zu vermeiden.

Sämtliches Videomaterial wurde mittlerweile aus allen öffentlichen Kanälen entfernt.
Foto: Twitter

Hacker abgetaucht

Im ersten Schritt hat Rockstar beziehungsweise Publisher Take 2 sämtliche Materialien aus dem Netz entfernen lassen. Hilfreich dafür ist der Digital Millennium Copyright Act (DMCA), mit dem man online Urheberrechtsverletzungen anzeigen kann. Zudem scheint der angegebene Telegram-Account des Hackers gelöscht worden zu sein. Offenbar fühlte sich der Mann nicht mehr sicher, nachdem sein Wohnort bekannt wurde, wie der bekannte "GTA"-Leaker Tom Henderson auf Twitter berichtete.

Tatsächlich könnte die Sache den Hacker teuer zu stehen kommen. Bei einem älteren Rockstar-Spiel, "Red Dead Redemption 2", wurde eine Website auf 1,3 Millionen Dollar verklagt, weil sie Informationen und Screenshots aus einer unbestätigten Quelle veröffentlicht hatten. Im Falle von "GTA" würden auch noch Diebstahl und Erpressung als Delikte hinzukommen.

Ein Ende der Geschichte ist aber noch nicht in Sicht. Laut der Newsseite "GTA Base" ist auch der Source-Code von "GTA 5" – den der Hacker ebenfalls erbeutet haben will – zwar noch nicht verkauft, aber offenbar im Netz noch verfügbar. Auf Twitter schreibt die Plattform: "Einige Screenshots sind auf GTA-Forums zu finden – manche davon zeigen Krypto-Transaktionen, andere Unterhaltungen, in denen der Hacker verneint, dass der Code bereits verkauft ist".

Wer der Hacker ist, weiß man übrigens nicht. Er selbst gab an, erst vor wenigen Tagen die Infrastruktur von Uber gehackt zu haben – wohl auch deshalb sein Nickname. Der Uber-Hacker gab in einem Interview mit der "New York Times" an, erst 18 Jahre alt zu sein. Eine Bestätigung, dass es sich tatsächlich um dieselbe Person handelt, fehlt allerdings.

Am Montag reagierte Rockstar mit einem Posting auf die Geschehnisse. Man sei "sehr enttäuscht", dass das Spiel auf diese Weise den Fans präsentiert wurde. Wenn man so weit sei, würde man das Spiel entsprechend vorstellen, verspricht der Entwickler. Von einem gestohlenen Source Code erwähnt Rockstar nichts. Es könnte also sein, dass der Hacker nur Videomaterial entwenden konnte.

Cyberpunk-Hack

Nicht immer werden Hacks gegen Videospielfirmen publik. Ein prominentes Beispiel gab es allerdings in der jüngeren Vergangenheit: CD Projekt Red. Die Macher hinter "Cyberpunk 2077" waren im Februar 2021 Opfer eines solchen Angriffs. Auch damals war der Source-Code mehrerer Spiele betroffen, wie der Hacker damals angab. In einer öffentlichen Stellungnahme bestätigte der Entwickler den Angriff und den Diebstahl. Auch in diesem Fall wurde dem Besitzer des Materials gedroht, den Code zu veröffentlichen, sollte man nicht eine bestimmte Summe zahlen.

Großer Unterschied zu "GTA" war allerdings, dass das Material erst nach dem Release gestohlen wurde. Fabian Döhla, PR-Mann bei CD Projekt Red, erinnert sich gut: "Wir mussten damals einen kompletten IT-Check machen, um weitere Hacks zu vermeiden. Das hat viel Zeit und Nerven gekostet und war für alle Beteiligten sehr ärgerlich".

CD Projekt Red gab der Drohung dennoch nicht nach, und die Daten wurden offenbar im Darknet um sieben Millionen Dollar an den Meistbietenden verkauft. Laut unbestätigten Berichten wurden in den Monaten danach mehrere Personen festgenommen und verurteilt, die offenbar mit der Sache zu tun hatten.

Weitere Hackangriffe oder eine erhöhte Anzahl an Cheatern haben die eigenen Spiele bisher nicht erleben müssen, sagt Döhla. Die Vorzeichen seien aber auch ganz andere als beim aktuellen Fall. "Mir tun die Entwickler auf jeden Fall sehr leid," sagt Döhla. "Du arbeitest jahrelang an einem Projekt und musst dich nicht nur mit solchen Störaktionen auseinandersetzen, sondern kannst deine Arbeit auch nicht in dem Licht und Rahmen zeigen, den sie verdient. Immerhin eines ist nun klar: Die Messlatte wird von 'GTA 6' nicht nur verschoben, sondern scheinbar neu definiert. Auch wenn das im Moment sicher ein nur schwacher Trost für das betroffene Team ist." (Alexander Amon, 19.9.2022)