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Pro
von Conrad Seidl

"Sechs Halbe ersetzen ein Philosophiestudium", steht auf einer Karte, die ich kürzlich im Haus der Bayerischen Geschichte gekauft habe – und es gibt dieser Tage wohl tausende Möchtegern-Philosophen, die ihr "Studium" auf der Wiesn mit drei (oder noch mehr) Mass absolvieren wollen. Auf dem Oktoberfest wird Bier literweise getrunken – mit Biergenuss hat das aber nichts zu tun.

Wer speziellere Biere kosten will als das allgegenwärtige Lager, wird den Unterschied zwischen "Maß halten" und "eine Mass halten" verstehen: Kluge Brauer füllen ihre stärksten Biere oft in die kleinsten Flaschen – zum Kosten reicht ja schon ein Pfiff dieser hocharomatischen, in Rum-, Whisky- oder Weinfässern gereiften Biere. Sie zu prüfen, zu beschreiben und ja, auch zu trinken erfordert Zeit und Konzentration. Die hat man auf der Wiesn nicht. Macht nichts. Es gibt für jedes Bier seine Gelegenheit, gerade auch für das sehr Kleine. Es muss ja nicht bei einem bleiben.

Kontra
von Andreas Danzer

Wer sich vorstellen kann, in einem Lokal mehr als 0,2 Liter Bier zu trinken, tut mit der Bestellung "einen Pfiff, bitte" niemandem etwas Gutes. In der Gastro herrscht akuter Personalmangel. Dementsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man ohnehin überlastetes Personal nur unnötig oft zur Schank schickt – was im Gegenzug die eigene Wartezeit künstlich erhöht. Die Maßeinheit Pfiff ist ja noch nicht einmal genormt, wenn es also blöd läuft, bekommt man sogar nur 0,1 Liter.

Ökonomisch gesehen reichen die Grundrechnungsarten, um einen Pfiff ins Abseits zu stellen. Umgerechnet auf den Literpreis sieht schon das Seidl schlecht aus im Vergleich zum Krügerl, noch schlimmer wird es dementsprechend beim Pfiff. In Zeiten von hoher Inflation und Energiekrise sollte man das schon im Hinterkopf behalten.

Charme haben diese Kleinstgläser eigentlich nur in Köln – wer so lange eine taktisch unkluge Tradition aufgebaut hat, soll auch dabei bleiben. (RONDO, 29.9.2022)